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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Ist England steuermüde geworden?

Mark hereinzubringen; 570 Millionen Pfund Sterling oder 11^ Milliarden
Mark sind es geworden.

Vor kurzem hat der Schatzkanzler dem englischen Unterhaus mit dem Budget
für 1917/18 das vierte Kriegssteuergesetz vorgelegt und dabei die Einnahmen
auf 638 Millionen Pfund Sterling oder 12^ Milliarden Mark beziffert. Mit
anderen Worten: er rechnet damit, daß er im vierten Kriegsjahre über reichlich
dreimal soviel laufende Einnahmen wie in der Zeit vor dem Kriege werde ver¬
fügen können.

Mancher wird an der Hand der Tatsache, daß bisher jedes in den Krieg
fallende Finanzjahr dem englischen Schatzkanzler mehr Einnahmen gebracht hat,
als er erwartet hatte, zu der Annahme neigen, daß auch das Finanzjahr
1917/18, einen den Voranschlag übersteigenden Ertrag liefern werde. Wahr¬
scheinlich aber trügt diesmal eine solche Rechnung. Es besteht vielmehr Grund
zu der Annahme, daß die deutschen U-Boote eine Korrektur der er¬
warteten englischen Einnahmen nach unten zu vornehmen werden. Der Schatz-
kanzler hat bei der Aufstellung seines Budgets schon etwas "vorgebeugt"; hoffen
wir, daß die U-Boote einen weiteren Abbau seiner Ziffern, der sich sehen lassen
kann, besorgen werden.

Die englischen Staatseinnahmen sind, wie oben gezeigt,von1913/14bis 1917/18
-- binnen vier Jahren -- durch fortgesetzte Erhöhung der bestehenden und
Schaffung neuer Steuern um weit über 8 Milliarden Mark gesteigert worden.
Etwas Derartiges hat die Welt noch nicht gesehen, vor drei Jahren überhaupt
nicht für möglich gehalten. Um sich von dem englischen Opfermut auf steuer¬
lichem Gebiete einen Begriff machen zu können, sei vergleichsweise festgestellt,
daß England jetzt in einem Jahre im Steuerwege den dreifachen Betrag von
dem aufbringt, was Frankreich nach dem Kriege von 1870/71 dem Deutschen
Reiche als Kriegsentschädigung gezahlt hat! Das Dreifache der "berühmten"
4 Milliarden Mark, die Frankreich im Laufe von drei Jahren leistete und
natürlich auf Kredit nahm, bringt jetzt England binnen einem Jahre an laufenden
Einnahmen nicht im Kreditwege auf!

Vor dem Kriege hat die fundierte englische Staatsschuld rund 11^ Mil¬
liarden Mark betragen; und auf 12^ Milliarden Mark werden für 1917/18
die laufenden Einnahmen des englischen Schatzamtes veranschlagt. Sie würden
also hinreichen, um die fundierte englische Vorkriegsschuld mit einem Schlage
aus der Welt zu schaffen!

Sie würden auch hinreichen, um die Schuld des Deutschen Reiches nach
dem Stande am 31. März 1913 mehr als zweimal zu bezahlen.

Diese Gegenüberstellungen dürften ein anschauliches Bild von den un¬
geheueren, auf England jetzt ruhenden Steuerkasten vermitteln.

Und ist es schon wunderbar, daß die englische Regierung es wagte, dem
Volke mitten im Kriege eine solche Bürde aufzuhalsen, so ist es noch wunder¬
barer, daß diese unglaubliche, vor kurzem überhaupt nicht für möglich gehaltene


Ist England steuermüde geworden?

Mark hereinzubringen; 570 Millionen Pfund Sterling oder 11^ Milliarden
Mark sind es geworden.

Vor kurzem hat der Schatzkanzler dem englischen Unterhaus mit dem Budget
für 1917/18 das vierte Kriegssteuergesetz vorgelegt und dabei die Einnahmen
auf 638 Millionen Pfund Sterling oder 12^ Milliarden Mark beziffert. Mit
anderen Worten: er rechnet damit, daß er im vierten Kriegsjahre über reichlich
dreimal soviel laufende Einnahmen wie in der Zeit vor dem Kriege werde ver¬
fügen können.

Mancher wird an der Hand der Tatsache, daß bisher jedes in den Krieg
fallende Finanzjahr dem englischen Schatzkanzler mehr Einnahmen gebracht hat,
als er erwartet hatte, zu der Annahme neigen, daß auch das Finanzjahr
1917/18, einen den Voranschlag übersteigenden Ertrag liefern werde. Wahr¬
scheinlich aber trügt diesmal eine solche Rechnung. Es besteht vielmehr Grund
zu der Annahme, daß die deutschen U-Boote eine Korrektur der er¬
warteten englischen Einnahmen nach unten zu vornehmen werden. Der Schatz-
kanzler hat bei der Aufstellung seines Budgets schon etwas „vorgebeugt"; hoffen
wir, daß die U-Boote einen weiteren Abbau seiner Ziffern, der sich sehen lassen
kann, besorgen werden.

