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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Freundschaft^ und
Handelsvertrag von ^785
Dr. Scina Stern von

jn der Tat haben seit der Zeit, wo Friedrich der Große mit
John Adams, Benjamin Franklin und Thomas Jrfferson den
Freundschafts- und Handelsvertrag vom 10. September 1785
zwischen Preußen und der Republik des Westens vereinbarte,
> deutsche und amerikanische Staatsmänner in dem Kampf um die
Freiheit der Meere und für den Schutz des friedlichen Handels immer zu¬
sammengestanden." Mit diesen Worten hat die deutsche Lusitania-Note vom
9. Juli 1915 das jahrhundertalte Verhältnis zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten charakterisiert. Sie hat aber vergessen hinzuzufügen oder,
um das Selbstgefühl des amerikanischen Volkes nicht zu kränken, nicht hinzufügen
wollen, daß es damals eine große Tat des großen Friedrich gewesen, diesen Vertrag
überhaupt zu schließen. Sie hat vergessen hinzuzufügen, daß Amerika erst durch
diesen Vertrag Existenzberechtigung in Europa und die Möglichkeit gewann, in
Beziehung zu den Mächten der alten Welt zu treten. Sie hat vergessen darauf
hinzuweisen, daß Friedrich selbst durch den Schutz, den er damals den ameri¬
kanischen Prinzipien von der freien Bestimmung der Völker und dem großen
Rechte der Menschen gewährte, sich der Lächerlichkeit und dem Spott einer
nüchterner denkenden Welt ausgesetzt hat.

Denn nach den großen Unabhängigkeitskämpfen, in denen die Kolonien
Nordamerikas ihre Freiheit von englischer Bevormundung errungen hatten, stand der
neue Staat ganz allein in der Welt, ein junger Riese, der seine Kraft wohl
ahnte, aber noch nicht gebrauchen konnte. Noch hielten sich die legitimen
Mächte Europas mißtrauisch und scheu von dem Rebellenstaate zurück, noch
wagte niemand aus der alten Schar, dem neuen Ankömmling die Hand zum
Gruße entgegenzustrecken. Wohl war man in Europa mit Bewunderung und
Staunen dem gigantischen Ringen gefolgt, wohl waren freiheitstrunkene Scharen
aus Deutschland,, Frankreich und anderen Ländern heißen Herzens über das
große Meer gezogen, um der jungen Nation ein neues und schönes Haus
bauen zu helfen. Wohl hatten auch Frankreich und Spanien selbst während
des Krieges auf amerikanischer Seite gestanden und Handelsverträge mit dem
Kongresse geschlossen. Doch waren die Gründe, die die konservativen hour-




Der preußisch-amerikanische Freundschaft^ und
Handelsvertrag von ^785
Dr. Scina Stern von

jn der Tat haben seit der Zeit, wo Friedrich der Große mit
John Adams, Benjamin Franklin und Thomas Jrfferson den
Freundschafts- und Handelsvertrag vom 10. September 1785
zwischen Preußen und der Republik des Westens vereinbarte,
> deutsche und amerikanische Staatsmänner in dem Kampf um die
Freiheit der Meere und für den Schutz des friedlichen Handels immer zu¬
sammengestanden." Mit diesen Worten hat die deutsche Lusitania-Note vom
9. Juli 1915 das jahrhundertalte Verhältnis zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten charakterisiert. Sie hat aber vergessen hinzuzufügen oder,
um das Selbstgefühl des amerikanischen Volkes nicht zu kränken, nicht hinzufügen
wollen, daß es damals eine große Tat des großen Friedrich gewesen, diesen Vertrag
überhaupt zu schließen. Sie hat vergessen hinzuzufügen, daß Amerika erst durch
diesen Vertrag Existenzberechtigung in Europa und die Möglichkeit gewann, in
Beziehung zu den Mächten der alten Welt zu treten. Sie hat vergessen darauf
hinzuweisen, daß Friedrich selbst durch den Schutz, den er damals den ameri¬
kanischen Prinzipien von der freien Bestimmung der Völker und dem großen
Rechte der Menschen gewährte, sich der Lächerlichkeit und dem Spott einer
nüchterner denkenden Welt ausgesetzt hat.

