Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Lrfolg?

1165 Millionen Pfund Sterling auf 2065 Millionen Pfund Sterling steige,
was infolge der hohen Zinsrate ein Anschwellen der Belastung des Budgets
von 19 Millionen Pfund Sterling auf 90 Millionen Pfund Sterling pro Jahr
bedeute; und dies trotz einer erheblichen Erhöhung der Einkommensteuer, die
vor dem Burcnkrieg nicht höher war als dreieinhalb Prozent und jetzt bei
großen Einkommen 25 Prozent betrug. . ,

Daß man die Anleihe von der Wirkung dieser ständig steigenden Ein¬
kommensteuer nicht befreite, ist ein anderer Grund für den Fehlschlag der
Emission, wenigstens insoweit das Ausland in Betracht kommt. Es handelt
sich hier besonders um die Vereinigten Staaten von Amerika. Man hat größere
Zeichnungen von dieser Seite erwartet, man rechnete mit einer gewissen Dank¬
barkeit der amerikanischen Kriegslieferanten und hoffte, durch eine Placierung
der Anleihe in den Vereinigten Staaten gleichzeitig den Wechselkurs zu heben,
was ja, wie Me Kenn" in seiner Programmrede im Unterhaus gesagt hatte,
auch ein wichtiger Nebengrund der Emission dieser hochverzinslichen Anleihe
sein sollte. Nun haben die amerikanischen Zeichnungen bitter enttäuscht; dies
wurde zum Beispiel vom Manchester Guardian am 9. Juli ganz offen zu¬
gegeben. Daß man eine größere Beteiligung der Amerikaner allgemein er¬
wartete, geht auch aus einem Reutertelegramm vom 3. Juli aus New Dort
hervor, wonach ein Syndikat unter der Führung von Morgan die Placierung
von 20 Millionen Pfund Sterling übernommen habe. Diese Nachricht mußte
am 6. Juli dementiert werden, und die Times knüpfte daran die elegische Be¬
merkung, Zeichnungen aus den Vereinigten Staaten seien willkommen, aber
man solle nicht damit rechnen; mit anderen Worten: die Sache war gescheitert.


Verlust an Prestige

Um die enorme Einbuße, die der englische Staatskredit durch die neue
Anleihe erlitten hat, in vollem Umfange zu begreifen, ist es nötig, auf die
Tage vor der Emission zurückzugehen, um festzustellen, mit welchen Ziffern
damals in maßgebenden Kreisen gerechnet wurde, die ihrer Ansicht nach dem
Staatskredit Englands entsprächen. Wir wollen unter den vielen Blätterstimmen
einige herausgreifen: so läßt sich der Manchester Guardian noch am 21. Juni,
am Tage der Programmrede Me Kennas, aus London trabten, daß bei der
Emission einer Staatskriegsanleihe das Prestige eine große Rolle spiele. Nach¬
dem Deutschland es möglich gemacht habe, die zweite Kriegsanleihe zu einem
höheren Kurse herauszubringen als die erste, dürfe England zum mindestens
keine Anleihe herausgeben, die an Bedingungen weniger günstig für die
Regierung sei wie die der ersten Anleihe, und man müsse die Idee einer vier-
oder viereinhalbprozentigen Basis zurückweisen. Ähnlich, wenn auch nicht
ganz so weitgehend, äußerten sich die anderen Blätter, so die Daily News am
18. Juni, welche schreibt, zweifellos müßten höhere Zinsen gewährt werden als
früher, aber es sei unbegründet, viereinhalb Prozent zu erwarten und womöglich


koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Lrfolg?

1165 Millionen Pfund Sterling auf 2065 Millionen Pfund Sterling steige,
was infolge der hohen Zinsrate ein Anschwellen der Belastung des Budgets
von 19 Millionen Pfund Sterling auf 90 Millionen Pfund Sterling pro Jahr
bedeute; und dies trotz einer erheblichen Erhöhung der Einkommensteuer, die
vor dem Burcnkrieg nicht höher war als dreieinhalb Prozent und jetzt bei
großen Einkommen 25 Prozent betrug. . ,

Daß man die Anleihe von der Wirkung dieser ständig steigenden Ein¬
kommensteuer nicht befreite, ist ein anderer Grund für den Fehlschlag der
Emission, wenigstens insoweit das Ausland in Betracht kommt. Es handelt
sich hier besonders um die Vereinigten Staaten von Amerika. Man hat größere
Zeichnungen von dieser Seite erwartet, man rechnete mit einer gewissen Dank¬
barkeit der amerikanischen Kriegslieferanten und hoffte, durch eine Placierung
der Anleihe in den Vereinigten Staaten gleichzeitig den Wechselkurs zu heben,
was ja, wie Me Kenn« in seiner Programmrede im Unterhaus gesagt hatte,
auch ein wichtiger Nebengrund der Emission dieser hochverzinslichen Anleihe
sein sollte. Nun haben die amerikanischen Zeichnungen bitter enttäuscht; dies
wurde zum Beispiel vom Manchester Guardian am 9. Juli ganz offen zu¬
gegeben. Daß man eine größere Beteiligung der Amerikaner allgemein er¬
wartete, geht auch aus einem Reutertelegramm vom 3. Juli aus New Dort
hervor, wonach ein Syndikat unter der Führung von Morgan die Placierung
von 20 Millionen Pfund Sterling übernommen habe. Diese Nachricht mußte
am 6. Juli dementiert werden, und die Times knüpfte daran die elegische Be¬
merkung, Zeichnungen aus den Vereinigten Staaten seien willkommen, aber
man solle nicht damit rechnen; mit anderen Worten: die Sache war gescheitert.


