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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der Mielkeschen Kunstgeschichte folgt eine Übersicht über die literaturgeschicht¬
liche Entwicklung der Provinz Brandenburg von Paul Alfred Merbach. Der
Verfasser geht dabei von dem Grundsatze aus, daß das Wesen der einzelnen
deutschen Landschaft nur mit Hilfe der provinziellen Literaturgeschichte ergründet
werden kann und meint, daß es verhältnismäßig lange gedauert hat, bis
Brandenburg an der allgemeinen deutschen literarischen Entwicklung einen be¬
scheidenen Anteil gewonnen habe. Während die schaffende Beschäftigung mit
literarischen Dingen in der althochdeutscher Zeit vom Süden her bis an den
Harz vordrang, und die mittelhochdeutsche Zeit sich um die Kulturstraßen des
Rheins, der Elbe und der Donau gruppierte, auch die Reformationszeit sich
literarisch ganz im Westen abspielte, verteilt sich erst spät das literarische Leben
auf einzelne Städte, die es schließlich als Großstädte fast vollständig an sich
reißen. Aber trotz dieser sür die Mark Brandenburg nicht günstigen Vergangen¬
heit zieht Merbach manche vergessene Dichtung an das Licht und würdigt viele
Dichter, die bisher kaum dem Namen nach bekannt gewesen sind, gibt auch zahl¬
reiche Proben zur Beurteilung wieder. Dabei würdigt er auch z. B. die Lehninische
Weissagung und die darüber bis heute noch fortgeführte Literatur, sowie die
Bedeutung Berlins als Mittelpunkt wissenschaftlicher und literarischer Tätigkeit
in der Gegenwart.

Im Anschlusse an die Merbachsche Literaturgeschichte gibt Dr. Kurt Sachs
im dritten Abschnitte eine Übersicht über die Musikgeschichte, die nach seiner Auf¬
fassung vorwiegend eine Musikgeschichte bleiben nutz, solange es noch an der
Darstellung einer märkischen Musikgeschichte sehlt. die nur mit Hilfe örtlicher
Forschungen entstehe" kann. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet der Ver¬
fasser die Geschichte der Musik bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts und
von da bis zur Gegenwart, im einzelnen kommt dabei die Oper, das Konzert¬
wesen, das Unterrichtswesen, die Musikwissenschaft und der Jnstrumentenbau in
Frage.

Der Abschluß des Bandes bringt eine Geschichte des Bildungs- und Er¬
ziehungswesens, aljo der engeren Wissenschaft und geistigen Tätigkeit von
Dr. Richard Galle. Auch hier wird zunächst der vorreformatorischen Zeit gedacht,
dann der Reformation selbst und der sich daran anschließenden kirchlichen Kämpfe.
Nach diesen löste sich das Bildungswesen von der Kirche los, und an deren Stelle
trat auch auf diesem Gebiete die Staatshoheit, die mit ihren Mitteln die Akademie
der Wissenschaften und die Landesuniversität gründen und manche private wissen¬
schaftliche Regung fördern konnte, über alles dieses belehrt der Verfasser in
gründlichster Weise und gibt ein stolzes Bild der brandenburgischen Kultur¬
verhältnisse.

Der neue Band ist somit, wie die drei ersten Bände, ein wichtiges Handbuch
mit reichem Stoffe und verdient bei den Freunden heimatlicher Bestrebungen
R. Arieg volle Beachtung.


Christian Friedrich Weiser: "Shaftesbury und das deutsche Geistesleben."
B. G. Teubner in Leipzig und Berlin, Preis 10 M.

Keiner der geistigen Führer des Auslandes im siebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert hat auf die deutsche Dichtung und die Gedankenwelt unseres klassischen


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Der Mielkeschen Kunstgeschichte folgt eine Übersicht über die literaturgeschicht¬
liche Entwicklung der Provinz Brandenburg von Paul Alfred Merbach. Der
Verfasser geht dabei von dem Grundsatze aus, daß das Wesen der einzelnen
deutschen Landschaft nur mit Hilfe der provinziellen Literaturgeschichte ergründet
werden kann und meint, daß es verhältnismäßig lange gedauert hat, bis
Brandenburg an der allgemeinen deutschen literarischen Entwicklung einen be¬
scheidenen Anteil gewonnen habe. Während die schaffende Beschäftigung mit
literarischen Dingen in der althochdeutscher Zeit vom Süden her bis an den
Harz vordrang, und die mittelhochdeutsche Zeit sich um die Kulturstraßen des
Rheins, der Elbe und der Donau gruppierte, auch die Reformationszeit sich
literarisch ganz im Westen abspielte, verteilt sich erst spät das literarische Leben
auf einzelne Städte, die es schließlich als Großstädte fast vollständig an sich
reißen. Aber trotz dieser sür die Mark Brandenburg nicht günstigen Vergangen¬
heit zieht Merbach manche vergessene Dichtung an das Licht und würdigt viele
Dichter, die bisher kaum dem Namen nach bekannt gewesen sind, gibt auch zahl¬
reiche Proben zur Beurteilung wieder. Dabei würdigt er auch z. B. die Lehninische
Weissagung und die darüber bis heute noch fortgeführte Literatur, sowie die
Bedeutung Berlins als Mittelpunkt wissenschaftlicher und literarischer Tätigkeit
in der Gegenwart.