Denn nach den großen Unabhängigkeitskämpfen, in denen die Kolonien
Nordamerikas ihre Freiheit von englischer Bevormundung errungen hatten, stand der
neue Staat ganz allein in der Welt, ein junger Riese, der seine Kraft wohl
ahnte, aber noch nicht gebrauchen konnte. Noch hielten sich die legitimen
Mächte Europas mißtrauisch und scheu von dem Rebellenstaate zurück, noch
wagte niemand aus der alten Schar, dem neuen Ankömmling die Hand zum
Gruße entgegenzustrecken. Wohl war man in Europa mit Bewunderung und
Staunen dem gigantischen Ringen gefolgt, wohl waren freiheitstrunkene Scharen
aus Deutschland,, Frankreich und anderen Ländern heißen Herzens über das
große Meer gezogen, um der jungen Nation ein neues und schönes Haus
bauen zu helfen. Wohl hatten auch Frankreich und Spanien selbst während
des Krieges auf amerikanischer Seite gestanden und Handelsverträge mit dem
Kongresse geschlossen. Doch waren die Gründe, die die konservativen hour-


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[0243] [Abbildung] Der preußisch-amerikanische Freundschaft^ und Handelsvertrag von ^785 Dr. Scina Stern von jn der Tat haben seit der Zeit, wo Friedrich der Große mit John Adams, Benjamin Franklin und Thomas Jrfferson den Freundschafts- und Handelsvertrag vom 10. September 1785 zwischen Preußen und der Republik des Westens vereinbarte, > deutsche und amerikanische Staatsmänner in dem Kampf um die Freiheit der Meere und für den Schutz des friedlichen Handels immer zu¬ sammengestanden." Mit diesen Worten hat die deutsche Lusitania-Note vom 9. Juli 1915 das jahrhundertalte Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten charakterisiert. Sie hat aber vergessen hinzuzufügen oder, um das Selbstgefühl des amerikanischen Volkes nicht zu kränken, nicht hinzufügen wollen, daß es damals eine große Tat des großen Friedrich gewesen, diesen Vertrag überhaupt zu schließen. Sie hat vergessen hinzuzufügen, daß Amerika erst durch diesen Vertrag Existenzberechtigung in Europa und die Möglichkeit gewann, in Beziehung zu den Mächten der alten Welt zu treten. Sie hat vergessen darauf hinzuweisen, daß Friedrich selbst durch den Schutz, den er damals den ameri¬ kanischen Prinzipien von der freien Bestimmung der Völker und dem großen Rechte der Menschen gewährte, sich der Lächerlichkeit und dem Spott einer nüchterner denkenden Welt ausgesetzt hat. Denn nach den großen Unabhängigkeitskämpfen, in denen die Kolonien Nordamerikas ihre Freiheit von englischer Bevormundung errungen hatten, stand der neue Staat ganz allein in der Welt, ein junger Riese, der seine Kraft wohl ahnte, aber noch nicht gebrauchen konnte. Noch hielten sich die legitimen Mächte Europas mißtrauisch und scheu von dem Rebellenstaate zurück, noch wagte niemand aus der alten Schar, dem neuen Ankömmling die Hand zum Gruße entgegenzustrecken. Wohl war man in Europa mit Bewunderung und Staunen dem gigantischen Ringen gefolgt, wohl waren freiheitstrunkene Scharen aus Deutschland,, Frankreich und anderen Ländern heißen Herzens über das große Meer gezogen, um der jungen Nation ein neues und schönes Haus bauen zu helfen. Wohl hatten auch Frankreich und Spanien selbst während des Krieges auf amerikanischer Seite gestanden und Handelsverträge mit dem Kongresse geschlossen. Doch waren die Gründe, die die konservativen hour-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/243>, abgerufen am 02.05.2024.