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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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War die zweite englische Kriegsanleihe ein Erfolg?

sollten es doch möglich machen, sich trotz ihrer vielen sonstigen Verpflichtungen
an der Anleihe zu beteiligen; ähnlich äußerten sich auch andere Blätter. Da
diese wohlwollenden Ermahnungen scheinbar nichts nutzten und von keiner Bank
Zeichnungen bekannt wurden, arrangierte Me Kenna am 1. Juli eine Konferenz
mit den Bankiers, ohne aber anscheinend einen Erfolg zu haben. Erst am
9. Juli, das heißt einen Tag vor Schluß der Zeichnungslisten, haben sich die
Banken entschlossen, sich mit größeren Beträgen an der Anleihe zu beteiligen.
Sie hatten an diesem Tage eine Konferenz, und die Times konnte am folgenden
Tage berichten, daß die Banken selbst etwa 200 Millionen Pfund Sterling
zeichnen würden; während die Zeichnungen ihrer Kundschaft ebensoviel betragen
sollten. Zu diesem Entschluß sind die Banken nur durch die Not des Augen¬
blicks gebracht worden, durch die Tatsache nämlich, daß der Erfolg der Anleihe
weit hinter den Erwartungen zurückblieb; sie haben das Loch, daß das Publikum
gelassen hatte, auf Drängen der Negierung stopfen müssen; anders ist die auf¬
fällige Tatsache, daß die Zeichnungen der Banken im letzten Augenblick erfolgten,
nicht zu verstehen. -- Die gewundenen Erklärungen der Times (7. Juli), daß
es sich um einen "spontanen" (nach drei Wochen I) Entschluß handelte, der
nicht auf ein Drängen der Regierung zurückzuführen sei, konnten keinen Glauben
finden, ebensowenig wie die Behauptung mancher Blätter, die Banken hätten
durch ihre Zeichnungen einen Anreiz zu weiteren Zeichnungen des Publikums
ausüben wollen; war dies wirklich der Fall, so kamen die Zeichnungen reichlich
spät, gerade vor Toresschluß, wo keine rechte Wirkung mehr zu erzielen war.
Die Nation (10. Juli) ist wohl das einzige Blatt, das den Mut gehabt hat,
die Wahrheit auszusprechen; sie sagt unter anderem, daß der "Erfolg" der
Anleihe lediglich bestimmt worden sei von der Größe der Zeichnungen und der
Beleihungspolitik der Joint Stock Banks. Sie wären, so führt das Blatt aus,
von allen Seiten gedrängt worden, ihren Kunden große Vorschüsse auf die
Sicherheit der neuen Kriegsanleihe zum Beleihungssatz der Bankrate zu machen
und ebenso ihre eigenen Bestände an Konsols und alter Kriegsanleihe in neue
Kriegsanleihe zu konvertieren und für diese Konverston ihr eigenes Geld in
Anspruch zu nehmen. Man habe ihnen versichert, daß diese Haltung sür sie
nicht gefährlich sein könne, da die Bank von England und die Regierung schon
zusehen werde, daß sie nichts dabei verlören. So werden, sagt die Nation,
die Zeichnungen auf die Anleihe um mehrere hundert Millionen durch künstliches
Bankgeld erhöht, welches nicht die Ersparnisse der Bevölkerung darstellt, sondern
den Kredit, den die Banken zu sehr profitablem Satz der Nation einräumen;
dies sei aber nichts anderes als eine Inflation der Währung und darum eine
"al8afer0U8 tirmnLö". -- Soweit die Nation; es ist nicht anzunehmen, daß
sie allein von allen englischen Blättern die Wahrheit erkannt, wohl aber, daß
sie allein den Mut gehabt hat, die Wahrheit zu bekennen; im Economist
(17. Juli) findet man allerdings einen kurzen Hinweis auf den zweifelhaften
Wert der Zeichnungen der Banken und ihrer Kundschaft, es heißt da bei


War die zweite englische Kriegsanleihe ein Erfolg?

