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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Rriegssmnmlung der "Deutschen Bücherei"

vom mächtigen Deutschen Reich und sehnsüchtig schaut er nach Kurland und
Livland, wo schon seit Jahren so viele von den Seinen in friedlicher Nachbarschaft
mit der örtlichen lettischen Bauernbevölkerung leben. Sie schildern in ihren
Briefen an die Heimatkolonien im Innern Rußlands die Schönheit des Landes,
die großen Flächen und die Tatsache, daß dort die Gutsherrn und Städter
deutsch sind und sie freudig als Stammesgenossen begrüßen, wie der
lettische Nachbar mit ihnen deutsch radebrecht, da deutsches Wesen ihm nun
einmal als etwas Höheres gilt. Der deutsche Bauer aus den innerrussischen
Kolonien begreift, daß er in ein Land gekommen ist, in dem der Deutsche der
Herr in Stadt und Land ist und "deutsch werden" auch für den Letten soviel
heißt, als gesellschaftlich hochkommen. Gott aber lasse den lettischen Bauer
mit Friedensschluß unter des mächtigen Deutschen Reichs Schutz hoch kommen,
er ist ein evangelisch-protestantischer Bauer, den man nicht wieder dem
wütenden Panslawismus ausliefern darf. Es wäre damit sein wie seiner
deutschen Herren Ende besiegelt-




Die Ariegssammlung der "Deutschen Bücherei"
Dr. Otto Lerche von

enkmale und Dokumente einer großen Zeit soll man hinüberretten
aus dem Strudel der Ereignisse in die graue Eintönigkeit des
Alltags, damit die lebendigen Zeugnisse gewaltigen Geschehens
die vielfachen Wunden lindern und die zahllosen Lücken sanft
ausgleichen helfen, wenn die täglichen Forderungen des Lebens
wieder laut ihre Ansprüche geltend machen. Jeder, der irgendwie durch den
Krieg in Mitleidenschaft gezogen ist -- und wer ist das nicht? --, sucht sich
einige Erinnerungen an diese große und schmerzliche Zeit zu bewahren. Und
sind es auch nur Tageszeitungen und Briefe von im Felde stehenden Lieben:
es wird schließlich etwas viel, beansprucht größeren Raum und ständige
Ordnung. Dann läßt häufig das Sammelinterefse des einzelnen nach, er ist
froh, wenn eine Anstalt bereitwillig die angehäuften Sachen übernimmt. Und
doch sollte nichts verloren gehen: jede Kleinigkeit ist wert, aufgehoben zu werden.
Seit 1913 werden in deutschen Bibliotheken und Archiven Kriegsbriefe. Tage¬
bücher und Erinnerungen aus der großen Zeit der Befreiungskriege gesammelt.


Die Rriegssmnmlung der „Deutschen Bücherei"

vom mächtigen Deutschen Reich und sehnsüchtig schaut er nach Kurland und
Livland, wo schon seit Jahren so viele von den Seinen in friedlicher Nachbarschaft
mit der örtlichen lettischen Bauernbevölkerung leben. Sie schildern in ihren
Briefen an die Heimatkolonien im Innern Rußlands die Schönheit des Landes,
die großen Flächen und die Tatsache, daß dort die Gutsherrn und Städter
deutsch sind und sie freudig als Stammesgenossen begrüßen, wie der
lettische Nachbar mit ihnen deutsch radebrecht, da deutsches Wesen ihm nun
einmal als etwas Höheres gilt. Der deutsche Bauer aus den innerrussischen
Kolonien begreift, daß er in ein Land gekommen ist, in dem der Deutsche der
Herr in Stadt und Land ist und „deutsch werden" auch für den Letten soviel
heißt, als gesellschaftlich hochkommen. Gott aber lasse den lettischen Bauer
mit Friedensschluß unter des mächtigen Deutschen Reichs Schutz hoch kommen,
er ist ein evangelisch-protestantischer Bauer, den man nicht wieder dem
wütenden Panslawismus ausliefern darf. Es wäre damit sein wie seiner
deutschen Herren Ende besiegelt-




