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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Noch ein Wort über Belgiens Zukunft

möglich gehaltene Belebung erfahren. Die demokratische Auffassung vom Staat
als Vollstrecker eines chimärischen Volkswillens hat durch die tatsächlichen Vor¬
gänge Schiffbruch erlitten und der Staat ist von der ihm zugemuteten Nacht¬
wächterrolle zu gebietendem Herrscher aufgestiegen. Diesen sichtbaren Umschwung
verdanken wir dem Kriegsgeist, der zur Unterordnung der Individuen unter
die Gemeinschaftsziele zwingt. Um alle Gemeinschaften aber spannt sich der
eiserne Reifen der organisierten Staatsmacht. Die starke Hand von oben her
wäre freilich längst ermattet, wenn nicht die inneren Kräfte der Nation durch
Anpassung und Nachgiebigkeit den Volksorganismus auf den Führerwillen ein¬
gestellt hätten. Im Vertrauen auf dieses Zusammenwirken von Staatsräson
und Nationalgefühl ist auch bei der Einführung der allgemeinen Dienpflicht
ausgegangen. Wir erhoffen von ihr auch eine aufrüttelnde moralische
Wirkung, denn wer wollte es leugnen, daß es in unserer Mitte noch allzu
viele gibt, die dem großen Geschehen des Krieges mit stumpfen Sinnen bei¬
wohnen, vielfach sogar einzig darauf bedacht sind, aus den verwirrten wirtschaft¬
lichen Ausnahmezuständen wucherischer Gewinn zu ziehen. Diesen Leuten ist
die volle Erkenntnis der unabsehbaren Tragweite der in Blut und Glut vor
unseren Augen sich abspielenden Schicksalstragödie überhaupt noch nicht auf¬
gegangen. An ihnen mag der Arbeitszwang für Reich und Volk als
Zwangserziehung sich bewähren.




Noch ein Wort über Belgiens Zukunft
von Dr. Karl Buchheim

meer der Überschrift "Belgiens Zukunft" veröffentlicht Professor
Bornhak in den "Grenzboten" (1916 Ur. 49) einen Aufsatz, dem
man einen Widerhall in den weitesten Kreisen unseres Volkes
wünschen möchte. In dem Augenblick, wo die deutsche Fahne
stegreich über Bukarest weht, wo unsere Siegeszuversicht nach
langen Monaten schwerer Kämpfe glänzend gerechtfertigt dasteht, da scheint es
mehr als früher Zeit zu sein, daß über unsere Ziele an der Westmark des
Reiches mit klaren Worten gesprochen wird. Aus militärischen, maritimen,
wirtschaftlichen und historischen Gründen dürfen wir Belgien nicht wieder aus
unserer Hand lassen. Rücksicht auf England brauchen wir nicht zu nehmen.
Wir wissen, daß wir von England gutwillig keinen annehmbaren Frieden zu
erwarten haben. Waren schon Asquith und Grey zu keinen Verhandlungen
bereit, so dürfen wir um so weniger auf Entgegenkommen rechnen, je aus-


Noch ein Wort über Belgiens Zukunft

möglich gehaltene Belebung erfahren. Die demokratische Auffassung vom Staat
als Vollstrecker eines chimärischen Volkswillens hat durch die tatsächlichen Vor¬
gänge Schiffbruch erlitten und der Staat ist von der ihm zugemuteten Nacht¬
wächterrolle zu gebietendem Herrscher aufgestiegen. Diesen sichtbaren Umschwung
verdanken wir dem Kriegsgeist, der zur Unterordnung der Individuen unter
die Gemeinschaftsziele zwingt. Um alle Gemeinschaften aber spannt sich der
eiserne Reifen der organisierten Staatsmacht. Die starke Hand von oben her
wäre freilich längst ermattet, wenn nicht die inneren Kräfte der Nation durch
Anpassung und Nachgiebigkeit den Volksorganismus auf den Führerwillen ein¬
gestellt hätten. Im Vertrauen auf dieses Zusammenwirken von Staatsräson
und Nationalgefühl ist auch bei der Einführung der allgemeinen Dienpflicht
ausgegangen. Wir erhoffen von ihr auch eine aufrüttelnde moralische
Wirkung, denn wer wollte es leugnen, daß es in unserer Mitte noch allzu
viele gibt, die dem großen Geschehen des Krieges mit stumpfen Sinnen bei¬
wohnen, vielfach sogar einzig darauf bedacht sind, aus den verwirrten wirtschaft¬
lichen Ausnahmezuständen wucherischer Gewinn zu ziehen. Diesen Leuten ist
die volle Erkenntnis der unabsehbaren Tragweite der in Blut und Glut vor
unseren Augen sich abspielenden Schicksalstragödie überhaupt noch nicht auf¬
gegangen. An ihnen mag der Arbeitszwang für Reich und Volk als
Zwangserziehung sich bewähren.




