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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Neue Bücher

G. von Below: "Der deutsche Staat des Mittelalteis. Ein, Grundriß der deutschen
Verfassungsgeschichte." (Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig 1914, Preis
10 M.)

Der als Herausgeber der "Vierteljahrsschrift für Sozial-und Wirtschafts¬
geschichte" bekannte Freiburger Universitätsprofessor läßt mit diesem Buche eine
Arbeit erscheinen, die sowohl für den Historiker wie auch für den Juristen von
großem Interesse ist. Der Verfasser hat sich in seinem Werke, von dem bisher
nur der erste Band vorliegt, der die allgemeinen Fragen behandelt, die Aufgabe
gestellt, den Staat des Mittelalters als Staat, die mittelalterliche Verfassung als
staatliche Verfassung darzutun und abzugrenzen, indem er sowohl das, was die
alte Verfassung von der neueren trennt, als auch dasjenige heraushebt, was sie
mit ihr verbindet. Es sollen, wie sich Below im Vorwort ausdrückt, "das mittel¬
alterliche Staatsrecht als öffentliches Recht und zugleich die Besonderheit des mittel¬
alterlichen öffentlichen Rechts dargelegt werden."

Wenn die Belowsche Arbeit auch in erster Linie dem Mittelalter gewidmet
ist, so war es doch notwendig, fast überall bis in die Verhältnisse der Urzeit zurück¬
zugreifen, da das Mittelalter nicht als scharf abgegrenztes Zeitalter gefaßt werden
kann, sondern die Verhältnisse des Altertums mehr oder weniger in das Mittel-
alter hinübergreifen. Andererseits bot sich dem Verfasser wiederholt Gelegenheit,
das neuere Verfassungsrecht zum Vergleich heranzuziehen.

Der bisher erschienene I. Band des Werkes zerfällt in zwei Teile, von denen
der erste die Literaturgeschichte des Problems behandelt, während der zweite Teil
die systematische Darstellung der Reichsverfassung enthält. Diese Einteilung, die
Vorwegnahme der Literaturgeschichte vor Beginn der eigentlichen Darstellung, ist
außerordentlich zu begrüßen; denn hierdurch erspart sich der Versasser längere Aus¬
einandersetzungen mit der zahlreichen, zum Teil älteren Literatur über sein Problem
in der Darstellung selbst. Below beginnt diesen ersten Teil mit den Schriften
C. L. von Hallers, der Wort und Begriff "Patrimonialstaat" geprägt und einen
großen Einfluß auf die nachfolgende Literatur ausgeübt hat. Im weiteren Verlauf
des literaturgeschichtlichen Überblickes wird die Stellung der Staatsrechtslehrer zu
der von Haller gegebenen Darstellung und Auffassung des Staates und sodann
die Erweiterung des Problems geschildert, wie sie sich namentlich unter dem Ein¬
fluß der großen Rechtshistoriker Waitz, Roth, Merke und Sohn vollzogen hat.

In der systematischen Darstellung der Verfassung des deutschen Staats im
Mittelalter sucht Below die beiden Fragen zu beantworten: dürfen wir dem
deutschen Mittelalter einen Staat zuschreiben, und welche Ausdehnung haben die
spezifisch staatlichen Rechte in unserer alten Reichsverfassung gehabt? Er kommt
hierbei zu dem Ergebnis, daß das Mittelalter einen Staat im vollen Sinne deS
Wortes und ein öffentliches Recht gekannt hat, daß die staatlichen Elemente in




Neue Bücher

G. von Below: „Der deutsche Staat des Mittelalteis. Ein, Grundriß der deutschen
Verfassungsgeschichte." (Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig 1914, Preis
10 M.)

Der als Herausgeber der „Vierteljahrsschrift für Sozial-und Wirtschafts¬
geschichte" bekannte Freiburger Universitätsprofessor läßt mit diesem Buche eine
Arbeit erscheinen, die sowohl für den Historiker wie auch für den Juristen von
großem Interesse ist. Der Verfasser hat sich in seinem Werke, von dem bisher
nur der erste Band vorliegt, der die allgemeinen Fragen behandelt, die Aufgabe
gestellt, den Staat des Mittelalters als Staat, die mittelalterliche Verfassung als
staatliche Verfassung darzutun und abzugrenzen, indem er sowohl das, was die
alte Verfassung von der neueren trennt, als auch dasjenige heraushebt, was sie
mit ihr verbindet. Es sollen, wie sich Below im Vorwort ausdrückt, „das mittel¬
alterliche Staatsrecht als öffentliches Recht und zugleich die Besonderheit des mittel¬
alterlichen öffentlichen Rechts dargelegt werden."

Wenn die Belowsche Arbeit auch in erster Linie dem Mittelalter gewidmet
ist, so war es doch notwendig, fast überall bis in die Verhältnisse der Urzeit zurück¬
zugreifen, da das Mittelalter nicht als scharf abgegrenztes Zeitalter gefaßt werden
kann, sondern die Verhältnisse des Altertums mehr oder weniger in das Mittel-
alter hinübergreifen. Andererseits bot sich dem Verfasser wiederholt Gelegenheit,
das neuere Verfassungsrecht zum Vergleich heranzuziehen.

