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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart

für seine Person und seine königliche Familie alle mögliche Rücksicht und Hoch¬
schätzung haben werde, die die unglückliche Zeit und meine eigene Sicherheit
gestatten. Ich persönlich wünschte nichts lebhafter als bald den glücklichen
Augenblick des Friedens herannahen zu sehen, um diesem Fürsten meine volle
Freundschaft zu bezeugen und ihn wieder in den sicheren und ruhigen Besitz
seiner Staaten zu setzen, gegen die ich niemals irgendwelche Angriffspläne
gehabt hätte.




Ganz Europa stürzt sich auf uns. Es scheint Mode zu sein, unser Feind
zu sein.




Die Lumpen von Kaisern und Königen zwingen mich zum Seiltänzer.
Ich tröste mich mit der Hoffnung, daß ich dem einen oder andern mit der
Balancierstange tüchtig eins auswischen werde.




Ich bin erstaunt über die englische Politik. Die Engländer sehen ganz
Europa sür eine lediglich zum Nutzen'Englands geschaffene Staatengemeinschaft
an. Niemals gehen sie auf die Interessen anderer ein.




Ich muß darauf gefaßt sein, daß alle meine Feinde, erklärte wie heimliche,
ihr Haupt erheben und ein jeder das Seine zu meinem Untergang beitragen
will. Unter diesen Verhältnissen werde ich der Zahl meiner Gegner Festigkeit
und Mut entgegensetzen. Sie sollen den Staat nicht niederwerfen, sie begraben
denn seine Verteidiger unter den Trümmern ihres Vaterlandes.




Man glaubte, Preußen (-Deutschland) sturb' an dieser Wunde,
Und prophezeite schon die Todesstunde.
Die Fürsten, die bis zu dem schlimmen Streich
Dem Kampf noch müßig zusahen, wurden gleich
Von schändlicher Begehrlichkeit geblendet
Und haben rasch dem Feind sich zugewendet,
Mit ihm zu teilen unsre arme Haut.

schmählich sind sie abgefallen von dem Manneswort, dem alten,
All' ihr Freiheitsstnn, von frecher Herrenfaust in Schach gehalten,
Hat gelernt, die Stirn zu beugen, sich ins Sklavenlos zu finden,
Unterm Fuße von Tyrannen sich zu schmiegen, sich zu winden I
Ja, sie lassen sich bedrücken
Ohne jede Gegenwehr.
Ihre Feigheit wird sich bücken.
Sich gewöhnen und sich schicken
In der Kettenlast Beschwer.


Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart

für seine Person und seine königliche Familie alle mögliche Rücksicht und Hoch¬
schätzung haben werde, die die unglückliche Zeit und meine eigene Sicherheit
gestatten. Ich persönlich wünschte nichts lebhafter als bald den glücklichen
Augenblick des Friedens herannahen zu sehen, um diesem Fürsten meine volle
Freundschaft zu bezeugen und ihn wieder in den sicheren und ruhigen Besitz
seiner Staaten zu setzen, gegen die ich niemals irgendwelche Angriffspläne
gehabt hätte.




Ganz Europa stürzt sich auf uns. Es scheint Mode zu sein, unser Feind
zu sein.




Die Lumpen von Kaisern und Königen zwingen mich zum Seiltänzer.
Ich tröste mich mit der Hoffnung, daß ich dem einen oder andern mit der
Balancierstange tüchtig eins auswischen werde.




Ich bin erstaunt über die englische Politik. Die Engländer sehen ganz
Europa sür eine lediglich zum Nutzen'Englands geschaffene Staatengemeinschaft
an. Niemals gehen sie auf die Interessen anderer ein.




Ich muß darauf gefaßt sein, daß alle meine Feinde, erklärte wie heimliche,
ihr Haupt erheben und ein jeder das Seine zu meinem Untergang beitragen
will. Unter diesen Verhältnissen werde ich der Zahl meiner Gegner Festigkeit
und Mut entgegensetzen. Sie sollen den Staat nicht niederwerfen, sie begraben
denn seine Verteidiger unter den Trümmern ihres Vaterlandes.




Man glaubte, Preußen (-Deutschland) sturb' an dieser Wunde,
Und prophezeite schon die Todesstunde.
Die Fürsten, die bis zu dem schlimmen Streich
Dem Kampf noch müßig zusahen, wurden gleich
Von schändlicher Begehrlichkeit geblendet
Und haben rasch dem Feind sich zugewendet,
Mit ihm zu teilen unsre arme Haut.

schmählich sind sie abgefallen von dem Manneswort, dem alten,
All' ihr Freiheitsstnn, von frecher Herrenfaust in Schach gehalten,
Hat gelernt, die Stirn zu beugen, sich ins Sklavenlos zu finden,
Unterm Fuße von Tyrannen sich zu schmiegen, sich zu winden I
Ja, sie lassen sich bedrücken
Ohne jede Gegenwehr.
Ihre Feigheit wird sich bücken.
Sich gewöhnen und sich schicken
In der Kettenlast Beschwer.


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[0142] Worte Friedrichs des Großen für die Gegenwart für seine Person und seine königliche Familie alle mögliche Rücksicht und Hoch¬ schätzung haben werde, die die unglückliche Zeit und meine eigene Sicherheit gestatten. Ich persönlich wünschte nichts lebhafter als bald den glücklichen Augenblick des Friedens herannahen zu sehen, um diesem Fürsten meine volle Freundschaft zu bezeugen und ihn wieder in den sicheren und ruhigen Besitz seiner Staaten zu setzen, gegen die ich niemals irgendwelche Angriffspläne gehabt hätte. Ganz Europa stürzt sich auf uns. Es scheint Mode zu sein, unser Feind zu sein. Die Lumpen von Kaisern und Königen zwingen mich zum Seiltänzer. Ich tröste mich mit der Hoffnung, daß ich dem einen oder andern mit der Balancierstange tüchtig eins auswischen werde. Ich bin erstaunt über die englische Politik. Die Engländer sehen ganz Europa sür eine lediglich zum Nutzen'Englands geschaffene Staatengemeinschaft an. Niemals gehen sie auf die Interessen anderer ein. Ich muß darauf gefaßt sein, daß alle meine Feinde, erklärte wie heimliche, ihr Haupt erheben und ein jeder das Seine zu meinem Untergang beitragen will. Unter diesen Verhältnissen werde ich der Zahl meiner Gegner Festigkeit und Mut entgegensetzen. Sie sollen den Staat nicht niederwerfen, sie begraben denn seine Verteidiger unter den Trümmern ihres Vaterlandes. Man glaubte, Preußen (-Deutschland) sturb' an dieser Wunde, Und prophezeite schon die Todesstunde. Die Fürsten, die bis zu dem schlimmen Streich Dem Kampf noch müßig zusahen, wurden gleich Von schändlicher Begehrlichkeit geblendet Und haben rasch dem Feind sich zugewendet, Mit ihm zu teilen unsre arme Haut. schmählich sind sie abgefallen von dem Manneswort, dem alten, All' ihr Freiheitsstnn, von frecher Herrenfaust in Schach gehalten, Hat gelernt, die Stirn zu beugen, sich ins Sklavenlos zu finden, Unterm Fuße von Tyrannen sich zu schmiegen, sich zu winden I Ja, sie lassen sich bedrücken Ohne jede Gegenwehr. Ihre Feigheit wird sich bücken. Sich gewöhnen und sich schicken In der Kettenlast Beschwer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/142>, abgerufen am 12.05.2024.