Noch ein Wort über Belgiens Zukunft
von Dr. Karl Buchheim

meer der Überschrift „Belgiens Zukunft" veröffentlicht Professor
Bornhak in den „Grenzboten" (1916 Ur. 49) einen Aufsatz, dem
man einen Widerhall in den weitesten Kreisen unseres Volkes
wünschen möchte. In dem Augenblick, wo die deutsche Fahne
stegreich über Bukarest weht, wo unsere Siegeszuversicht nach
langen Monaten schwerer Kämpfe glänzend gerechtfertigt dasteht, da scheint es
mehr als früher Zeit zu sein, daß über unsere Ziele an der Westmark des
Reiches mit klaren Worten gesprochen wird. Aus militärischen, maritimen,
wirtschaftlichen und historischen Gründen dürfen wir Belgien nicht wieder aus
unserer Hand lassen. Rücksicht auf England brauchen wir nicht zu nehmen.
Wir wissen, daß wir von England gutwillig keinen annehmbaren Frieden zu
erwarten haben. Waren schon Asquith und Grey zu keinen Verhandlungen
bereit, so dürfen wir um so weniger auf Entgegenkommen rechnen, je aus-


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[0375] Noch ein Wort über Belgiens Zukunft möglich gehaltene Belebung erfahren. Die demokratische Auffassung vom Staat als Vollstrecker eines chimärischen Volkswillens hat durch die tatsächlichen Vor¬ gänge Schiffbruch erlitten und der Staat ist von der ihm zugemuteten Nacht¬ wächterrolle zu gebietendem Herrscher aufgestiegen. Diesen sichtbaren Umschwung verdanken wir dem Kriegsgeist, der zur Unterordnung der Individuen unter die Gemeinschaftsziele zwingt. Um alle Gemeinschaften aber spannt sich der eiserne Reifen der organisierten Staatsmacht. Die starke Hand von oben her wäre freilich längst ermattet, wenn nicht die inneren Kräfte der Nation durch Anpassung und Nachgiebigkeit den Volksorganismus auf den Führerwillen ein¬ gestellt hätten. Im Vertrauen auf dieses Zusammenwirken von Staatsräson und Nationalgefühl ist auch bei der Einführung der allgemeinen Dienpflicht ausgegangen. Wir erhoffen von ihr auch eine aufrüttelnde moralische Wirkung, denn wer wollte es leugnen, daß es in unserer Mitte noch allzu viele gibt, die dem großen Geschehen des Krieges mit stumpfen Sinnen bei¬ wohnen, vielfach sogar einzig darauf bedacht sind, aus den verwirrten wirtschaft¬ lichen Ausnahmezuständen wucherischer Gewinn zu ziehen. Diesen Leuten ist die volle Erkenntnis der unabsehbaren Tragweite der in Blut und Glut vor unseren Augen sich abspielenden Schicksalstragödie überhaupt noch nicht auf¬ gegangen. An ihnen mag der Arbeitszwang für Reich und Volk als Zwangserziehung sich bewähren. Noch ein Wort über Belgiens Zukunft von Dr. Karl Buchheim meer der Überschrift „Belgiens Zukunft" veröffentlicht Professor Bornhak in den „Grenzboten" (1916 Ur. 49) einen Aufsatz, dem man einen Widerhall in den weitesten Kreisen unseres Volkes wünschen möchte. In dem Augenblick, wo die deutsche Fahne stegreich über Bukarest weht, wo unsere Siegeszuversicht nach langen Monaten schwerer Kämpfe glänzend gerechtfertigt dasteht, da scheint es mehr als früher Zeit zu sein, daß über unsere Ziele an der Westmark des Reiches mit klaren Worten gesprochen wird. Aus militärischen, maritimen, wirtschaftlichen und historischen Gründen dürfen wir Belgien nicht wieder aus unserer Hand lassen. Rücksicht auf England brauchen wir nicht zu nehmen. Wir wissen, daß wir von England gutwillig keinen annehmbaren Frieden zu erwarten haben. Waren schon Asquith und Grey zu keinen Verhandlungen bereit, so dürfen wir um so weniger auf Entgegenkommen rechnen, je aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/375>, abgerufen am 28.04.2024.