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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Ist England stenermüde geworden?

ob in ihren Gedanken, wenn man sie auf den ausländischen Betrieb der Partei¬
konferenzen anwendet, derartige Motive mitgewirkt hätten. Bei den wirklichen
Friedensverhandlungen wird es sich zeigen. Und es wird sich dann zeigen,
wie sich bei uns die Volksmassen selber mit ihren politisch-sozialen Instinkten
verhalten. Mindestens ebensoviel wie zu Beginn des Krieges von der Haltung
der Sozialdemokratie für unsere äußere Kraftentwicklung abhing, wird beim
Friedensschluß für unsere innere Entwicklung von dieser Haltung abhängen.
Dann erst kann es sich ganz offenbaren, ob die Sozialdemokratie in der Tat
einen solchen Lebensgeist in sich hat, der sie befähigt und zwingt, zu einer
gereinigten Partei mit einem unbefangenen Bekenntnis zum Staatsgedanken
über den Ständen und Klassen zu werden. Tritt dieser Fall aber ein, dann
handelt es sich für das Reich und das Königreich Preußen darum, den Keim
nicht zu stören und ihn fruchtbar werden zu lassen.




Ist England steuermüde geworden?
Dr. Glier von
I.

chon im Frieden hat Großbritannien neben einer hohen, aus¬
schließlich aus Kriegen, nicht aus dem Bau von werbenden An¬
lagen stammenden Staatsschuld eine sehr schwere Steuerlast zu
tragen gehabt. Der Krieg hat beide ungemessen gesteigert.

Im Rechnungsjahre 1913/14 hatte der Schatzkanzler ins¬
gesamt 198 Millionen Pfund Sterling vereinnahmt. Für 1914/15 erwartete
er nach dem vor Kriegsausbruch aufgestellten Budget 207 Millionen Pfund
Sterling, also etwas über 4 Milliarden Mark. Er schrieb dann im November
1914 neue Steuern aus und glaubte daraufhin mit Einnahmen in der Höhe
von 214 Millionen Pfund Sterling rechnen zu können. Tatsächlich hat er
227 Millionen Pfund Sterling oder rund 4^ Milliarden Mark eingenommen.

Im nächsten Finanzjahr (1915/16) sind als Folge weiterer Kriegssteuern
neue 110 Millionen Pfund Sterling (337 Millionen Pfund Sterling oder
6^ Milliarden Mark) in feinen Säckel geflossen.

Während 1916/17 hoffte er (er hatte im April 1916 zum dritten Male
Kriegssteuern ausgeschrieben) 500 Millionen Pfund Sterling oder 10 Milliarden


Ist England stenermüde geworden?

ob in ihren Gedanken, wenn man sie auf den ausländischen Betrieb der Partei¬
konferenzen anwendet, derartige Motive mitgewirkt hätten. Bei den wirklichen
Friedensverhandlungen wird es sich zeigen. Und es wird sich dann zeigen,
wie sich bei uns die Volksmassen selber mit ihren politisch-sozialen Instinkten
verhalten. Mindestens ebensoviel wie zu Beginn des Krieges von der Haltung
der Sozialdemokratie für unsere äußere Kraftentwicklung abhing, wird beim
Friedensschluß für unsere innere Entwicklung von dieser Haltung abhängen.
Dann erst kann es sich ganz offenbaren, ob die Sozialdemokratie in der Tat
einen solchen Lebensgeist in sich hat, der sie befähigt und zwingt, zu einer
gereinigten Partei mit einem unbefangenen Bekenntnis zum Staatsgedanken
über den Ständen und Klassen zu werden. Tritt dieser Fall aber ein, dann
handelt es sich für das Reich und das Königreich Preußen darum, den Keim
nicht zu stören und ihn fruchtbar werden zu lassen.