sollten es doch möglich machen, sich trotz ihrer vielen sonstigen Verpflichtungen
an der Anleihe zu beteiligen; ähnlich äußerten sich auch andere Blätter. Da
diese wohlwollenden Ermahnungen scheinbar nichts nutzten und von keiner Bank
Zeichnungen bekannt wurden, arrangierte Me Kenna am 1. Juli eine Konferenz
mit den Bankiers, ohne aber anscheinend einen Erfolg zu haben. Erst am
9. Juli, das heißt einen Tag vor Schluß der Zeichnungslisten, haben sich die
Banken entschlossen, sich mit größeren Beträgen an der Anleihe zu beteiligen.
Sie hatten an diesem Tage eine Konferenz, und die Times konnte am folgenden
Tage berichten, daß die Banken selbst etwa 200 Millionen Pfund Sterling
zeichnen würden; während die Zeichnungen ihrer Kundschaft ebensoviel betragen
sollten. Zu diesem Entschluß sind die Banken nur durch die Not des Augen¬
blicks gebracht worden, durch die Tatsache nämlich, daß der Erfolg der Anleihe
weit hinter den Erwartungen zurückblieb; sie haben das Loch, daß das Publikum
gelassen hatte, auf Drängen der Negierung stopfen müssen; anders ist die auf¬
fällige Tatsache, daß die Zeichnungen der Banken im letzten Augenblick erfolgten,
nicht zu verstehen. — Die gewundenen Erklärungen der Times (7. Juli), daß
es sich um einen „spontanen" (nach drei Wochen I) Entschluß handelte, der
nicht auf ein Drängen der Regierung zurückzuführen sei, konnten keinen Glauben
finden, ebensowenig wie die Behauptung mancher Blätter, die Banken hätten
durch ihre Zeichnungen einen Anreiz zu weiteren Zeichnungen des Publikums
ausüben wollen; war dies wirklich der Fall, so kamen die Zeichnungen reichlich
spät, gerade vor Toresschluß, wo keine rechte Wirkung mehr zu erzielen war.
Die Nation (10. Juli) ist wohl das einzige Blatt, das den Mut gehabt hat,
die Wahrheit auszusprechen; sie sagt unter anderem, daß der „Erfolg" der
Anleihe lediglich bestimmt worden sei von der Größe der Zeichnungen und der
Beleihungspolitik der Joint Stock Banks. Sie wären, so führt das Blatt aus,
von allen Seiten gedrängt worden, ihren Kunden große Vorschüsse auf die
Sicherheit der neuen Kriegsanleihe zum Beleihungssatz der Bankrate zu machen
und ebenso ihre eigenen Bestände an Konsols und alter Kriegsanleihe in neue
Kriegsanleihe zu konvertieren und für diese Konverston ihr eigenes Geld in
Anspruch zu nehmen. Man habe ihnen versichert, daß diese Haltung sür sie
nicht gefährlich sein könne, da die Bank von England und die Regierung schon
zusehen werde, daß sie nichts dabei verlören. So werden, sagt die Nation,
die Zeichnungen auf die Anleihe um mehrere hundert Millionen durch künstliches
Bankgeld erhöht, welches nicht die Ersparnisse der Bevölkerung darstellt, sondern
den Kredit, den die Banken zu sehr profitablem Satz der Nation einräumen;
dies sei aber nichts anderes als eine Inflation der Währung und darum eine
„al8afer0U8 tirmnLö". — Soweit die Nation; es ist nicht anzunehmen, daß
sie allein von allen englischen Blättern die Wahrheit erkannt, wohl aber, daß
sie allein den Mut gehabt hat, die Wahrheit zu bekennen; im Economist
(17. Juli) findet man allerdings einen kurzen Hinweis auf den zweifelhaften
Wert der Zeichnungen der Banken und ihrer Kundschaft, es heißt da bei