Verlust an Prestige

Um die enorme Einbuße, die der englische Staatskredit durch die neue
Anleihe erlitten hat, in vollem Umfange zu begreifen, ist es nötig, auf die
Tage vor der Emission zurückzugehen, um festzustellen, mit welchen Ziffern
damals in maßgebenden Kreisen gerechnet wurde, die ihrer Ansicht nach dem
Staatskredit Englands entsprächen. Wir wollen unter den vielen Blätterstimmen
einige herausgreifen: so läßt sich der Manchester Guardian noch am 21. Juni,
am Tage der Programmrede Me Kennas, aus London trabten, daß bei der
Emission einer Staatskriegsanleihe das Prestige eine große Rolle spiele. Nach¬
dem Deutschland es möglich gemacht habe, die zweite Kriegsanleihe zu einem
höheren Kurse herauszubringen als die erste, dürfe England zum mindestens
keine Anleihe herausgeben, die an Bedingungen weniger günstig für die
Regierung sei wie die der ersten Anleihe, und man müsse die Idee einer vier-
oder viereinhalbprozentigen Basis zurückweisen. Ähnlich, wenn auch nicht
ganz so weitgehend, äußerten sich die anderen Blätter, so die Daily News am
18. Juni, welche schreibt, zweifellos müßten höhere Zinsen gewährt werden als
früher, aber es sei unbegründet, viereinhalb Prozent zu erwarten und womöglich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324154"/>
            <fw type="header" place="top"> koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Lrfolg?</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_549" prev="#ID_548"> 1165 Millionen Pfund Sterling auf 2065 Millionen Pfund Sterling steige,<lb/>
was infolge der hohen Zinsrate ein Anschwellen der Belastung des Budgets<lb/>
von 19 Millionen Pfund Sterling auf 90 Millionen Pfund Sterling pro Jahr<lb/>
bedeute; und dies trotz einer erheblichen Erhöhung der Einkommensteuer, die<lb/>
vor dem Burcnkrieg nicht höher war als dreieinhalb Prozent und jetzt bei<lb/>
großen Einkommen 25 Prozent betrug.    . ,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_550"> Daß man die Anleihe von der Wirkung dieser ständig steigenden Ein¬<lb/>
kommensteuer nicht befreite, ist ein anderer Grund für den Fehlschlag der<lb/>
Emission, wenigstens insoweit das Ausland in Betracht kommt. Es handelt<lb/>
sich hier besonders um die Vereinigten Staaten von Amerika. Man hat größere<lb/>
Zeichnungen von dieser Seite erwartet, man rechnete mit einer gewissen Dank¬<lb/>
barkeit der amerikanischen Kriegslieferanten und hoffte, durch eine Placierung<lb/>
der Anleihe in den Vereinigten Staaten gleichzeitig den Wechselkurs zu heben,<lb/>
was ja, wie Me Kenn« in seiner Programmrede im Unterhaus gesagt hatte,<lb/>
auch ein wichtiger Nebengrund der Emission dieser hochverzinslichen Anleihe<lb/>
sein sollte. Nun haben die amerikanischen Zeichnungen bitter enttäuscht; dies<lb/>
wurde zum Beispiel vom Manchester Guardian am 9. Juli ganz offen zu¬<lb/>
gegeben. Daß man eine größere Beteiligung der Amerikaner allgemein er¬<lb/>
wartete, geht auch aus einem Reutertelegramm vom 3. Juli aus New Dort<lb/>
hervor, wonach ein Syndikat unter der Führung von Morgan die Placierung<lb/>
von 20 Millionen Pfund Sterling übernommen habe. Diese Nachricht mußte<lb/>
am 6. Juli dementiert werden, und die Times knüpfte daran die elegische Be¬<lb/>
merkung, Zeichnungen aus den Vereinigten Staaten seien willkommen, aber<lb/>
man solle nicht damit rechnen; mit anderen Worten: die Sache war gescheitert.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Verlust an Prestige</head><lb/>
            <p xml:id="ID_551" next="#ID_552"> Um die enorme Einbuße, die der englische Staatskredit durch die neue<lb/>
Anleihe erlitten hat, in vollem Umfange zu begreifen, ist es nötig, auf die<lb/>
Tage vor der Emission zurückzugehen, um festzustellen, mit welchen Ziffern<lb/>
damals in maßgebenden Kreisen gerechnet wurde, die ihrer Ansicht nach dem<lb/>
Staatskredit Englands entsprächen. Wir wollen unter den vielen Blätterstimmen<lb/>
einige herausgreifen: so läßt sich der Manchester Guardian noch am 21. Juni,<lb/>
