Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

großer Zahl auch da zum Vorschein kommen, wo das Privatrecht die Situation
zu beherrschen scheint. In dem I. Bande kommen zunächst die wirtschaftlichen
Voraussetzungen der deutschen Verfassung im Mittelalter zur Darstellung und im
Anschluß an dieses einleitende Kapitel die Verfassung des Reichs, von der in diesem
Bande das Reichsgebiet, der Herrscher, der König und die Reichspersönlichkeit, der
Staatszweck, der Untertanenverband und die Natur der staatlichen Herrschaft be¬
sprochen werden. Von besonderem Interesse ist die Untersuchung über das Wesen
und die Entstehung des Feudalismus, dessen Ursachen Below nicht allein in den
wirtschaftlichen Verhältnissen sieht, wie es die meisten neueren Historiker, unter
ihnen auch Lamprecht, tun.

Es ist leider nicht möglich, hier ausführlicher auf die außerordentlich lesens¬
werten Ausführungen Belows einzugehen. Wir können nur den Wunsch aus¬
sprechen, daß der zweite Band dieses Werkes, das leider durch den Krieg eine
kleine Unterbrechung erfahren hat, recht bald erscheinen möge.


Dr. Amt Ld. Imberg


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Ich weiß nicht, ob es vielen so geht: es
hat nach meinem Empfinden für Front¬
soldaten etwas Verletzendes, wenn über
"Kriegergrabmäler" lang und breit dis¬
kutiert wird; Erörterungen vollends, ob im
Grab- und Denkmalsstil der Klassizismus
oder der Naturalismus oder noch andere
,,-ihnen" vorwalten solle,-, wirken heute, zu
einer Zeit, da nicht abzusehen ist, wieviel
dorngekrönte Anwartschaften auf solche Er¬
innerungszeichen noch erstehen mögen, bei¬
nahe zynisch. Die Kunst muß auch im Kriege
ihr Brot verdienen, gewiß. Aber könnte sie
nicht ein wenig mehr das Leben der Lebenden
zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit machen,
statt den Blutzoll der Zeit so sehr in den
Mittelpunkt ihres Wirkens und Strebens zu
rücken?

Gar mancher Kunstfreund wird diese
soldatischen Randbemerkungen mit über¬
legenem Augurenlächeln lesen und um Gegen-
gründe nicht verlegen sein. Den um Ge¬
fallene Trauernden werde durch Erörterung
solcher Fragen und kritische Ausführungen
ein Dienst erwiesen und guter Rat erteilt?
NeinI Sie empfinden es als unziemliche
Einmischung in eine Sache, die nur sie, sie


[Ende Spaltensatz]


großer Zahl auch da zum Vorschein kommen, wo das Privatrecht die Situation
zu beherrschen scheint. In dem I. Bande kommen zunächst die wirtschaftlichen
Voraussetzungen der deutschen Verfassung im Mittelalter zur Darstellung und im
Anschluß an dieses einleitende Kapitel die Verfassung des Reichs, von der in diesem
Bande das Reichsgebiet, der Herrscher, der König und die Reichspersönlichkeit, der
Staatszweck, der Untertanenverband und die Natur der staatlichen Herrschaft be¬
sprochen werden. Von besonderem Interesse ist die Untersuchung über das Wesen
und die Entstehung des Feudalismus, dessen Ursachen Below nicht allein in den
wirtschaftlichen Verhältnissen sieht, wie es die meisten neueren Historiker, unter
ihnen auch Lamprecht, tun.

Es ist leider nicht möglich, hier ausführlicher auf die außerordentlich lesens¬
werten Ausführungen Belows einzugehen. Wir können nur den Wunsch aus¬
sprechen, daß der zweite Band dieses Werkes, das leider durch den Krieg eine
kleine Unterbrechung erfahren hat, recht bald erscheinen möge.


Dr. Amt Ld. Imberg


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Ich weiß nicht, ob es vielen so geht: es
hat nach meinem Empfinden für Front¬
soldaten etwas Verletzendes, wenn über
„Kriegergrabmäler" lang und breit dis¬
kutiert wird; Erörterungen vollends, ob im
Grab- und Denkmalsstil der Klassizismus
oder der Naturalismus oder noch andere
,,-ihnen" vorwalten solle,-, wirken heute, zu
einer Zeit, da nicht abzusehen ist, wieviel
dorngekrönte Anwartschaften auf solche Er¬
innerungszeichen noch erstehen mögen, bei¬
nahe zynisch. Die Kunst muß auch im Kriege
ihr Brot verdienen, gewiß. Aber könnte sie
nicht ein wenig mehr das Leben der Lebenden
zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit machen,
statt den Blutzoll der Zeit so sehr in den
Mittelpunkt ihres Wirkens und Strebens zu
rücken?

Gar mancher Kunstfreund wird diese
soldatischen Randbemerkungen mit über¬
legenem Augurenlächeln lesen und um Gegen-
gründe nicht verlegen sein. Den um Ge¬
fallene Trauernden werde durch Erörterung
solcher Fragen und kritische Ausführungen
ein Dienst erwiesen und guter Rat erteilt?
NeinI Sie empfinden es als unziemliche
Einmischung in eine Sache, die nur sie, sie


[Ende Spaltensatz]


