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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

vielen neuzeitlichen Erscheinungen, auch zur Goethischen Lebenslinie, findet er
leichter und freier ein nnverschränkt positives Verhältnis. Wir, denen dieser
frohe und unverkümmerte Einklang mit der neuen Zeit nicht gegeben ist, ver¬
stehen die Scheu Gundolfs, an diese Frage zu rühren und retten uns mit
ihm in die reine, von Ehrfurcht und Bewunderung gelenkte Schau, die im
Goethischen Leben die ungeheure Größe und Erhabenheit auch da sieht, wo sie
ihm -- im Verhältnisse zu seinen titanischen Urkräften -- einen letzten Heroismus
absprechen muß.




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Die preußischen Februar-Forderungen
von 1865. Eine geschichtliche Erinnerung.
Schleswig.Holstein war durch gemeinsame
Anstrengungen Preußens und Österreichs von
der dänischen Fremdherrschaft befreit und im
Wiener Frieden von 1864 an die beiden
deutschen Großmächte gemeinsam abgetreten.
Österreich hatte an dem Mitbesitze kein In¬
teresse und Wünschte ihn möglichst bald in
günstiger Weise los zu werden, und zwar,
wenn Preußen alleiniger Besitzer werden
sollte, gegen anderweite Gebietsentschädigung.
Dagegen war es für Preußen eine Lebens¬
frage, die befreiten Herzogtümer militärisch,
maritim und wirtschaftlich zu beherrschen,
was nicht unbedingt in der Form der Ein¬
verleibung der Herzogtümer in Preußen zu
geschehen brauchte. Die ganz unpolitische
liberale öffentliche Meinung Deutschlands,
die auch in den Regierungen der Mittel¬
staaten Unterstützung fand, forderte die Bil¬
dung eines neuen Bundesstaates unter der
Herrschaft des Augustenburgers. Auch Öster¬
reich neigte dieser Lösung zu, da damit das
Land wenigstens seinem Preußischen Neben¬
buhler entzogen wurde. Seit Anfang des
Jahres 1865 verhandelte der österreichische

[Spaltenumbruch]

Gesandte in Berlin Graf Karolyi mit Bismarck
über die Herstellung eines endgültigen Zu¬
standes in den Herzogtümern und die Ein¬
setzung des Augustenburgers.

Bismarck erklärte sich endlich bereit, diesem
allgemeinen Wunsche zu entsprechen, verlangte
aber für Preußen gewisse Gewährleistungen
und Sicherheiten, die in einer nach Wien
gerichteten Note vom 22. Februar 1865 ent¬
halten waren. Das sind die Preußischen
Februar-Forderungen. Sie fassen zusammen,
was Bismarck zur Politischen, militärischen
und wirtschaftlichen Beherrschung eines mit
Waffengewalt erworbenen Landes, das für
Preußens Sicherheit unentbehrlich war, für
notwendig hielt.

Preußen forderte den Anschluß der Herzog¬
tümer an den Zollverein und das Preußische
Zollsystem, Überlieferung des Post- und Tele¬
graphenwesens an Preußen, Oberaufsicht über
den zu bauenden Nord-Ostsee-Kanal, die
Abtretung von Friedrichsort, Sonderburg-
DüPPel und der Mündungen des Kanals.
Heer und Flotte der Herzogtümer sollten
einen Teil der Preußischen Kriegsmacht bilden,
Rendsburg Bundesfestung mit preußischer
Besatzung werden, die ganze Militärgesetz'

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

vielen neuzeitlichen Erscheinungen, auch zur Goethischen Lebenslinie, findet er
leichter und freier ein nnverschränkt positives Verhältnis. Wir, denen dieser
frohe und unverkümmerte Einklang mit der neuen Zeit nicht gegeben ist, ver¬
stehen die Scheu Gundolfs, an diese Frage zu rühren und retten uns mit
ihm in die reine, von Ehrfurcht und Bewunderung gelenkte Schau, die im
Goethischen Leben die ungeheure Größe und Erhabenheit auch da sieht, wo sie
ihm — im Verhältnisse zu seinen titanischen Urkräften — einen letzten Heroismus
absprechen muß.




[Beginn Spaltensatz]

Die preußischen Februar-Forderungen
von 1865. Eine geschichtliche Erinnerung.
Schleswig.Holstein war durch gemeinsame
Anstrengungen Preußens und Österreichs von
der dänischen Fremdherrschaft befreit und im
Wiener Frieden von 1864 an die beiden
deutschen Großmächte gemeinsam abgetreten.
Österreich hatte an dem Mitbesitze kein In¬
teresse und Wünschte ihn möglichst bald in
günstiger Weise los zu werden, und zwar,
wenn Preußen alleiniger Besitzer werden
sollte, gegen anderweite Gebietsentschädigung.
Dagegen war es für Preußen eine Lebens¬
frage, die befreiten Herzogtümer militärisch,
maritim und wirtschaftlich zu beherrschen,
was nicht unbedingt in der Form der Ein¬
verleibung der Herzogtümer in Preußen zu
geschehen brauchte. Die ganz unpolitische
liberale öffentliche Meinung Deutschlands,
die auch in den Regierungen der Mittel¬
staaten Unterstützung fand, forderte die Bil¬
dung eines neuen Bundesstaates unter der
Herrschaft des Augustenburgers. Auch Öster¬
reich neigte dieser Lösung zu, da damit das
Land wenigstens seinem Preußischen Neben¬
buhler entzogen wurde. Seit Anfang des
Jahres 1865 verhandelte der österreichische

[Spaltenumbruch]

Gesandte in Berlin Graf Karolyi mit Bismarck
über die Herstellung eines endgültigen Zu¬
standes in den Herzogtümern und die Ein¬
setzung des Augustenburgers.

