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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Einiges vom Linden

die Türkei ihre geistvollsten und vorurteilslosesten Köpfe zum Studium des
Handels, des Verkehrs, der Kriegskunst nach Europa sende, damit sie ans
diese Weise die Heimat reformierten. Er hat aber vor allem sich selber, wie
seine Allianzpläne beweisen, nüchtern und kühl mit dem Gedanken durch¬
drungen, daß stärker als alle Gegensätze der Verfassung, der Religion, der
Sprache, der Kultur, das Band der großen, gemeinsamen, politischen Inter¬
essen sei.

Und gleichsam die Zukunft vorausahnend hat er in den Tagen, da er
von dem Abschluß des Bündnisses fest überzeugt war, seinem Bruder Heinrich
die prophetischen Worte geschrieben: "Diese Allianz ist einer der wertvollsten
Teile der ganzen Erbschaft, die ich meinem Neffen hinterlasse und nach mensch¬
licher Voraussicht wird sie unsere Feinde und Neider zur Aufrechterhaltung
der soeben mit uns eingegangenen Verträge bestimmen/




Giltiges vom Finden
von Geh. Justizrat U. Bruns

weh, da habe ich ja einen fremden Regenschirm erwischt!" --
Oder: "Welcher .... hat mir denn meinen Hut vertauscht?!"
Zu dergleichen verdrießlicher Äußerung hat gewiß schon mancher
von uns Veranlassung gehabt. Wie aber solcher an sich ganz
einfache Hergang rechtlich zu beurteilen sei, das ist den meisten
gänzlich unbekannt, und deshalb dürsten die folgenden Darlegungen vielen will¬
kommen sein. Voranschicken muß ich einige allgemeine Betrachtungen.

"Wer eine .verlorene' Sache .findet' und an sich nimmt--" mit diesen
Worten beginnt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch im Z 965 seine Vorschriften
über den "Fund", deren erster Teil (§H 965 bis 977) die Findung von verlorenen
Sachen im eigentlichen Sinne behandelt, während die §§ 978 bis 982 den un-
eigentlichen Fund von Sachen im Bereiche von öffentlichen Anstalten (Behörden
und Verkehrseinrichtungen) regeln; den Schluß bilden die Sondervorschrift
des § 983 und die des § 934 (letztere den "Schatz" betreffend). Ich kann
wich in diesem Aufsatze nicht in einer den strengen Anforderungen der Rechts¬
wissenschaft genügenden Ausführlichkeit über die Begriffsbestimmungen des
"Verlierens" und "Findens" verbreiten. Im allgemeinen wird es zutreffen,
wenn ich im Anschluß an viele Rechtslehrer und Gerichtsentscheidungen die Be¬
griffe dahin erläutere: Finder ist, wer eine .verlorene' bewegliche Sache als .eine
solche' entdeckt und nun erst an sich nimmt. Es verliert also jemand seine Sache


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Einiges vom Linden

die Türkei ihre geistvollsten und vorurteilslosesten Köpfe zum Studium des
Handels, des Verkehrs, der Kriegskunst nach Europa sende, damit sie ans
diese Weise die Heimat reformierten. Er hat aber vor allem sich selber, wie
seine Allianzpläne beweisen, nüchtern und kühl mit dem Gedanken durch¬
drungen, daß stärker als alle Gegensätze der Verfassung, der Religion, der
Sprache, der Kultur, das Band der großen, gemeinsamen, politischen Inter¬
essen sei.

Und gleichsam die Zukunft vorausahnend hat er in den Tagen, da er
von dem Abschluß des Bündnisses fest überzeugt war, seinem Bruder Heinrich
die prophetischen Worte geschrieben: „Diese Allianz ist einer der wertvollsten
Teile der ganzen Erbschaft, die ich meinem Neffen hinterlasse und nach mensch¬
licher Voraussicht wird sie unsere Feinde und Neider zur Aufrechterhaltung
der soeben mit uns eingegangenen Verträge bestimmen/




Giltiges vom Finden
von Geh. Justizrat U. Bruns

weh, da habe ich ja einen fremden Regenschirm erwischt!" —
Oder: „Welcher .... hat mir denn meinen Hut vertauscht?!"
Zu dergleichen verdrießlicher Äußerung hat gewiß schon mancher
von uns Veranlassung gehabt. Wie aber solcher an sich ganz
einfache Hergang rechtlich zu beurteilen sei, das ist den meisten
gänzlich unbekannt, und deshalb dürsten die folgenden Darlegungen vielen will¬
kommen sein. Voranschicken muß ich einige allgemeine Betrachtungen.

„Wer eine .verlorene' Sache .findet' und an sich nimmt--" mit diesen
Worten beginnt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch im Z 965 seine Vorschriften
über den „Fund", deren erster Teil (§H 965 bis 977) die Findung von verlorenen
Sachen im eigentlichen Sinne behandelt, während die §§ 978 bis 982 den un-
eigentlichen Fund von Sachen im Bereiche von öffentlichen Anstalten (Behörden
und Verkehrseinrichtungen) regeln; den Schluß bilden die Sondervorschrift
des § 983 und die des § 934 (letztere den „Schatz" betreffend). Ich kann
wich in diesem Aufsatze nicht in einer den strengen Anforderungen der Rechts¬
wissenschaft genügenden Ausführlichkeit über die Begriffsbestimmungen des
„Verlierens" und „Findens" verbreiten. Im allgemeinen wird es zutreffen,
wenn ich im Anschluß an viele Rechtslehrer und Gerichtsentscheidungen die Be¬
griffe dahin erläutere: Finder ist, wer eine .verlorene' bewegliche Sache als .eine
solche' entdeckt und nun erst an sich nimmt. Es verliert also jemand seine Sache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/383>, abgerufen am 30.04.2024.