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[0176] War die zweite englische Kriegsanleihe ein Erfolg? sollten es doch möglich machen, sich trotz ihrer vielen sonstigen Verpflichtungen an der Anleihe zu beteiligen; ähnlich äußerten sich auch andere Blätter. Da diese wohlwollenden Ermahnungen scheinbar nichts nutzten und von keiner Bank Zeichnungen bekannt wurden, arrangierte Me Kenna am 1. Juli eine Konferenz mit den Bankiers, ohne aber anscheinend einen Erfolg zu haben. Erst am 9. Juli, das heißt einen Tag vor Schluß der Zeichnungslisten, haben sich die Banken entschlossen, sich mit größeren Beträgen an der Anleihe zu beteiligen. Sie hatten an diesem Tage eine Konferenz, und die Times konnte am folgenden Tage berichten, daß die Banken selbst etwa 200 Millionen Pfund Sterling zeichnen würden; während die Zeichnungen ihrer Kundschaft ebensoviel betragen sollten. Zu diesem Entschluß sind die Banken nur durch die Not des Augen¬ blicks gebracht worden, durch die Tatsache nämlich, daß der Erfolg der Anleihe weit hinter den Erwartungen zurückblieb; sie haben das Loch, daß das Publikum gelassen hatte, auf Drängen der Negierung stopfen müssen; anders ist die auf¬ fällige Tatsache, daß die Zeichnungen der Banken im letzten Augenblick erfolgten, nicht zu verstehen. — Die gewundenen Erklärungen der Times (7. Juli), daß es sich um einen „spontanen" (nach drei Wochen I) Entschluß handelte, der nicht auf ein Drängen der Regierung zurückzuführen sei, konnten keinen Glauben finden, ebensowenig wie die Behauptung mancher Blätter, die Banken hätten durch ihre Zeichnungen einen Anreiz zu weiteren Zeichnungen des Publikums ausüben wollen; war dies wirklich der Fall, so kamen die Zeichnungen reichlich spät, gerade vor Toresschluß, wo keine rechte Wirkung mehr zu erzielen war. Die Nation (10. Juli) ist wohl das einzige Blatt, das den Mut gehabt hat, die Wahrheit auszusprechen; sie sagt unter anderem, daß der „Erfolg" der Anleihe lediglich bestimmt worden sei von der Größe der Zeichnungen und der Beleihungspolitik der Joint Stock Banks. Sie wären, so führt das Blatt aus, von allen Seiten gedrängt worden, ihren Kunden große Vorschüsse auf die Sicherheit der neuen Kriegsanleihe zum Beleihungssatz der Bankrate zu machen und ebenso ihre eigenen Bestände an Konsols und alter Kriegsanleihe in neue Kriegsanleihe zu konvertieren und für diese Konverston ihr eigenes Geld in Anspruch zu nehmen. Man habe ihnen versichert, daß diese Haltung sür sie nicht gefährlich sein könne, da die Bank von England und die Regierung schon zusehen werde, daß sie nichts dabei verlören. So werden, sagt die Nation, die Zeichnungen auf die Anleihe um mehrere hundert Millionen durch künstliches Bankgeld erhöht, welches nicht die Ersparnisse der Bevölkerung darstellt, sondern den Kredit, den die Banken zu sehr profitablem Satz der Nation einräumen; dies sei aber nichts anderes als eine Inflation der Währung und darum eine „al8afer0U8 tirmnLö". — Soweit die Nation; es ist nicht anzunehmen, daß sie allein von allen englischen Blättern die Wahrheit erkannt, wohl aber, daß sie allein den Mut gehabt hat, die Wahrheit zu bekennen; im Economist (17. Juli) findet man allerdings einen kurzen Hinweis auf den zweifelhaften Wert der Zeichnungen der Banken und ihrer Kundschaft, es heißt da bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/176>, abgerufen am 10.06.2024.