Der bisher erschienene I. Band des Werkes zerfällt in zwei Teile, von denen
der erste die Literaturgeschichte des Problems behandelt, während der zweite Teil
die systematische Darstellung der Reichsverfassung enthält. Diese Einteilung, die
Vorwegnahme der Literaturgeschichte vor Beginn der eigentlichen Darstellung, ist
außerordentlich zu begrüßen; denn hierdurch erspart sich der Versasser längere Aus¬
einandersetzungen mit der zahlreichen, zum Teil älteren Literatur über sein Problem
in der Darstellung selbst. Below beginnt diesen ersten Teil mit den Schriften
C. L. von Hallers, der Wort und Begriff „Patrimonialstaat" geprägt und einen
großen Einfluß auf die nachfolgende Literatur ausgeübt hat. Im weiteren Verlauf
des literaturgeschichtlichen Überblickes wird die Stellung der Staatsrechtslehrer zu
der von Haller gegebenen Darstellung und Auffassung des Staates und sodann
die Erweiterung des Problems geschildert, wie sie sich namentlich unter dem Ein¬
fluß der großen Rechtshistoriker Waitz, Roth, Merke und Sohn vollzogen hat.

In der systematischen Darstellung der Verfassung des deutschen Staats im
Mittelalter sucht Below die beiden Fragen zu beantworten: dürfen wir dem
deutschen Mittelalter einen Staat zuschreiben, und welche Ausdehnung haben die
spezifisch staatlichen Rechte in unserer alten Reichsverfassung gehabt? Er kommt
hierbei zu dem Ergebnis, daß das Mittelalter einen Staat im vollen Sinne deS
Wortes und ein öffentliches Recht gekannt hat, daß die staatlichen Elemente in


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[0297] [Abbildung] Neue Bücher G. von Below: „Der deutsche Staat des Mittelalteis. Ein, Grundriß der deutschen Verfassungsgeschichte." (Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig 1914, Preis 10 M.) Der als Herausgeber der „Vierteljahrsschrift für Sozial-und Wirtschafts¬ geschichte" bekannte Freiburger Universitätsprofessor läßt mit diesem Buche eine Arbeit erscheinen, die sowohl für den Historiker wie auch für den Juristen von großem Interesse ist. Der Verfasser hat sich in seinem Werke, von dem bisher nur der erste Band vorliegt, der die allgemeinen Fragen behandelt, die Aufgabe gestellt, den Staat des Mittelalters als Staat, die mittelalterliche Verfassung als staatliche Verfassung darzutun und abzugrenzen, indem er sowohl das, was die alte Verfassung von der neueren trennt, als auch dasjenige heraushebt, was sie mit ihr verbindet. Es sollen, wie sich Below im Vorwort ausdrückt, „das mittel¬ alterliche Staatsrecht als öffentliches Recht und zugleich die Besonderheit des mittel¬ alterlichen öffentlichen Rechts dargelegt werden." Wenn die Belowsche Arbeit auch in erster Linie dem Mittelalter gewidmet ist, so war es doch notwendig, fast überall bis in die Verhältnisse der Urzeit zurück¬ zugreifen, da das Mittelalter nicht als scharf abgegrenztes Zeitalter gefaßt werden kann, sondern die Verhältnisse des Altertums mehr oder weniger in das Mittel- alter hinübergreifen. Andererseits bot sich dem Verfasser wiederholt Gelegenheit, das neuere Verfassungsrecht zum Vergleich heranzuziehen. Der bisher erschienene I. Band des Werkes zerfällt in zwei Teile, von denen der erste die Literaturgeschichte des Problems behandelt, während der zweite Teil die systematische Darstellung der Reichsverfassung enthält. Diese Einteilung, die Vorwegnahme der Literaturgeschichte vor Beginn der eigentlichen Darstellung, ist außerordentlich zu begrüßen; denn hierdurch erspart sich der Versasser längere Aus¬ einandersetzungen mit der zahlreichen, zum Teil älteren Literatur über sein Problem in der Darstellung selbst. Below beginnt diesen ersten Teil mit den Schriften C. L. von Hallers, der Wort und Begriff „Patrimonialstaat" geprägt und einen großen Einfluß auf die nachfolgende Literatur ausgeübt hat. Im weiteren Verlauf des literaturgeschichtlichen Überblickes wird die Stellung der Staatsrechtslehrer zu der von Haller gegebenen Darstellung und Auffassung des Staates und sodann die Erweiterung des Problems geschildert, wie sie sich namentlich unter dem Ein¬ fluß der großen Rechtshistoriker Waitz, Roth, Merke und Sohn vollzogen hat. In der systematischen Darstellung der Verfassung des deutschen Staats im Mittelalter sucht Below die beiden Fragen zu beantworten: dürfen wir dem deutschen Mittelalter einen Staat zuschreiben, und welche Ausdehnung haben die spezifisch staatlichen Rechte in unserer alten Reichsverfassung gehabt? Er kommt hierbei zu dem Ergebnis, daß das Mittelalter einen Staat im vollen Sinne deS Wortes und ein öffentliches Recht gekannt hat, daß die staatlichen Elemente in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/297>, abgerufen am 02.05.2024.