am Tage der Programmrede Me Kennas, aus London trabten, daß bei der<lb/>
Emission einer Staatskriegsanleihe das Prestige eine große Rolle spiele. Nach¬<lb/>
dem Deutschland es möglich gemacht habe, die zweite Kriegsanleihe zu einem<lb/>
höheren Kurse herauszubringen als die erste, dürfe England zum mindestens<lb/>
keine Anleihe herausgeben, die an Bedingungen weniger günstig für die<lb/>
Regierung sei wie die der ersten Anleihe, und man müsse die Idee einer vier-<lb/>
oder viereinhalbprozentigen Basis zurückweisen. Ähnlich, wenn auch nicht<lb/>
ganz so weitgehend, äußerten sich die anderen Blätter, so die Daily News am<lb/>
18. Juni, welche schreibt, zweifellos müßten höhere Zinsen gewährt werden als<lb/>
früher, aber es sei unbegründet, viereinhalb Prozent zu erwarten und womöglich</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0181] koar die zweite englische Rriegsanleihe ein Lrfolg? 1165 Millionen Pfund Sterling auf 2065 Millionen Pfund Sterling steige, was infolge der hohen Zinsrate ein Anschwellen der Belastung des Budgets von 19 Millionen Pfund Sterling auf 90 Millionen Pfund Sterling pro Jahr bedeute; und dies trotz einer erheblichen Erhöhung der Einkommensteuer, die vor dem Burcnkrieg nicht höher war als dreieinhalb Prozent und jetzt bei großen Einkommen 25 Prozent betrug. . , Daß man die Anleihe von der Wirkung dieser ständig steigenden Ein¬ kommensteuer nicht befreite, ist ein anderer Grund für den Fehlschlag der Emission, wenigstens insoweit das Ausland in Betracht kommt. Es handelt sich hier besonders um die Vereinigten Staaten von Amerika. Man hat größere Zeichnungen von dieser Seite erwartet, man rechnete mit einer gewissen Dank¬ barkeit der amerikanischen Kriegslieferanten und hoffte, durch eine Placierung der Anleihe in den Vereinigten Staaten gleichzeitig den Wechselkurs zu heben, was ja, wie Me Kenn« in seiner Programmrede im Unterhaus gesagt hatte, auch ein wichtiger Nebengrund der Emission dieser hochverzinslichen Anleihe sein sollte. Nun haben die amerikanischen Zeichnungen bitter enttäuscht; dies wurde zum Beispiel vom Manchester Guardian am 9. Juli ganz offen zu¬ gegeben. Daß man eine größere Beteiligung der Amerikaner allgemein er¬ wartete, geht auch aus einem Reutertelegramm vom 3. Juli aus New Dort hervor, wonach ein Syndikat unter der Führung von Morgan die Placierung von 20 Millionen Pfund Sterling übernommen habe. Diese Nachricht mußte am 6. Juli dementiert werden, und die Times knüpfte daran die elegische Be¬ merkung, Zeichnungen aus den Vereinigten Staaten seien willkommen, aber man solle nicht damit rechnen; mit anderen Worten: die Sache war gescheitert. Verlust an Prestige Um die enorme Einbuße, die der englische Staatskredit durch die neue Anleihe erlitten hat, in vollem Umfange zu begreifen, ist es nötig, auf die Tage vor der Emission zurückzugehen, um festzustellen, mit welchen Ziffern damals in maßgebenden Kreisen gerechnet wurde, die ihrer Ansicht nach dem Staatskredit Englands entsprächen. Wir wollen unter den vielen Blätterstimmen einige herausgreifen: so läßt sich der Manchester Guardian noch am 21. Juni, am Tage der Programmrede Me Kennas, aus London trabten, daß bei der Emission einer Staatskriegsanleihe das Prestige eine große Rolle spiele. Nach¬ dem Deutschland es möglich gemacht habe, die zweite Kriegsanleihe zu einem höheren Kurse herauszubringen als die erste, dürfe England zum mindestens keine Anleihe herausgeben, die an Bedingungen weniger günstig für die Regierung sei wie die der ersten Anleihe, und man müsse die Idee einer vier- oder viereinhalbprozentigen Basis zurückweisen. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so weitgehend, äußerten sich die anderen Blätter, so die Daily News am 18. Juni, welche schreibt, zweifellos müßten höhere Zinsen gewährt werden als früher, aber es sei unbegründet, viereinhalb Prozent zu erwarten und womöglich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/181
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/181>, abgerufen am 26.05.2024.