Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

dorischen Fürstenhäuser in den amerikanischen Kampf gezogen hatten, rein politischer
Natur gewesen. Um Menschenrechte und Völkerfreiheit haben sie sich wenig
dabei gekümmert. Sie hatten nicht die Kolonien befreien, sie hatten nur Eng¬
land schwächen und ihren jahrhundertalten Kampf um die koloniale Vor¬
herrschaft zum Austrag bringen wollen.

Jetzt stieß die amerikanische Republik, als sie zum ersten Male als selb¬
ständiger Staat versuchte, Handelsbeziehungen mit dem Deutschen Reich, Däne¬
mark. Portugal, Spanien, dem Papst, Toskana. womöglich auch mit Rußland,
England, Sardinien, Sachsen, Hamburg und Venedig anzuknüpfen, überall
auf unerwarteten Widerstand. Die einen sahen in ihr nur mehr einen kriegs¬
müden, erschöpften Staat, einen losen Bau, ohne Zusammenhalt seiner Glieder.
Die anderen fürchteten die eigene Seeherrschaft zu verlieren, wenn sie den
neuen Rivalen unterstützten. Die kleineren Seemächte wagten nicht, die alten
englischen Beziehungen zu lösen, die ihnen auch bequemer und vorteilhafter
waren, als die neuen.

Nur ein Staat ging auf die Werbungen des Kongresses ein und erklärte
sich einverstanden mit den neuen völkerrechtlichen Prinzipien, in deren Zeichen
der amerikanische Staat gesiegt, und die er nun zur Grundlage seiner Handels¬
beziehungen machen wollte -- Preußen.

Schon während des Krieges hatte sich ein eigentümliches Verhältnis
zwischen dem größten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus und der freiheits¬
durstigen Republik entwickelt. Mit Neugierde und Spannung hatte Friedrich
Anteil genommen an den Ereignissen in der neuen Welt, wiederholt hatte er
seine Freude über die Erfolge der Amerikaner öffentlich geäußert und ihren
Sieg über das verhaßte England prophezeit. Nicht als ob Friedrich, streng
legitimistisch wie er war, innerlich mit der Sache der Revolution übereingestimmt
hätte. Er hat, wie Frankreich auch, durch seinen Anteil an Amerikas Siege
nur England schaden und sich für alle Demütigungen und Beleidigungen
rächen wollen. So hat er auch den Kolonien direkt die wertvollsten Dienste
geleistet, indem er jenen berüchtigten Menschenhandel in den deutschen Klein¬
staaten unterband, der England damals seine besten Soldaten lieferte.

Auf der anderen Seite war in der neuen Welt seit den Tagen des sieben¬
jährigen Krieges Friedrich der Große der populärste Fürst geworden. Man
feierte ihn "als den Helden des Protestantismus", als den "Vorkämpfer des
Glaubens gegen den Papismus". als den "weisesten Mann und Schiedsrichter
Europas". Auch die leitenden großen Staatsmänner konnten sich in der Be¬
wunderung für Friedrich nicht genug tun. Washington nennt es die höchste
denkbare Ehre, von ihm empfangen zu werden, einem Feldherrn wie Greene
erschien es als das Erstrebenswerteste, seinen Beifall zu gewinnen. Ja, man
hatte in der Zeit der höchsten Bedrängnisse Reden und Flugschriften veröffent¬
licht, in denen man an Friedrichs Nöte im siebenjährigen Krieg erinnerte
und an seiner Standhaftigkeit und Größe das Volk aufrichtete und stärkte.


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

dorischen Fürstenhäuser in den amerikanischen Kampf gezogen hatten, rein politischer
Natur gewesen. Um Menschenrechte und Völkerfreiheit haben sie sich wenig
dabei gekümmert. Sie hatten nicht die Kolonien befreien, sie hatten nur Eng¬
land schwächen und ihren jahrhundertalten Kampf um die koloniale Vor¬
herrschaft zum Austrag bringen wollen.

Jetzt stieß die amerikanische Republik, als sie zum ersten Male als selb¬
ständiger Staat versuchte, Handelsbeziehungen mit dem Deutschen Reich, Däne¬
mark. Portugal, Spanien, dem Papst, Toskana. womöglich auch mit Rußland,
England, Sardinien, Sachsen, Hamburg und Venedig anzuknüpfen, überall
auf unerwarteten Widerstand. Die einen sahen in ihr nur mehr einen kriegs¬
müden, erschöpften Staat, einen losen Bau, ohne Zusammenhalt seiner Glieder.
Die anderen fürchteten die eigene Seeherrschaft zu verlieren, wenn sie den
neuen Rivalen unterstützten. Die kleineren Seemächte wagten nicht, die alten
englischen Beziehungen zu lösen, die ihnen auch bequemer und vorteilhafter
waren, als die neuen.