Bismarck erklärte sich endlich bereit, diesem
allgemeinen Wunsche zu entsprechen, verlangte
aber für Preußen gewisse Gewährleistungen
und Sicherheiten, die in einer nach Wien
gerichteten Note vom 22. Februar 1865 ent¬
halten waren. Das sind die Preußischen
Februar-Forderungen. Sie fassen zusammen,
was Bismarck zur Politischen, militärischen
und wirtschaftlichen Beherrschung eines mit
Waffengewalt erworbenen Landes, das für
Preußens Sicherheit unentbehrlich war, für
notwendig hielt.

Preußen forderte den Anschluß der Herzog¬
tümer an den Zollverein und das Preußische
Zollsystem, Überlieferung des Post- und Tele¬
graphenwesens an Preußen, Oberaufsicht über
den zu bauenden Nord-Ostsee-Kanal, die
Abtretung von Friedrichsort, Sonderburg-
DüPPel und der Mündungen des Kanals.
Heer und Flotte der Herzogtümer sollten
einen Teil der Preußischen Kriegsmacht bilden,
Rendsburg Bundesfestung mit preußischer
Besatzung werden, die ganze Militärgesetz'

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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[0428] Maßgebliches und Unmaßgebliches vielen neuzeitlichen Erscheinungen, auch zur Goethischen Lebenslinie, findet er leichter und freier ein nnverschränkt positives Verhältnis. Wir, denen dieser frohe und unverkümmerte Einklang mit der neuen Zeit nicht gegeben ist, ver¬ stehen die Scheu Gundolfs, an diese Frage zu rühren und retten uns mit ihm in die reine, von Ehrfurcht und Bewunderung gelenkte Schau, die im Goethischen Leben die ungeheure Größe und Erhabenheit auch da sieht, wo sie ihm — im Verhältnisse zu seinen titanischen Urkräften — einen letzten Heroismus absprechen muß. Die preußischen Februar-Forderungen von 1865. Eine geschichtliche Erinnerung. Schleswig.Holstein war durch gemeinsame Anstrengungen Preußens und Österreichs von der dänischen Fremdherrschaft befreit und im Wiener Frieden von 1864 an die beiden deutschen Großmächte gemeinsam abgetreten. Österreich hatte an dem Mitbesitze kein In¬ teresse und Wünschte ihn möglichst bald in günstiger Weise los zu werden, und zwar, wenn Preußen alleiniger Besitzer werden sollte, gegen anderweite Gebietsentschädigung. Dagegen war es für Preußen eine Lebens¬ frage, die befreiten Herzogtümer militärisch, maritim und wirtschaftlich zu beherrschen, was nicht unbedingt in der Form der Ein¬ verleibung der Herzogtümer in Preußen zu geschehen brauchte. Die ganz unpolitische liberale öffentliche Meinung Deutschlands, die auch in den Regierungen der Mittel¬ staaten Unterstützung fand, forderte die Bil¬ dung eines neuen Bundesstaates unter der Herrschaft des Augustenburgers. Auch Öster¬ reich neigte dieser Lösung zu, da damit das Land wenigstens seinem Preußischen Neben¬ buhler entzogen wurde. Seit Anfang des Jahres 1865 verhandelte der österreichische Gesandte in Berlin Graf Karolyi mit Bismarck über die Herstellung eines endgültigen Zu¬ standes in den Herzogtümern und die Ein¬ setzung des Augustenburgers. Bismarck erklärte sich endlich bereit, diesem allgemeinen Wunsche zu entsprechen, verlangte aber für Preußen gewisse Gewährleistungen und Sicherheiten, die in einer nach Wien gerichteten Note vom 22. Februar 1865 ent¬ halten waren. Das sind die Preußischen Februar-Forderungen. Sie fassen zusammen, was Bismarck zur Politischen, militärischen und wirtschaftlichen Beherrschung eines mit Waffengewalt erworbenen Landes, das für Preußens Sicherheit unentbehrlich war, für notwendig hielt. Preußen forderte den Anschluß der Herzog¬ tümer an den Zollverein und das Preußische Zollsystem, Überlieferung des Post- und Tele¬ graphenwesens an Preußen, Oberaufsicht über den zu bauenden Nord-Ostsee-Kanal, die Abtretung von Friedrichsort, Sonderburg- DüPPel und der Mündungen des Kanals. Heer und Flotte der Herzogtümer sollten einen Teil der Preußischen Kriegsmacht bilden, Rendsburg Bundesfestung mit preußischer Besatzung werden, die ganze Militärgesetz' Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/428>, abgerufen am 08.05.2024.