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331706"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_935" prev="#ID_934"> großer Zahl auch da zum Vorschein kommen, wo das Privatrecht die Situation<lb/>
zu beherrschen scheint. In dem I. Bande kommen zunächst die wirtschaftlichen<lb/>
Voraussetzungen der deutschen Verfassung im Mittelalter zur Darstellung und im<lb/>
Anschluß an dieses einleitende Kapitel die Verfassung des Reichs, von der in diesem<lb/>
Bande das Reichsgebiet, der Herrscher, der König und die Reichspersönlichkeit, der<lb/>
Staatszweck, der Untertanenverband und die Natur der staatlichen Herrschaft be¬<lb/>
sprochen werden. Von besonderem Interesse ist die Untersuchung über das Wesen<lb/>
und die Entstehung des Feudalismus, dessen Ursachen Below nicht allein in den<lb/>
wirtschaftlichen Verhältnissen sieht, wie es die meisten neueren Historiker, unter<lb/>
ihnen auch Lamprecht, tun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_936"> Es ist leider nicht möglich, hier ausführlicher auf die außerordentlich lesens¬<lb/>
werten Ausführungen Belows einzugehen. Wir können nur den Wunsch aus¬<lb/>
sprechen, daß der zweite Band dieses Werkes, das leider durch den Krieg eine<lb/>
kleine Unterbrechung erfahren hat, recht bald erscheinen möge.</p><lb/>
          <note type="byline"> Dr. Amt Ld. Imberg</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/>
          <cb type="start"/>
          <div n="2">
            <head> Tagesfragen</head><lb/>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_937"> Ich weiß nicht, ob es vielen so geht: es<lb/>
hat nach meinem Empfinden für Front¬<lb/>
soldaten etwas Verletzendes, wenn über<lb/>
&#x201E;Kriegergrabmäler" lang und breit dis¬<lb/>
kutiert wird; Erörterungen vollends, ob im<lb/>
Grab- und Denkmalsstil der Klassizismus<lb/>
oder der Naturalismus oder noch andere<lb/>
,,-ihnen" vorwalten solle,-, wirken heute, zu<lb/>
einer Zeit, da nicht abzusehen ist, wieviel<lb/>
dorngekrönte Anwartschaften auf solche Er¬<lb/>
innerungszeichen noch erstehen mögen, bei¬<lb/>
nahe zynisch. Die Kunst muß auch im Kriege<lb/>
ihr Brot verdienen, gewiß. Aber könnte sie<lb/>
nicht ein wenig mehr das Leben der Lebenden<lb/>
zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit machen,<lb/>
statt den Blutzoll der Zeit so sehr in den<lb/>
Mittelpunkt ihres Wirkens und Strebens zu<lb/>
rücken?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_938"> Gar mancher Kunstfreund wird diese<lb/>
soldatischen Randbemerkungen mit über¬<lb/>
legenem Augurenlächeln lesen und um Gegen-<lb/>
gründe nicht verlegen sein. Den um Ge¬<lb/>
fallene Trauernden werde durch Erörterung<lb/>
solcher Fragen und kritische Ausführungen<lb/>
ein Dienst erwiesen und guter Rat erteilt?<lb/>
NeinI Sie empfinden es als unziemliche<lb/>
Einmischung in eine Sache, die nur sie, sie</p><lb/>
            <cb type="end"/><lb/>
            <p xml:id="ID_939" next="#ID_940"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] großer Zahl auch da zum Vorschein kommen, wo das Privatrecht die Situation zu beherrschen scheint. In dem I. Bande kommen zunächst die wirtschaftlichen Voraussetzungen der deutschen Verfassung im Mittelalter zur Darstellung und im Anschluß an dieses einleitende Kapitel die Verfassung des Reichs, von der in diesem Bande das Reichsgebiet, der Herrscher, der König und die Reichspersönlichkeit, der Staatszweck, der Untertanenverband und die Natur der staatlichen Herrschaft be¬ sprochen werden. Von besonderem Interesse ist die Untersuchung über das Wesen und die Entstehung des Feudalismus, dessen Ursachen Below nicht allein in den wirtschaftlichen Verhältnissen sieht, wie es die meisten neueren Historiker, unter ihnen auch Lamprecht, tun. Es ist leider nicht möglich, hier ausführlicher auf die außerordentlich lesens¬ werten Ausführungen Belows einzugehen. Wir können nur den Wunsch aus¬ sprechen, daß der zweite Band dieses Werkes, das leider durch den Krieg eine kleine Unterbrechung erfahren hat, recht bald erscheinen möge. Dr. Amt Ld. Imberg Maßgebliches und Unmaßgebliches Tagesfragen Ich weiß nicht, ob es vielen so geht: es hat nach meinem Empfinden für Front¬ soldaten etwas Verletzendes, wenn über „Kriegergrabmäler" lang und breit dis¬ kutiert wird; Erörterungen vollends, ob im Grab- und Denkmalsstil der Klassizismus oder der Naturalismus oder noch andere ,,-ihnen" vorwalten solle,-, wirken heute, zu einer Zeit, da nicht abzusehen ist, wieviel dorngekrönte Anwartschaften auf solche Er¬ innerungszeichen noch erstehen mögen, bei¬ nahe zynisch. Die Kunst muß auch im Kriege ihr Brot verdienen, gewiß. Aber könnte sie nicht ein wenig mehr das Leben der Lebenden zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit machen, statt den Blutzoll der Zeit so sehr in den Mittelpunkt ihres Wirkens und Strebens zu rücken? Gar mancher Kunstfreund wird diese soldatischen Randbemerkungen mit über¬ legenem Augurenlächeln lesen und um Gegen- gründe nicht verlegen sein. Den um Ge¬ fallene Trauernden werde durch Erörterung solcher Fragen und kritische Ausführungen ein Dienst erwiesen und guter Rat erteilt? NeinI Sie empfinden es als unziemliche Einmischung in eine Sache, die nur sie, sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/298>, abgerufen am 18.05.2024.