Nur ein Staat ging auf die Werbungen des Kongresses ein und erklärte
sich einverstanden mit den neuen völkerrechtlichen Prinzipien, in deren Zeichen
der amerikanische Staat gesiegt, und die er nun zur Grundlage seiner Handels¬
beziehungen machen wollte — Preußen.

Schon während des Krieges hatte sich ein eigentümliches Verhältnis
zwischen dem größten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus und der freiheits¬
durstigen Republik entwickelt. Mit Neugierde und Spannung hatte Friedrich
Anteil genommen an den Ereignissen in der neuen Welt, wiederholt hatte er
seine Freude über die Erfolge der Amerikaner öffentlich geäußert und ihren
Sieg über das verhaßte England prophezeit. Nicht als ob Friedrich, streng
legitimistisch wie er war, innerlich mit der Sache der Revolution übereingestimmt
hätte. Er hat, wie Frankreich auch, durch seinen Anteil an Amerikas Siege
nur England schaden und sich für alle Demütigungen und Beleidigungen
rächen wollen. So hat er auch den Kolonien direkt die wertvollsten Dienste
geleistet, indem er jenen berüchtigten Menschenhandel in den deutschen Klein¬
staaten unterband, der England damals seine besten Soldaten lieferte.

Auf der anderen Seite war in der neuen Welt seit den Tagen des sieben¬
jährigen Krieges Friedrich der Große der populärste Fürst geworden. Man
feierte ihn „als den Helden des Protestantismus", als den „Vorkämpfer des
Glaubens gegen den Papismus". als den „weisesten Mann und Schiedsrichter
Europas". Auch die leitenden großen Staatsmänner konnten sich in der Be¬
wunderung für Friedrich nicht genug tun. Washington nennt es die höchste
denkbare Ehre, von ihm empfangen zu werden, einem Feldherrn wie Greene
erschien es als das Erstrebenswerteste, seinen Beifall zu gewinnen. Ja, man
hatte in der Zeit der höchsten Bedrängnisse Reden und Flugschriften veröffent¬
licht, in denen man an Friedrichs Nöte im siebenjährigen Krieg erinnerte
und an seiner Standhaftigkeit und Größe das Volk aufrichtete und stärkte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331652"/>
          <fw type="header" place="top"> Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_758" prev="#ID_757"> dorischen Fürstenhäuser in den amerikanischen Kampf gezogen hatten, rein politischer<lb/>
Natur gewesen. Um Menschenrechte und Völkerfreiheit haben sie sich wenig<lb/>
dabei gekümmert. Sie hatten nicht die Kolonien befreien, sie hatten nur Eng¬<lb/>
land schwächen und ihren jahrhundertalten Kampf um die koloniale Vor¬<lb/>
herrschaft zum Austrag bringen wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_759"> Jetzt stieß die amerikanische Republik, als sie zum ersten Male als selb¬<lb/>
ständiger Staat versuchte, Handelsbeziehungen mit dem Deutschen Reich, Däne¬<lb/>
mark. Portugal, Spanien, dem Papst, Toskana. womöglich auch mit Rußland,<lb/>
England, Sardinien, Sachsen, Hamburg und Venedig anzuknüpfen, überall<lb/>
auf unerwarteten Widerstand. Die einen sahen in ihr nur mehr einen kriegs¬<lb/>
müden, erschöpften Staat, einen losen Bau, ohne Zusammenhalt seiner Glieder.<lb/>
Die anderen fürchteten die eigene Seeherrschaft zu verlieren, wenn sie den<lb/>
neuen Rivalen unterstützten. Die kleineren Seemächte wagten nicht, die alten<lb/>
englischen Beziehungen zu lösen, die ihnen auch bequemer und vorteilhafter<lb/>
waren, als die neuen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_760"> Nur ein Staat ging auf die Werbungen des Kongresses ein und erklärte<lb/>
sich einverstanden mit den neuen völkerrechtlichen Prinzipien, in deren Zeichen<lb/>
der amerikanische Staat gesiegt, und die er nun zur Grundlage seiner Handels¬<lb/>
beziehungen machen wollte &#x2014; Preußen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_761"> Schon während des Krieges hatte sich ein eigentümliches Verhältnis<lb/>
zwischen dem größten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus und der freiheits¬<lb/>
durstigen Republik entwickelt. Mit Neugierde und Spannung hatte Friedrich<lb/>
Anteil genommen an den Ereignissen in der neuen Welt, wiederholt hatte er<lb/>
seine Freude über die Erfolge der Amerikaner öffentlich geäußert und ihren<lb/>
Sieg über das verhaßte England prophezeit. Nicht als ob Friedrich, streng<lb/>
legitimistisch wie er war, innerlich mit der Sache der Revolution übereingestimmt<lb/>
hätte. Er hat, wie Frankreich auch, durch seinen Anteil an Amerikas Siege<lb/>
