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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart
von Dr. A. Kamp

i
!
^ r geht es wie einem Reisenden, der unter eine Rotte ver¬
brecherischer Gesellen geraten ist. die ihn ermorden wollen, um
sich seine Habe zu teilen ... Es ist abscheulich und schlägt aller
Menschlichkeit und allen anständigen Sitten ins Gesicht. Hat die
Welt jemals dergleichen gesehen, daß drei große Fürsten sich
zusammenrotten zur Vernichtung eines Fürsten, der ihnen nichts getan hat?
Weder mit Frankreich habe ich Händel gehabt, noch mit Rußland, noch weniger
mit Schweden (heute: England). Wenn in der bürgerlichen Gesellschaft drei Bürger
sich verabreden wollten, ihren lieben Nachbarn auszurauben, hätten sie damit
unfehlbar von Rechts wegen Rad und Galgen verwirkt. Und nun geben gar
gekrönte Häupter, in deren Namen in ihren Staaten derartige Gesetze beobachtet
werden, ihren Untertanen solch ein empörendes Beispiel! Sie, die zu Gesetz¬
gebern auf der Welt berufen sind, werden durch ihren Vorgang Lehrmeister des
Verbrechens! O Zeiten, o Sitten! Wahrhaftig, ebenso gut könnte einer unter
Tigern, Leoparden und Luchsen Hausen, wenn er in einem Jahrhundert, das
für gesittet gilt, unter solchem Mord- und Raubgesindel leben soll, solchen hinter¬
listigen Menschen, die unsere arme Welt beherrschen.




Die ungerechten Vorbereitungen (meiner Feinde) zum Kampfe zwingen mich
zu den äußersten Schritten, die ich aus Liebe zum Frieden und zur allgemeinen
Ruhe lieber vermieden hätte, und dieselben Umstände nötigen mich sehr gegen
meinen Willen, mein Heer nach Sachsen (heute: Belgien) marschieren zu lassen,
um von da nach Böhmen (Frankreich) einzudringen. Sie werden dem . . -
Kurfürsten von Sachsen erklären . . ., man werde auf seine Staaten alle schonende
Rücksicht nehmen, die die gegenwärtigen Umstände gestatten; meine Truppen
würden sich in Ordnung und peinlichster Manneszucht halten . . . Übrigens
könne Seine polnische Majestät (-Kurfürst von Sachsen) überzeugt sein, daß man


Grenzboten IV 1916 9


Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart
von Dr. A. Kamp

i
!
^ r geht es wie einem Reisenden, der unter eine Rotte ver¬
brecherischer Gesellen geraten ist. die ihn ermorden wollen, um
sich seine Habe zu teilen ... Es ist abscheulich und schlägt aller
Menschlichkeit und allen anständigen Sitten ins Gesicht. Hat die
Welt jemals dergleichen gesehen, daß drei große Fürsten sich
zusammenrotten zur Vernichtung eines Fürsten, der ihnen nichts getan hat?
Weder mit Frankreich habe ich Händel gehabt, noch mit Rußland, noch weniger
mit Schweden (heute: England). Wenn in der bürgerlichen Gesellschaft drei Bürger
sich verabreden wollten, ihren lieben Nachbarn auszurauben, hätten sie damit
unfehlbar von Rechts wegen Rad und Galgen verwirkt. Und nun geben gar
gekrönte Häupter, in deren Namen in ihren Staaten derartige Gesetze beobachtet
werden, ihren Untertanen solch ein empörendes Beispiel! Sie, die zu Gesetz¬
gebern auf der Welt berufen sind, werden durch ihren Vorgang Lehrmeister des
Verbrechens! O Zeiten, o Sitten! Wahrhaftig, ebenso gut könnte einer unter
Tigern, Leoparden und Luchsen Hausen, wenn er in einem Jahrhundert, das
für gesittet gilt, unter solchem Mord- und Raubgesindel leben soll, solchen hinter¬
listigen Menschen, die unsere arme Welt beherrschen.




Die ungerechten Vorbereitungen (meiner Feinde) zum Kampfe zwingen mich
zu den äußersten Schritten, die ich aus Liebe zum Frieden und zur allgemeinen
Ruhe lieber vermieden hätte, und dieselben Umstände nötigen mich sehr gegen
meinen Willen, mein Heer nach Sachsen (heute: Belgien) marschieren zu lassen,
um von da nach Böhmen (Frankreich) einzudringen. Sie werden dem . . -
Kurfürsten von Sachsen erklären . . ., man werde auf seine Staaten alle schonende
Rücksicht nehmen, die die gegenwärtigen Umstände gestatten; meine Truppen
würden sich in Ordnung und peinlichster Manneszucht halten . . . Übrigens
könne Seine polnische Majestät (-Kurfürst von Sachsen) überzeugt sein, daß man


Grenzboten IV 1916 9
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[0141] [Abbildung] Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart von Dr. A. Kamp i ! ^ r geht es wie einem Reisenden, der unter eine Rotte ver¬ brecherischer Gesellen geraten ist. die ihn ermorden wollen, um sich seine Habe zu teilen ... Es ist abscheulich und schlägt aller Menschlichkeit und allen anständigen Sitten ins Gesicht. Hat die Welt jemals dergleichen gesehen, daß drei große Fürsten sich zusammenrotten zur Vernichtung eines Fürsten, der ihnen nichts getan hat? Weder mit Frankreich habe ich Händel gehabt, noch mit Rußland, noch weniger mit Schweden (heute: England). Wenn in der bürgerlichen Gesellschaft drei Bürger sich verabreden wollten, ihren lieben Nachbarn auszurauben, hätten sie damit unfehlbar von Rechts wegen Rad und Galgen verwirkt. Und nun geben gar gekrönte Häupter, in deren Namen in ihren Staaten derartige Gesetze beobachtet werden, ihren Untertanen solch ein empörendes Beispiel! Sie, die zu Gesetz¬ gebern auf der Welt berufen sind, werden durch ihren Vorgang Lehrmeister des Verbrechens! O Zeiten, o Sitten! Wahrhaftig, ebenso gut könnte einer unter Tigern, Leoparden und Luchsen Hausen, wenn er in einem Jahrhundert, das für gesittet gilt, unter solchem Mord- und Raubgesindel leben soll, solchen hinter¬ listigen Menschen, die unsere arme Welt beherrschen. Die ungerechten Vorbereitungen (meiner Feinde) zum Kampfe zwingen mich zu den äußersten Schritten, die ich aus Liebe zum Frieden und zur allgemeinen Ruhe lieber vermieden hätte, und dieselben Umstände nötigen mich sehr gegen meinen Willen, mein Heer nach Sachsen (heute: Belgien) marschieren zu lassen, um von da nach Böhmen (Frankreich) einzudringen. Sie werden dem . . - Kurfürsten von Sachsen erklären . . ., man werde auf seine Staaten alle schonende Rücksicht nehmen, die die gegenwärtigen Umstände gestatten; meine Truppen würden sich in Ordnung und peinlichster Manneszucht halten . . . Übrigens könne Seine polnische Majestät (-Kurfürst von Sachsen) überzeugt sein, daß man Grenzboten IV 1916 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/141>, abgerufen am 28.04.2024.