Die englischen Staatseinnahmen sind, wie oben gezeigt,von1913/14bis 1917/18
— binnen vier Jahren — durch fortgesetzte Erhöhung der bestehenden und
Schaffung neuer Steuern um weit über 8 Milliarden Mark gesteigert worden.
Etwas Derartiges hat die Welt noch nicht gesehen, vor drei Jahren überhaupt
nicht für möglich gehalten. Um sich von dem englischen Opfermut auf steuer¬
lichem Gebiete einen Begriff machen zu können, sei vergleichsweise festgestellt,
daß England jetzt in einem Jahre im Steuerwege den dreifachen Betrag von
dem aufbringt, was Frankreich nach dem Kriege von 1870/71 dem Deutschen
Reiche als Kriegsentschädigung gezahlt hat! Das Dreifache der „berühmten"
4 Milliarden Mark, die Frankreich im Laufe von drei Jahren leistete und
natürlich auf Kredit nahm, bringt jetzt England binnen einem Jahre an laufenden
Einnahmen nicht im Kreditwege auf!

Vor dem Kriege hat die fundierte englische Staatsschuld rund 11^ Mil¬
liarden Mark betragen; und auf 12^ Milliarden Mark werden für 1917/18
die laufenden Einnahmen des englischen Schatzamtes veranschlagt. Sie würden
also hinreichen, um die fundierte englische Vorkriegsschuld mit einem Schlage
aus der Welt zu schaffen!

Sie würden auch hinreichen, um die Schuld des Deutschen Reiches nach
dem Stande am 31. März 1913 mehr als zweimal zu bezahlen.

Diese Gegenüberstellungen dürften ein anschauliches Bild von den un¬
geheueren, auf England jetzt ruhenden Steuerkasten vermitteln.

Und ist es schon wunderbar, daß die englische Regierung es wagte, dem
Volke mitten im Kriege eine solche Bürde aufzuhalsen, so ist es noch wunder¬
barer, daß diese unglaubliche, vor kurzem überhaupt nicht für möglich gehaltene


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[0410] Ist England steuermüde geworden? Mark hereinzubringen; 570 Millionen Pfund Sterling oder 11^ Milliarden Mark sind es geworden. Vor kurzem hat der Schatzkanzler dem englischen Unterhaus mit dem Budget für 1917/18 das vierte Kriegssteuergesetz vorgelegt und dabei die Einnahmen auf 638 Millionen Pfund Sterling oder 12^ Milliarden Mark beziffert. Mit anderen Worten: er rechnet damit, daß er im vierten Kriegsjahre über reichlich dreimal soviel laufende Einnahmen wie in der Zeit vor dem Kriege werde ver¬ fügen können. Mancher wird an der Hand der Tatsache, daß bisher jedes in den Krieg fallende Finanzjahr dem englischen Schatzkanzler mehr Einnahmen gebracht hat, als er erwartet hatte, zu der Annahme neigen, daß auch das Finanzjahr 1917/18, einen den Voranschlag übersteigenden Ertrag liefern werde. Wahr¬ scheinlich aber trügt diesmal eine solche Rechnung. Es besteht vielmehr Grund zu der Annahme, daß die deutschen U-Boote eine Korrektur der er¬ warteten englischen Einnahmen nach unten zu vornehmen werden. Der Schatz- kanzler hat bei der Aufstellung seines Budgets schon etwas „vorgebeugt"; hoffen wir, daß die U-Boote einen weiteren Abbau seiner Ziffern, der sich sehen lassen kann, besorgen werden. Die englischen Staatseinnahmen sind, wie oben gezeigt,von1913/14bis 1917/18 — binnen vier Jahren — durch fortgesetzte Erhöhung der bestehenden und Schaffung neuer Steuern um weit über 8 Milliarden Mark gesteigert worden. Etwas Derartiges hat die Welt noch nicht gesehen, vor drei Jahren überhaupt nicht für möglich gehalten. Um sich von dem englischen Opfermut auf steuer¬ lichem Gebiete einen Begriff machen zu können, sei vergleichsweise festgestellt, daß England jetzt in einem Jahre im Steuerwege den dreifachen Betrag von dem aufbringt, was Frankreich nach dem Kriege von 1870/71 dem Deutschen Reiche als Kriegsentschädigung gezahlt hat! Das Dreifache der „berühmten" 4 Milliarden Mark, die Frankreich im Laufe von drei Jahren leistete und natürlich auf Kredit nahm, bringt jetzt England binnen einem Jahre an laufenden Einnahmen nicht im Kreditwege auf! Vor dem Kriege hat die fundierte englische Staatsschuld rund 11^ Mil¬ liarden Mark betragen; und auf 12^ Milliarden Mark werden für 1917/18 die laufenden Einnahmen des englischen Schatzamtes veranschlagt. Sie würden also hinreichen, um die fundierte englische Vorkriegsschuld mit einem Schlage aus der Welt zu schaffen! Sie würden auch hinreichen, um die Schuld des Deutschen Reiches nach dem Stande am 31. März 1913 mehr als zweimal zu bezahlen. Diese Gegenüberstellungen dürften ein anschauliches Bild von den un¬ geheueren, auf England jetzt ruhenden Steuerkasten vermitteln. Und ist es schon wunderbar, daß die englische Regierung es wagte, dem Volke mitten im Kriege eine solche Bürde aufzuhalsen, so ist es noch wunder¬ barer, daß diese unglaubliche, vor kurzem überhaupt nicht für möglich gehaltene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/410>, abgerufen am 31.05.2024.