Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg?

man erwartete die Emission einer neuen Anleihe mit Zagen. Bedauernd
bemerkte die Daily Mail am 19. Juni, daß die Unsicherheit über die neue
Anleihe den Kurs der alten immer mehr weichen lasse, daß ein so außer¬
ordentlicher Tiefstand wie 93"/^ bereits erreicht worden sei. Man solle diesem
Zustande durch baldmöglichste Bekanntgabe der hoffentlich günstigen Bedingungen
der neuen Anleihe ein Ende machen. Als nun die Bedingungen der neuen
bekannt wurden, schnellte der Kurs von 93^/g (Schlußkurs 21. Juni) auf 95^
(22. Juni) empor, aber schon im Lause dieses Tages begann man an der
Güte der Konverstonsbedingungen zu zweifeln, und die Anleihe schloß mit 94^,
um dann im Laufe der nächsten Tage immer weiter herunterzugehen. Vergebens
wiesen die Times (25. Juni) und die anderen Zeitungen darauf hin, daß ein
Disagio der alten Anleihe doch eine Absurdität sei, da eine solche auch ein
Disagio der neuen Anleihe bedeute, und es sei doch unsinnig, wenn eine britische
viereinhalbprozentige Anleihe unter pari stände. Allmählich mußte man sich
auch mit diesem Gedanken vertraut machen, und bei Schluß der Liste war der
Kurs auf 93^ gesunken; damit war die neue Kriegsanleihe bereits etwa
zweieinhalb Prozent im Kurs gefallen, ehe sie überhaupt an der Börse eingeführt
war. Wirklich ein schwerer Schlag für den englischen Staatskredit.

Ob sich der Schatzkanzler bei der Kalkulierung der Konversion sbestimmung
verrechnet hatte, oder aber ob man die neue Anleihe in einer verdeckten Form
gleich zu einem Disagio bringen wollte, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hatte
man (vergleiche Daily Telegraph vom 23. Juni) bald herausgefunden, daß man die
neue Anleihe infolge der Zinsberechnung durch sofortige Bezahlung zu einem halben
Prozent unter dem Kurse kaufen könne. Nahm man gleichzeitig eine Konversion
des alten Loans zu dessen Emissionskurse 95 vor, so war die Anleihe sogar
unter Anrechnung der aufgelaufenen Zinsen zu 99^/g zu erwerben. Bei
Konvertierung der Konsols stellte sich die Sache noch ungünstiger für die
Regierung. Nachdem der Minimumpreis der Konsols von 66^ am 23. Juni
auf 65 ermäßigt worden war, konnte man die neue Anleihe vermittels der
Konsolkonvsrtierung mit über ein Prozent unter pari erwerben. Zweifellos
wären im Laufe der letzten Wochen auch die Konsols 'ebenso wie die alte
Kriegsanleihe weiter im Kurse gefallen, wenn dieser nicht durch einen Minimum¬
preis geschützt gewesen wäre. Infolgedessen wurden Konsols unverkäuflich
(vergleiche Daily Mail vom 23. Juni), und dadurch konnte sich in ihnen kein weiteres
Sinken des Staatskredits mehr offenbaren, während die erste Kriegsanleihe,
durch kein Minimum geschützt, ungehindert fallen konnte und dadurch die Einbuße
des englischen finanziellen Prestiges drastisch enthüllte.


Gründe des Mißerfolges

Woher kam es, wird man sich erstaunt fragen, daß die neue Anleihe so
ungünstig in der City aufgenommen wurde? Es sind da eine ganze Reihe
von Ursachen im Werk gewesen, vor allem wohl der plötzliche und ganz un°


koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg?

man erwartete die Emission einer neuen Anleihe mit Zagen. Bedauernd
bemerkte die Daily Mail am 19. Juni, daß die Unsicherheit über die neue
Anleihe den Kurs der alten immer mehr weichen lasse, daß ein so außer¬
ordentlicher Tiefstand wie 93«/^ bereits erreicht worden sei. Man solle diesem
Zustande durch baldmöglichste Bekanntgabe der hoffentlich günstigen Bedingungen
der neuen Anleihe ein Ende machen. Als nun die Bedingungen der neuen
bekannt wurden, schnellte der Kurs von 93^/g (Schlußkurs 21. Juni) auf 95^
(22. Juni) empor, aber schon im Lause dieses Tages begann man an der
Güte der Konverstonsbedingungen zu zweifeln, und die Anleihe schloß mit 94^,
um dann im Laufe der nächsten Tage immer weiter herunterzugehen. Vergebens
wiesen die Times (25. Juni) und die anderen Zeitungen darauf hin, daß ein
Disagio der alten Anleihe doch eine Absurdität sei, da eine solche auch ein
Disagio der neuen Anleihe bedeute, und es sei doch unsinnig, wenn eine britische
viereinhalbprozentige Anleihe unter pari stände. Allmählich mußte man sich
auch mit diesem Gedanken vertraut machen, und bei Schluß der Liste war der
Kurs auf 93^ gesunken; damit war die neue Kriegsanleihe bereits etwa
zweieinhalb Prozent im Kurs gefallen, ehe sie überhaupt an der Börse eingeführt
war. Wirklich ein schwerer Schlag für den englischen Staatskredit.

