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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Arieg und Sprache
Professor Dr. Uarl Bergmann von

chon wiederholt haben Zeitungen und Zeitschriften über die
Einwirkung des Krieges auf die Sprache berichtet. Geschichts¬
wissenschaft und Sprachforschung werden sich später mit diesen
Einwirkungen zu beschäftigen haben. Eine zukünftige Darstellung
des Weltkrieges wird nicht achtlos an dem Kampfe gegen die
Fremdwörter vorübergehen können, der so mächtig und verheißungsvoll einsetzte,
um bald wieder aus Unverstand und Gleichgültigkeit nicht allein der breiten
Massen, sondern auch vieler Berufenen abzuflauen. Auch auf die neu entstandene
Soldatensprache wird sie hinweisen müssen als ein Zeugnis kostbaren, oft
grimmen Humors und sprachschöpferischer Kraft unserer Feldgrauen. Der
Sprachwissenschaft wird eine eingehende Würdigung dieser neuesten Soldaten¬
sprache vorbehalten bleiben, wie sie auch zeigen muß, wie rasch die Sprache
sich den Bedürfnissen der Gegenwart anpaßte. Für ganz neuartige und
ungewohnte Erscheinungen und Verhältnisse, die der Krieg mit sich brachte,
mußten neue Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen werden. So entstand der
Ehrenname der "Feldgrauen" und das Wort "Burgfriede" zeigt die Möglichkeit,
halb verschollene Worte aus ihrer Vergessenheit zu neuem kräftigen Leben zu
erwecken. Auf eine Seite der Beziehungen zwischen Krieg und Sprache ist
jedoch meines Wissens noch nicht hingewiesen worden, und die nachfolgenden
Zeilen wollen dies nachholen.

Für jeden, der ein offenes Auge für sprachliche Erscheinungen hat, gewährt
eben die Lektüre unserer Zeitungen und Zeitschriften einen eigenartigen Reiz.
Mag es sich um Reden von Staatsmännern und Volksvertretern oder um
wissenschaftliche Erörterungen der Gelehrten über wirtschaftliche und politische
Fragen handeln, überall sehen wir, wie Gedanke und Wort unter dem Banne
der kriegerischen Ereignisse stehen. In der Reichstagsverhandlung vom 6. April
dieses Jahres meinte der Abgeordnete I)r. David, die Ausführungen Ledebours
wären eine rücksichtslose "Torpedierung" jeder gesunden Logik. Der Redner
löste, wie im Sitzungsbericht steht, große Heiterkeit für seine doch gewiß völlig
ernstgemeinte Bemerkung aus, ein Beweis wie ungewöhnlich die Übertragungen
solcher militärischen Wendungen im Anfang ihres Gebrauches wirken. Wenige
Wochen zuvor verwendete der Abgeordnete Liebknecht in ganz eigenartiger
Weise den durch den Krieg neu geschaffenen Grad eines Feldwebelleutnants.
Es war bei der Besprechung der Anträge der Kommission zur Erleichterung des
Aufstieges unbemittelter Volksschüler; Liebknecht nannte diese Anträge breite




Arieg und Sprache
Professor Dr. Uarl Bergmann von

chon wiederholt haben Zeitungen und Zeitschriften über die
Einwirkung des Krieges auf die Sprache berichtet. Geschichts¬
wissenschaft und Sprachforschung werden sich später mit diesen
Einwirkungen zu beschäftigen haben. Eine zukünftige Darstellung
des Weltkrieges wird nicht achtlos an dem Kampfe gegen die
Fremdwörter vorübergehen können, der so mächtig und verheißungsvoll einsetzte,
um bald wieder aus Unverstand und Gleichgültigkeit nicht allein der breiten
Massen, sondern auch vieler Berufenen abzuflauen. Auch auf die neu entstandene
Soldatensprache wird sie hinweisen müssen als ein Zeugnis kostbaren, oft
grimmen Humors und sprachschöpferischer Kraft unserer Feldgrauen. Der
Sprachwissenschaft wird eine eingehende Würdigung dieser neuesten Soldaten¬
sprache vorbehalten bleiben, wie sie auch zeigen muß, wie rasch die Sprache
sich den Bedürfnissen der Gegenwart anpaßte. Für ganz neuartige und
ungewohnte Erscheinungen und Verhältnisse, die der Krieg mit sich brachte,
mußten neue Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen werden. So entstand der
Ehrenname der „Feldgrauen" und das Wort „Burgfriede" zeigt die Möglichkeit,
halb verschollene Worte aus ihrer Vergessenheit zu neuem kräftigen Leben zu
erwecken. Auf eine Seite der Beziehungen zwischen Krieg und Sprache ist
jedoch meines Wissens noch nicht hingewiesen worden, und die nachfolgenden
Zeilen wollen dies nachholen.