Ist England steuermüde geworden?
Dr. Glier von
I.

chon im Frieden hat Großbritannien neben einer hohen, aus¬
schließlich aus Kriegen, nicht aus dem Bau von werbenden An¬
lagen stammenden Staatsschuld eine sehr schwere Steuerlast zu
tragen gehabt. Der Krieg hat beide ungemessen gesteigert.

Im Rechnungsjahre 1913/14 hatte der Schatzkanzler ins¬
gesamt 198 Millionen Pfund Sterling vereinnahmt. Für 1914/15 erwartete
er nach dem vor Kriegsausbruch aufgestellten Budget 207 Millionen Pfund
Sterling, also etwas über 4 Milliarden Mark. Er schrieb dann im November
1914 neue Steuern aus und glaubte daraufhin mit Einnahmen in der Höhe
von 214 Millionen Pfund Sterling rechnen zu können. Tatsächlich hat er
227 Millionen Pfund Sterling oder rund 4^ Milliarden Mark eingenommen.

Im nächsten Finanzjahr (1915/16) sind als Folge weiterer Kriegssteuern
neue 110 Millionen Pfund Sterling (337 Millionen Pfund Sterling oder
6^ Milliarden Mark) in feinen Säckel geflossen.

Während 1916/17 hoffte er (er hatte im April 1916 zum dritten Male
Kriegssteuern ausgeschrieben) 500 Millionen Pfund Sterling oder 10 Milliarden


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[0409] Ist England stenermüde geworden? ob in ihren Gedanken, wenn man sie auf den ausländischen Betrieb der Partei¬ konferenzen anwendet, derartige Motive mitgewirkt hätten. Bei den wirklichen Friedensverhandlungen wird es sich zeigen. Und es wird sich dann zeigen, wie sich bei uns die Volksmassen selber mit ihren politisch-sozialen Instinkten verhalten. Mindestens ebensoviel wie zu Beginn des Krieges von der Haltung der Sozialdemokratie für unsere äußere Kraftentwicklung abhing, wird beim Friedensschluß für unsere innere Entwicklung von dieser Haltung abhängen. Dann erst kann es sich ganz offenbaren, ob die Sozialdemokratie in der Tat einen solchen Lebensgeist in sich hat, der sie befähigt und zwingt, zu einer gereinigten Partei mit einem unbefangenen Bekenntnis zum Staatsgedanken über den Ständen und Klassen zu werden. Tritt dieser Fall aber ein, dann handelt es sich für das Reich und das Königreich Preußen darum, den Keim nicht zu stören und ihn fruchtbar werden zu lassen. Ist England steuermüde geworden? Dr. Glier von I. chon im Frieden hat Großbritannien neben einer hohen, aus¬ schließlich aus Kriegen, nicht aus dem Bau von werbenden An¬ lagen stammenden Staatsschuld eine sehr schwere Steuerlast zu tragen gehabt. Der Krieg hat beide ungemessen gesteigert. Im Rechnungsjahre 1913/14 hatte der Schatzkanzler ins¬ gesamt 198 Millionen Pfund Sterling vereinnahmt. Für 1914/15 erwartete er nach dem vor Kriegsausbruch aufgestellten Budget 207 Millionen Pfund Sterling, also etwas über 4 Milliarden Mark. Er schrieb dann im November 1914 neue Steuern aus und glaubte daraufhin mit Einnahmen in der Höhe von 214 Millionen Pfund Sterling rechnen zu können. Tatsächlich hat er 227 Millionen Pfund Sterling oder rund 4^ Milliarden Mark eingenommen. Im nächsten Finanzjahr (1915/16) sind als Folge weiterer Kriegssteuern neue 110 Millionen Pfund Sterling (337 Millionen Pfund Sterling oder 6^ Milliarden Mark) in feinen Säckel geflossen. Während 1916/17 hoffte er (er hatte im April 1916 zum dritten Male Kriegssteuern ausgeschrieben) 500 Millionen Pfund Sterling oder 10 Milliarden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/409>, abgerufen am 09.05.2024.