Ob sich der Schatzkanzler bei der Kalkulierung der Konversion sbestimmung
verrechnet hatte, oder aber ob man die neue Anleihe in einer verdeckten Form
gleich zu einem Disagio bringen wollte, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hatte
man (vergleiche Daily Telegraph vom 23. Juni) bald herausgefunden, daß man die
neue Anleihe infolge der Zinsberechnung durch sofortige Bezahlung zu einem halben
Prozent unter dem Kurse kaufen könne. Nahm man gleichzeitig eine Konversion
des alten Loans zu dessen Emissionskurse 95 vor, so war die Anleihe sogar
unter Anrechnung der aufgelaufenen Zinsen zu 99^/g zu erwerben. Bei
Konvertierung der Konsols stellte sich die Sache noch ungünstiger für die
Regierung. Nachdem der Minimumpreis der Konsols von 66^ am 23. Juni
auf 65 ermäßigt worden war, konnte man die neue Anleihe vermittels der
Konsolkonvsrtierung mit über ein Prozent unter pari erwerben. Zweifellos
wären im Laufe der letzten Wochen auch die Konsols 'ebenso wie die alte
Kriegsanleihe weiter im Kurse gefallen, wenn dieser nicht durch einen Minimum¬
preis geschützt gewesen wäre. Infolgedessen wurden Konsols unverkäuflich
(vergleiche Daily Mail vom 23. Juni), und dadurch konnte sich in ihnen kein weiteres
Sinken des Staatskredits mehr offenbaren, während die erste Kriegsanleihe,
durch kein Minimum geschützt, ungehindert fallen konnte und dadurch die Einbuße
des englischen finanziellen Prestiges drastisch enthüllte.


Gründe des Mißerfolges

Woher kam es, wird man sich erstaunt fragen, daß die neue Anleihe so
ungünstig in der City aufgenommen wurde? Es sind da eine ganze Reihe
von Ursachen im Werk gewesen, vor allem wohl der plötzliche und ganz un°