nur England schaden und sich für alle Demütigungen und Beleidigungen<lb/>
rächen wollen. So hat er auch den Kolonien direkt die wertvollsten Dienste<lb/>
geleistet, indem er jenen berüchtigten Menschenhandel in den deutschen Klein¬<lb/>
staaten unterband, der England damals seine besten Soldaten lieferte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_762"> Auf der anderen Seite war in der neuen Welt seit den Tagen des sieben¬<lb/>
jährigen Krieges Friedrich der Große der populärste Fürst geworden. Man<lb/>
feierte ihn &#x201E;als den Helden des Protestantismus", als den &#x201E;Vorkämpfer des<lb/>
Glaubens gegen den Papismus". als den &#x201E;weisesten Mann und Schiedsrichter<lb/>
Europas". Auch die leitenden großen Staatsmänner konnten sich in der Be¬<lb/>
wunderung für Friedrich nicht genug tun. Washington nennt es die höchste<lb/>
denkbare Ehre, von ihm empfangen zu werden, einem Feldherrn wie Greene<lb/>
erschien es als das Erstrebenswerteste, seinen Beifall zu gewinnen. Ja, man<lb/>
hatte in der Zeit der höchsten Bedrängnisse Reden und Flugschriften veröffent¬<lb/>
licht, in denen man an Friedrichs Nöte im siebenjährigen Krieg erinnerte<lb/>
und an seiner Standhaftigkeit und Größe das Volk aufrichtete und stärkte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag dorischen Fürstenhäuser in den amerikanischen Kampf gezogen hatten, rein politischer Natur gewesen. Um Menschenrechte und Völkerfreiheit haben sie sich wenig dabei gekümmert. Sie hatten nicht die Kolonien befreien, sie hatten nur Eng¬ land schwächen und ihren jahrhundertalten Kampf um die koloniale Vor¬ herrschaft zum Austrag bringen wollen. Jetzt stieß die amerikanische Republik, als sie zum ersten Male als selb¬ ständiger Staat versuchte, Handelsbeziehungen mit dem Deutschen Reich, Däne¬ mark. Portugal, Spanien, dem Papst, Toskana. womöglich auch mit Rußland, England, Sardinien, Sachsen, Hamburg und Venedig anzuknüpfen, überall auf unerwarteten Widerstand. Die einen sahen in ihr nur mehr einen kriegs¬ müden, erschöpften Staat, einen losen Bau, ohne Zusammenhalt seiner Glieder. Die anderen fürchteten die eigene Seeherrschaft zu verlieren, wenn sie den neuen Rivalen unterstützten. Die kleineren Seemächte wagten nicht, die alten englischen Beziehungen zu lösen, die ihnen auch bequemer und vorteilhafter waren, als die neuen. Nur ein Staat ging auf die Werbungen des Kongresses ein und erklärte sich einverstanden mit den neuen völkerrechtlichen Prinzipien, in deren Zeichen der amerikanische Staat gesiegt, und die er nun zur Grundlage seiner Handels¬ beziehungen machen wollte — Preußen. Schon während des Krieges hatte sich ein eigentümliches Verhältnis zwischen dem größten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus und der freiheits¬ durstigen Republik entwickelt. Mit Neugierde und Spannung hatte Friedrich Anteil genommen an den Ereignissen in der neuen Welt, wiederholt hatte er seine Freude über die Erfolge der Amerikaner öffentlich geäußert und ihren Sieg über das verhaßte England prophezeit. Nicht als ob Friedrich, streng legitimistisch wie er war, innerlich mit der Sache der Revolution übereingestimmt hätte. Er hat, wie Frankreich auch, durch seinen Anteil an Amerikas Siege nur England schaden und sich für alle Demütigungen und Beleidigungen rächen wollen. So hat er auch den Kolonien direkt die wertvollsten Dienste geleistet, indem er jenen berüchtigten Menschenhandel in den deutschen Klein¬ staaten unterband, der England damals seine besten Soldaten lieferte. Auf der anderen Seite war in der neuen Welt seit den Tagen des sieben¬ jährigen Krieges Friedrich der Große der populärste Fürst geworden. Man feierte ihn „als den Helden des Protestantismus", als den „Vorkämpfer des Glaubens gegen den Papismus". als den „weisesten Mann und Schiedsrichter Europas". Auch die leitenden großen Staatsmänner konnten sich in der Be¬ wunderung für Friedrich nicht genug tun. Washington nennt es die höchste denkbare Ehre, von ihm empfangen zu werden, einem Feldherrn wie Greene erschien es als das Erstrebenswerteste, seinen Beifall zu gewinnen. Ja, man hatte in der Zeit der höchsten Bedrängnisse Reden und Flugschriften veröffent¬ licht, in denen man an Friedrichs Nöte im siebenjährigen Krieg erinnerte und an seiner Standhaftigkeit und Größe das Volk aufrichtete und stärkte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/244>, abgerufen am 18.05.2024.