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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die- deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

der rumänischen Truppen und durch Ausschreitungen der zurückgebliebenen ein¬
heimischen rumänischen Bevölkerung betroffen! Wie viel Arbeit, wie viel auf¬
opfernde Mühe wird es nun -- nach der Befreiung des Landes -- kosten, bis
aller Schade wieder ausgeglichen sein wird!

Jedenfalls versteht man es, wenn sich in diesen Tagen die Teilnahme
weiter Kreise in Deutschland dem kleinen Brudervolke in Siebenbürgen zu¬
wendet, das seit siebeneinhalb Jahrhunderten dort im äußersten Osten der Väter
Art und Sprache sich so treu bewahrt hat. Die Geschichte der siebenbürger
Sachsen -- von den Sachsenbischöfen G. D. Teutsch und seinem Sohne D. Fr.
Teutsch ergreifend dargestellt -- ist tatsächlich eines der interessantesten
Kapitel aus der Vergangenheit des Deutschtums im Auslande. Und ins¬
besondere bietet die Geschichte der deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen
eine Fülle anziehendsten Materials dar. Es sei darum gestattet, hierüber im
folgenden einiges zu erzählen.

I.

Im Volksliede der siebenbürger Sachsen heißt es:

Was da gesagt ist, ist nicht etwa poetische Übertreibung. Siebenbürgen
ist reich an Schätzen und Schönheiten der Natur. Wer auf dem Wege von
Budapest nach Klausenburg die Höhen der Karpathen erreicht hat und nun im
ersten Morgenlichte hinunterschaut auf all die Berge und Hügel, die vor ihm
liegen, auf all die Fluren, die sich dort ausbreiten, dem bestätigt sich sofort die
Wahrheit jener Liedworte.

Solch eine Fahrt durch Siebenbürgen gehört tatsächlich zu den schönsten
Eindrücken, die man empfangen kann. Vorüber an dem stolzen, einst rein
deutschen Klausenburg, führt uns der Zug zwischen freundlichen Hügeln hin¬
durch, an fruchtbaren Ebenen und Tälern entlang über anmutige Ströme
hinweg. Rechts und links sehen wir zum Teil recht ärmliche Dörfer mit
strohgedeckten Hütten, unregelmäßigen Gassen, unansehnlichen Kirchen, wenig
gepflegten Friedhöfen. Aber plötzlich blicken wir verwundert auf. Ein statt¬
liches Dorf liegt vor uns; von der altersgrauen Kirche sieht man nur Dach
und Turm, weil der übrige Teil durch eine zwei bis dreifache Ringmauer ver¬
borgen wird, die wieder von massiven Verteidigungstürmen unterbrochen ist.
Die Mauern und Türme, selbst der Kirchturm sind mit Schießscharten und
Pechnasen versehen: die erste sächsische Kirchenburg, deren es in Siebenbürgen
so viele gibt! Die Häuser des Dorfes sind aus Ziegeln gebaut, selbst die
Dächer der Scheunen mit Ziegeln gedeckt; die breiten Gassen sind regelmäßig
angelegt, sauber gehalten, zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt. Und wie


Die- deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

der rumänischen Truppen und durch Ausschreitungen der zurückgebliebenen ein¬
heimischen rumänischen Bevölkerung betroffen! Wie viel Arbeit, wie viel auf¬
opfernde Mühe wird es nun — nach der Befreiung des Landes — kosten, bis
aller Schade wieder ausgeglichen sein wird!

Jedenfalls versteht man es, wenn sich in diesen Tagen die Teilnahme
weiter Kreise in Deutschland dem kleinen Brudervolke in Siebenbürgen zu¬
wendet, das seit siebeneinhalb Jahrhunderten dort im äußersten Osten der Väter
Art und Sprache sich so treu bewahrt hat. Die Geschichte der siebenbürger
Sachsen — von den Sachsenbischöfen G. D. Teutsch und seinem Sohne D. Fr.
Teutsch ergreifend dargestellt — ist tatsächlich eines der interessantesten
Kapitel aus der Vergangenheit des Deutschtums im Auslande. Und ins¬
besondere bietet die Geschichte der deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen
eine Fülle anziehendsten Materials dar. Es sei darum gestattet, hierüber im
folgenden einiges zu erzählen.

I.

Im Volksliede der siebenbürger Sachsen heißt es:

Was da gesagt ist, ist nicht etwa poetische Übertreibung. Siebenbürgen
ist reich an Schätzen und Schönheiten der Natur. Wer auf dem Wege von
Budapest nach Klausenburg die Höhen der Karpathen erreicht hat und nun im
ersten Morgenlichte hinunterschaut auf all die Berge und Hügel, die vor ihm
liegen, auf all die Fluren, die sich dort ausbreiten, dem bestätigt sich sofort die
Wahrheit jener Liedworte.