Die Ariegssammlung der „Deutschen Bücherei"
Dr. Otto Lerche von

enkmale und Dokumente einer großen Zeit soll man hinüberretten
aus dem Strudel der Ereignisse in die graue Eintönigkeit des
Alltags, damit die lebendigen Zeugnisse gewaltigen Geschehens
die vielfachen Wunden lindern und die zahllosen Lücken sanft
ausgleichen helfen, wenn die täglichen Forderungen des Lebens
wieder laut ihre Ansprüche geltend machen. Jeder, der irgendwie durch den
Krieg in Mitleidenschaft gezogen ist — und wer ist das nicht? —, sucht sich
einige Erinnerungen an diese große und schmerzliche Zeit zu bewahren. Und
sind es auch nur Tageszeitungen und Briefe von im Felde stehenden Lieben:
es wird schließlich etwas viel, beansprucht größeren Raum und ständige
Ordnung. Dann läßt häufig das Sammelinterefse des einzelnen nach, er ist
froh, wenn eine Anstalt bereitwillig die angehäuften Sachen übernimmt. Und
doch sollte nichts verloren gehen: jede Kleinigkeit ist wert, aufgehoben zu werden.
Seit 1913 werden in deutschen Bibliotheken und Archiven Kriegsbriefe. Tage¬
bücher und Erinnerungen aus der großen Zeit der Befreiungskriege gesammelt.


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[0038] Die Rriegssmnmlung der „Deutschen Bücherei" vom mächtigen Deutschen Reich und sehnsüchtig schaut er nach Kurland und Livland, wo schon seit Jahren so viele von den Seinen in friedlicher Nachbarschaft mit der örtlichen lettischen Bauernbevölkerung leben. Sie schildern in ihren Briefen an die Heimatkolonien im Innern Rußlands die Schönheit des Landes, die großen Flächen und die Tatsache, daß dort die Gutsherrn und Städter deutsch sind und sie freudig als Stammesgenossen begrüßen, wie der lettische Nachbar mit ihnen deutsch radebrecht, da deutsches Wesen ihm nun einmal als etwas Höheres gilt. Der deutsche Bauer aus den innerrussischen Kolonien begreift, daß er in ein Land gekommen ist, in dem der Deutsche der Herr in Stadt und Land ist und „deutsch werden" auch für den Letten soviel heißt, als gesellschaftlich hochkommen. Gott aber lasse den lettischen Bauer mit Friedensschluß unter des mächtigen Deutschen Reichs Schutz hoch kommen, er ist ein evangelisch-protestantischer Bauer, den man nicht wieder dem wütenden Panslawismus ausliefern darf. Es wäre damit sein wie seiner deutschen Herren Ende besiegelt- Die Ariegssammlung der „Deutschen Bücherei" Dr. Otto Lerche von enkmale und Dokumente einer großen Zeit soll man hinüberretten aus dem Strudel der Ereignisse in die graue Eintönigkeit des Alltags, damit die lebendigen Zeugnisse gewaltigen Geschehens die vielfachen Wunden lindern und die zahllosen Lücken sanft ausgleichen helfen, wenn die täglichen Forderungen des Lebens wieder laut ihre Ansprüche geltend machen. Jeder, der irgendwie durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen ist — und wer ist das nicht? —, sucht sich einige Erinnerungen an diese große und schmerzliche Zeit zu bewahren. Und sind es auch nur Tageszeitungen und Briefe von im Felde stehenden Lieben: es wird schließlich etwas viel, beansprucht größeren Raum und ständige Ordnung. Dann läßt häufig das Sammelinterefse des einzelnen nach, er ist froh, wenn eine Anstalt bereitwillig die angehäuften Sachen übernimmt. Und doch sollte nichts verloren gehen: jede Kleinigkeit ist wert, aufgehoben zu werden. Seit 1913 werden in deutschen Bibliotheken und Archiven Kriegsbriefe. Tage¬ bücher und Erinnerungen aus der großen Zeit der Befreiungskriege gesammelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/38>, abgerufen am 19.05.2024.