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324152"/>
            <fw type="header" place="top"> koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg?</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_543" prev="#ID_542"> man erwartete die Emission einer neuen Anleihe mit Zagen. Bedauernd<lb/>
bemerkte die Daily Mail am 19. Juni, daß die Unsicherheit über die neue<lb/>
Anleihe den Kurs der alten immer mehr weichen lasse, daß ein so außer¬<lb/>
ordentlicher Tiefstand wie 93«/^ bereits erreicht worden sei. Man solle diesem<lb/>
Zustande durch baldmöglichste Bekanntgabe der hoffentlich günstigen Bedingungen<lb/>
der neuen Anleihe ein Ende machen. Als nun die Bedingungen der neuen<lb/>
bekannt wurden, schnellte der Kurs von 93^/g (Schlußkurs 21. Juni) auf 95^<lb/>
(22. Juni) empor, aber schon im Lause dieses Tages begann man an der<lb/>
Güte der Konverstonsbedingungen zu zweifeln, und die Anleihe schloß mit 94^,<lb/>
um dann im Laufe der nächsten Tage immer weiter herunterzugehen. Vergebens<lb/>
wiesen die Times (25. Juni) und die anderen Zeitungen darauf hin, daß ein<lb/>
Disagio der alten Anleihe doch eine Absurdität sei, da eine solche auch ein<lb/>
Disagio der neuen Anleihe bedeute, und es sei doch unsinnig, wenn eine britische<lb/>
viereinhalbprozentige Anleihe unter pari stände. Allmählich mußte man sich<lb/>
auch mit diesem Gedanken vertraut machen, und bei Schluß der Liste war der<lb/>
Kurs auf 93^ gesunken; damit war die neue Kriegsanleihe bereits etwa<lb/>
zweieinhalb Prozent im Kurs gefallen, ehe sie überhaupt an der Börse eingeführt<lb/>
war.  Wirklich ein schwerer Schlag für den englischen Staatskredit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_544"> Ob sich der Schatzkanzler bei der Kalkulierung der Konversion sbestimmung<lb/>
verrechnet hatte, oder aber ob man die neue Anleihe in einer verdeckten Form<lb/>
gleich zu einem Disagio bringen wollte, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hatte<lb/>
man (vergleiche Daily Telegraph vom 23. Juni) bald herausgefunden, daß man die<lb/>
neue Anleihe infolge der Zinsberechnung durch sofortige Bezahlung zu einem halben<lb/>
Prozent unter dem Kurse kaufen könne. Nahm man gleichzeitig eine Konversion<lb/>
des alten Loans zu dessen Emissionskurse 95 vor, so war die Anleihe sogar<lb/>
unter Anrechnung der aufgelaufenen Zinsen zu 99^/g zu erwerben. Bei<lb/>
Konvertierung der Konsols stellte sich die Sache noch ungünstiger für die<lb/>
Regierung. Nachdem der Minimumpreis der Konsols von 66^ am 23. Juni<lb/>
auf 65 ermäßigt worden war, konnte man die neue Anleihe vermittels der<lb/>
Konsolkonvsrtierung mit über ein Prozent unter pari erwerben. Zweifellos<lb/>
wären im Laufe der letzten Wochen auch die Konsols 'ebenso wie die alte<lb/>
Kriegsanleihe weiter im Kurse gefallen, wenn dieser nicht durch einen Minimum¬<lb/>
preis geschützt gewesen wäre. Infolgedessen wurden Konsols unverkäuflich<lb/>
(vergleiche Daily Mail vom 23. Juni), und dadurch konnte sich in ihnen kein weiteres<lb/>
Sinken des Staatskredits mehr offenbaren, während die erste Kriegsanleihe,<lb/>
durch kein Minimum geschützt, ungehindert fallen konnte und dadurch die Einbuße<lb/>
des englischen finanziellen Prestiges drastisch enthüllte.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Gründe des Mißerfolges</head><lb/>
            <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Woher kam es, wird man sich erstaunt fragen, daß die neue Anleihe so<lb/>
ungünstig in der City aufgenommen wurde? Es sind da eine ganze Reihe<lb/>
von Ursachen im Werk gewesen, vor allem wohl der plötzliche und ganz un°</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0179] koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg? man erwartete die Emission einer neuen Anleihe mit Zagen. Bedauernd bemerkte die Daily Mail am 19. Juni, daß die Unsicherheit über die neue Anleihe den Kurs der alten immer mehr weichen lasse, daß ein so außer¬ ordentlicher Tiefstand wie 93«/^ bereits erreicht worden sei. Man solle diesem Zustande durch baldmöglichste Bekanntgabe der hoffentlich günstigen Bedingungen der neuen Anleihe ein Ende machen. Als nun die Bedingungen der neuen bekannt wurden, schnellte der Kurs von 93^/g (Schlußkurs 21. Juni) auf 95^ (22. Juni) empor, aber schon im Lause dieses Tages begann man an der Güte der Konverstonsbedingungen zu zweifeln, und die Anleihe schloß mit 94^, um dann im Laufe der nächsten Tage immer weiter herunterzugehen. Vergebens wiesen die Times (25. Juni) und die anderen Zeitungen darauf hin, daß ein Disagio der alten Anleihe doch eine Absurdität sei, da eine solche auch ein Disagio der neuen Anleihe bedeute, und es sei doch unsinnig, wenn eine britische viereinhalbprozentige Anleihe unter pari stände. Allmählich mußte man sich auch mit diesem Gedanken vertraut machen, und bei Schluß der Liste war der Kurs auf 93^ gesunken; damit war die neue Kriegsanleihe bereits etwa zweieinhalb Prozent im Kurs gefallen, ehe sie überhaupt an der Börse eingeführt war. Wirklich ein schwerer Schlag für den englischen Staatskredit. Ob sich der Schatzkanzler bei der Kalkulierung der Konversion sbestimmung verrechnet hatte, oder aber ob man die neue Anleihe in einer verdeckten Form gleich zu einem Disagio bringen wollte, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hatte man (vergleiche Daily Telegraph vom 23. Juni) bald herausgefunden, daß man die neue Anleihe infolge der Zinsberechnung durch sofortige Bezahlung zu einem halben Prozent unter dem Kurse kaufen könne. Nahm man gleichzeitig eine Konversion des alten Loans zu dessen Emissionskurse 95 vor, so war die Anleihe sogar unter Anrechnung der aufgelaufenen Zinsen zu 99^/g zu erwerben. Bei Konvertierung der Konsols stellte sich die Sache noch ungünstiger für die Regierung. Nachdem der Minimumpreis der Konsols von 66^ am 23. Juni auf 65 ermäßigt worden war, konnte man die neue Anleihe vermittels der Konsolkonvsrtierung mit über ein Prozent unter pari erwerben. Zweifellos wären im Laufe der letzten Wochen auch die Konsols 'ebenso wie die alte Kriegsanleihe weiter im Kurse gefallen, wenn dieser nicht durch einen Minimum¬ preis geschützt gewesen wäre. Infolgedessen wurden Konsols unverkäuflich (vergleiche Daily Mail vom 23. Juni), und dadurch konnte sich in ihnen kein weiteres Sinken des Staatskredits mehr offenbaren, während die erste Kriegsanleihe, durch kein Minimum geschützt, ungehindert fallen konnte und dadurch die Einbuße des englischen finanziellen Prestiges drastisch enthüllte. Gründe des Mißerfolges Woher kam es, wird man sich erstaunt fragen, daß die neue Anleihe so ungünstig in der City aufgenommen wurde? Es sind da eine ganze Reihe von Ursachen im Werk gewesen, vor allem wohl der plötzliche und ganz un°

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/179
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/179>, abgerufen am 26.05.2024.