Solch eine Fahrt durch Siebenbürgen gehört tatsächlich zu den schönsten
Eindrücken, die man empfangen kann. Vorüber an dem stolzen, einst rein
deutschen Klausenburg, führt uns der Zug zwischen freundlichen Hügeln hin¬
durch, an fruchtbaren Ebenen und Tälern entlang über anmutige Ströme
hinweg. Rechts und links sehen wir zum Teil recht ärmliche Dörfer mit
strohgedeckten Hütten, unregelmäßigen Gassen, unansehnlichen Kirchen, wenig
gepflegten Friedhöfen. Aber plötzlich blicken wir verwundert auf. Ein statt¬
liches Dorf liegt vor uns; von der altersgrauen Kirche sieht man nur Dach
und Turm, weil der übrige Teil durch eine zwei bis dreifache Ringmauer ver¬
borgen wird, die wieder von massiven Verteidigungstürmen unterbrochen ist.
Die Mauern und Türme, selbst der Kirchturm sind mit Schießscharten und
Pechnasen versehen: die erste sächsische Kirchenburg, deren es in Siebenbürgen
so viele gibt! Die Häuser des Dorfes sind aus Ziegeln gebaut, selbst die
Dächer der Scheunen mit Ziegeln gedeckt; die breiten Gassen sind regelmäßig
angelegt, sauber gehalten, zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt. Und wie


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[0283] Die- deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen der rumänischen Truppen und durch Ausschreitungen der zurückgebliebenen ein¬ heimischen rumänischen Bevölkerung betroffen! Wie viel Arbeit, wie viel auf¬ opfernde Mühe wird es nun — nach der Befreiung des Landes — kosten, bis aller Schade wieder ausgeglichen sein wird! Jedenfalls versteht man es, wenn sich in diesen Tagen die Teilnahme weiter Kreise in Deutschland dem kleinen Brudervolke in Siebenbürgen zu¬ wendet, das seit siebeneinhalb Jahrhunderten dort im äußersten Osten der Väter Art und Sprache sich so treu bewahrt hat. Die Geschichte der siebenbürger Sachsen — von den Sachsenbischöfen G. D. Teutsch und seinem Sohne D. Fr. Teutsch ergreifend dargestellt — ist tatsächlich eines der interessantesten Kapitel aus der Vergangenheit des Deutschtums im Auslande. Und ins¬ besondere bietet die Geschichte der deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen eine Fülle anziehendsten Materials dar. Es sei darum gestattet, hierüber im folgenden einiges zu erzählen. I. Im Volksliede der siebenbürger Sachsen heißt es: Was da gesagt ist, ist nicht etwa poetische Übertreibung. Siebenbürgen ist reich an Schätzen und Schönheiten der Natur. Wer auf dem Wege von Budapest nach Klausenburg die Höhen der Karpathen erreicht hat und nun im ersten Morgenlichte hinunterschaut auf all die Berge und Hügel, die vor ihm liegen, auf all die Fluren, die sich dort ausbreiten, dem bestätigt sich sofort die Wahrheit jener Liedworte. Solch eine Fahrt durch Siebenbürgen gehört tatsächlich zu den schönsten Eindrücken, die man empfangen kann. Vorüber an dem stolzen, einst rein deutschen Klausenburg, führt uns der Zug zwischen freundlichen Hügeln hin¬ durch, an fruchtbaren Ebenen und Tälern entlang über anmutige Ströme hinweg. Rechts und links sehen wir zum Teil recht ärmliche Dörfer mit strohgedeckten Hütten, unregelmäßigen Gassen, unansehnlichen Kirchen, wenig gepflegten Friedhöfen. Aber plötzlich blicken wir verwundert auf. Ein statt¬ liches Dorf liegt vor uns; von der altersgrauen Kirche sieht man nur Dach und Turm, weil der übrige Teil durch eine zwei bis dreifache Ringmauer ver¬ borgen wird, die wieder von massiven Verteidigungstürmen unterbrochen ist. Die Mauern und Türme, selbst der Kirchturm sind mit Schießscharten und Pechnasen versehen: die erste sächsische Kirchenburg, deren es in Siebenbürgen so viele gibt! Die Häuser des Dorfes sind aus Ziegeln gebaut, selbst die Dächer der Scheunen mit Ziegeln gedeckt; die breiten Gassen sind regelmäßig angelegt, sauber gehalten, zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt. Und wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/283>, abgerufen am 28.04.2024.