Für jeden, der ein offenes Auge für sprachliche Erscheinungen hat, gewährt
eben die Lektüre unserer Zeitungen und Zeitschriften einen eigenartigen Reiz.
Mag es sich um Reden von Staatsmännern und Volksvertretern oder um
wissenschaftliche Erörterungen der Gelehrten über wirtschaftliche und politische
Fragen handeln, überall sehen wir, wie Gedanke und Wort unter dem Banne
der kriegerischen Ereignisse stehen. In der Reichstagsverhandlung vom 6. April
dieses Jahres meinte der Abgeordnete I)r. David, die Ausführungen Ledebours
wären eine rücksichtslose „Torpedierung" jeder gesunden Logik. Der Redner
löste, wie im Sitzungsbericht steht, große Heiterkeit für seine doch gewiß völlig
ernstgemeinte Bemerkung aus, ein Beweis wie ungewöhnlich die Übertragungen
solcher militärischen Wendungen im Anfang ihres Gebrauches wirken. Wenige
Wochen zuvor verwendete der Abgeordnete Liebknecht in ganz eigenartiger
Weise den durch den Krieg neu geschaffenen Grad eines Feldwebelleutnants.
Es war bei der Besprechung der Anträge der Kommission zur Erleichterung des
Aufstieges unbemittelter Volksschüler; Liebknecht nannte diese Anträge breite


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[0040] [Abbildung] Arieg und Sprache Professor Dr. Uarl Bergmann von chon wiederholt haben Zeitungen und Zeitschriften über die Einwirkung des Krieges auf die Sprache berichtet. Geschichts¬ wissenschaft und Sprachforschung werden sich später mit diesen Einwirkungen zu beschäftigen haben. Eine zukünftige Darstellung des Weltkrieges wird nicht achtlos an dem Kampfe gegen die Fremdwörter vorübergehen können, der so mächtig und verheißungsvoll einsetzte, um bald wieder aus Unverstand und Gleichgültigkeit nicht allein der breiten Massen, sondern auch vieler Berufenen abzuflauen. Auch auf die neu entstandene Soldatensprache wird sie hinweisen müssen als ein Zeugnis kostbaren, oft grimmen Humors und sprachschöpferischer Kraft unserer Feldgrauen. Der Sprachwissenschaft wird eine eingehende Würdigung dieser neuesten Soldaten¬ sprache vorbehalten bleiben, wie sie auch zeigen muß, wie rasch die Sprache sich den Bedürfnissen der Gegenwart anpaßte. Für ganz neuartige und ungewohnte Erscheinungen und Verhältnisse, die der Krieg mit sich brachte, mußten neue Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen werden. So entstand der Ehrenname der „Feldgrauen" und das Wort „Burgfriede" zeigt die Möglichkeit, halb verschollene Worte aus ihrer Vergessenheit zu neuem kräftigen Leben zu erwecken. Auf eine Seite der Beziehungen zwischen Krieg und Sprache ist jedoch meines Wissens noch nicht hingewiesen worden, und die nachfolgenden Zeilen wollen dies nachholen. Für jeden, der ein offenes Auge für sprachliche Erscheinungen hat, gewährt eben die Lektüre unserer Zeitungen und Zeitschriften einen eigenartigen Reiz. Mag es sich um Reden von Staatsmännern und Volksvertretern oder um wissenschaftliche Erörterungen der Gelehrten über wirtschaftliche und politische Fragen handeln, überall sehen wir, wie Gedanke und Wort unter dem Banne der kriegerischen Ereignisse stehen. In der Reichstagsverhandlung vom 6. April dieses Jahres meinte der Abgeordnete I)r. David, die Ausführungen Ledebours wären eine rücksichtslose „Torpedierung" jeder gesunden Logik. Der Redner löste, wie im Sitzungsbericht steht, große Heiterkeit für seine doch gewiß völlig ernstgemeinte Bemerkung aus, ein Beweis wie ungewöhnlich die Übertragungen solcher militärischen Wendungen im Anfang ihres Gebrauches wirken. Wenige Wochen zuvor verwendete der Abgeordnete Liebknecht in ganz eigenartiger Weise den durch den Krieg neu geschaffenen Grad eines Feldwebelleutnants. Es war bei der Besprechung der Anträge der Kommission zur Erleichterung des Aufstieges unbemittelter Volksschüler; Liebknecht nannte diese Anträge breite

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/40>, abgerufen am 06.05.2024.