Im Anschlusse an die Merbachsche Literaturgeschichte gibt Dr. Kurt Sachs
im dritten Abschnitte eine Übersicht über die Musikgeschichte, die nach seiner Auf¬
fassung vorwiegend eine Musikgeschichte bleiben nutz, solange es noch an der
Darstellung einer märkischen Musikgeschichte sehlt. die nur mit Hilfe örtlicher
Forschungen entstehe» kann. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet der Ver¬
fasser die Geschichte der Musik bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts und
von da bis zur Gegenwart, im einzelnen kommt dabei die Oper, das Konzert¬
wesen, das Unterrichtswesen, die Musikwissenschaft und der Jnstrumentenbau in
Frage.

Der Abschluß des Bandes bringt eine Geschichte des Bildungs- und Er¬
ziehungswesens, aljo der engeren Wissenschaft und geistigen Tätigkeit von
Dr. Richard Galle. Auch hier wird zunächst der vorreformatorischen Zeit gedacht,
dann der Reformation selbst und der sich daran anschließenden kirchlichen Kämpfe.
Nach diesen löste sich das Bildungswesen von der Kirche los, und an deren Stelle
trat auch auf diesem Gebiete die Staatshoheit, die mit ihren Mitteln die Akademie
der Wissenschaften und die Landesuniversität gründen und manche private wissen¬
schaftliche Regung fördern konnte, über alles dieses belehrt der Verfasser in
gründlichster Weise und gibt ein stolzes Bild der brandenburgischen Kultur¬
verhältnisse.

Der neue Band ist somit, wie die drei ersten Bände, ein wichtiges Handbuch
mit reichem Stoffe und verdient bei den Freunden heimatlicher Bestrebungen
R. Arieg volle Beachtung.


Christian Friedrich Weiser: „Shaftesbury und das deutsche Geistesleben."
B. G. Teubner in Leipzig und Berlin, Preis 10 M.

Keiner der geistigen Führer des Auslandes im siebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert hat auf die deutsche Dichtung und die Gedankenwelt unseres klassischen


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[0330] Neue Bücher Der Mielkeschen Kunstgeschichte folgt eine Übersicht über die literaturgeschicht¬ liche Entwicklung der Provinz Brandenburg von Paul Alfred Merbach. Der Verfasser geht dabei von dem Grundsatze aus, daß das Wesen der einzelnen deutschen Landschaft nur mit Hilfe der provinziellen Literaturgeschichte ergründet werden kann und meint, daß es verhältnismäßig lange gedauert hat, bis Brandenburg an der allgemeinen deutschen literarischen Entwicklung einen be¬ scheidenen Anteil gewonnen habe. Während die schaffende Beschäftigung mit literarischen Dingen in der althochdeutscher Zeit vom Süden her bis an den Harz vordrang, und die mittelhochdeutsche Zeit sich um die Kulturstraßen des Rheins, der Elbe und der Donau gruppierte, auch die Reformationszeit sich literarisch ganz im Westen abspielte, verteilt sich erst spät das literarische Leben auf einzelne Städte, die es schließlich als Großstädte fast vollständig an sich reißen. Aber trotz dieser sür die Mark Brandenburg nicht günstigen Vergangen¬ heit zieht Merbach manche vergessene Dichtung an das Licht und würdigt viele Dichter, die bisher kaum dem Namen nach bekannt gewesen sind, gibt auch zahl¬ reiche Proben zur Beurteilung wieder. Dabei würdigt er auch z. B. die Lehninische Weissagung und die darüber bis heute noch fortgeführte Literatur, sowie die Bedeutung Berlins als Mittelpunkt wissenschaftlicher und literarischer Tätigkeit in der Gegenwart. Im Anschlusse an die Merbachsche Literaturgeschichte gibt Dr. Kurt Sachs im dritten Abschnitte eine Übersicht über die Musikgeschichte, die nach seiner Auf¬ fassung vorwiegend eine Musikgeschichte bleiben nutz, solange es noch an der Darstellung einer märkischen Musikgeschichte sehlt. die nur mit Hilfe örtlicher Forschungen entstehe» kann. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet der Ver¬ fasser die Geschichte der Musik bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts und von da bis zur Gegenwart, im einzelnen kommt dabei die Oper, das Konzert¬ wesen, das Unterrichtswesen, die Musikwissenschaft und der Jnstrumentenbau in Frage. Der Abschluß des Bandes bringt eine Geschichte des Bildungs- und Er¬ ziehungswesens, aljo der engeren Wissenschaft und geistigen Tätigkeit von Dr. Richard Galle. Auch hier wird zunächst der vorreformatorischen Zeit gedacht, dann der Reformation selbst und der sich daran anschließenden kirchlichen Kämpfe. Nach diesen löste sich das Bildungswesen von der Kirche los, und an deren Stelle trat auch auf diesem Gebiete die Staatshoheit, die mit ihren Mitteln die Akademie der Wissenschaften und die Landesuniversität gründen und manche private wissen¬ schaftliche Regung fördern konnte, über alles dieses belehrt der Verfasser in gründlichster Weise und gibt ein stolzes Bild der brandenburgischen Kultur¬ verhältnisse. Der neue Band ist somit, wie die drei ersten Bände, ein wichtiges Handbuch mit reichem Stoffe und verdient bei den Freunden heimatlicher Bestrebungen R. Arieg volle Beachtung. Christian Friedrich Weiser: „Shaftesbury und das deutsche Geistesleben." B. G. Teubner in Leipzig und Berlin, Preis 10 M. Keiner der geistigen Führer des Auslandes im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hat auf die deutsche Dichtung und die Gedankenwelt unseres klassischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/330>, abgerufen am 02.05.2024.