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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Österreich und Polen
Professor or. Lonrad Bornhak von

Da die polnische Frage ihrer Lösung entgegensieht, treten die "Grenz¬
boten" in eine eingehende Erörterung der Sachlage durch eine Reihe
Die Schriftlg. bewährter Autoren ein.

le die Welt sich zwischen zwei Polen bewegt, so dreht sich der Welt¬
krieg anscheinend nur um Polen. Wenigstens nach polnischer Auf¬
fassung war es der einzige Zweck des Sieges des einen oder des
anderen Teiles, Polen zu befreien und die polnischen Wünsche zu
befriedigen. Am liebsten hätten die Polen wohl das Geschenk des
neuen Polenstaates von russischer Seite entgegengenommen. Dann waren alle
drei Teilgebiete zunächst einmal wieder vereinigt, wenn auch vorläufig unter dem
Zaren als König von Polen, diese Verbindung konnte man dann später einmal
bei passender Gelegenheit wieder abschütteln. Da das Geschick des Krieges es nun
anders mit sich brachte, mutzte man sich damit abzufinden suchen.

Daß das wie eine Zunge zwischen Deutschland und Österreich vorspringende
russische Weichselgebiet nicht russisch bleiben konnte, war eine einfache Forderung
der militärischen Sicherheit der Mittelmächte. Damit erhob sich die polnische Frage.

Die im deutschen Interesse beste Lösung wäre es wohl gewesen, wenn man
endgültig das Generalgouvernement Warschau mit dem Deutschen Reiche, das
Generalgouvernement Ludim mit Osterreich vereinigt hätte. Osterreich konnte
dann seinen Anteil mit Galizien verbinden, Deutschland den seinen als Militär¬
grenze mit weitgehender Selbstverwaltung seiner Bewohner, aber ohne Einbeziehung
in das Bundesgebiet und ohne ReichstagSwahlrecht regieren. Dieser Weg bleibt
den Schutzmächten immer noch offen, wenn es mit der neuen polnischen Wirtschaft
durchaus nicht gehen will.

Statt dessen schlug man mit der Erklärung Polens zum eigenen Königreiche
>in November 1916 einen anderen Weg ein, ohne der öffentlichen Meinung vorher,
wie es verheißen war, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Im Interesse der
Polen wurde daher ein Ergebnis des Krieges vorweg genommen, ein wichtiges
Faustpfand vorzeitig aus der Hand gegeben. Wie verfehlt die Matzregel an sich


Grenzten IV 1917 17


Österreich und Polen
Professor or. Lonrad Bornhak von

Da die polnische Frage ihrer Lösung entgegensieht, treten die „Grenz¬
boten" in eine eingehende Erörterung der Sachlage durch eine Reihe
Die Schriftlg. bewährter Autoren ein.

le die Welt sich zwischen zwei Polen bewegt, so dreht sich der Welt¬
krieg anscheinend nur um Polen. Wenigstens nach polnischer Auf¬
fassung war es der einzige Zweck des Sieges des einen oder des
anderen Teiles, Polen zu befreien und die polnischen Wünsche zu
befriedigen. Am liebsten hätten die Polen wohl das Geschenk des
neuen Polenstaates von russischer Seite entgegengenommen. Dann waren alle
drei Teilgebiete zunächst einmal wieder vereinigt, wenn auch vorläufig unter dem
Zaren als König von Polen, diese Verbindung konnte man dann später einmal
bei passender Gelegenheit wieder abschütteln. Da das Geschick des Krieges es nun
anders mit sich brachte, mutzte man sich damit abzufinden suchen.

Daß das wie eine Zunge zwischen Deutschland und Österreich vorspringende
russische Weichselgebiet nicht russisch bleiben konnte, war eine einfache Forderung
der militärischen Sicherheit der Mittelmächte. Damit erhob sich die polnische Frage.

Die im deutschen Interesse beste Lösung wäre es wohl gewesen, wenn man
endgültig das Generalgouvernement Warschau mit dem Deutschen Reiche, das
Generalgouvernement Ludim mit Osterreich vereinigt hätte. Osterreich konnte
dann seinen Anteil mit Galizien verbinden, Deutschland den seinen als Militär¬
grenze mit weitgehender Selbstverwaltung seiner Bewohner, aber ohne Einbeziehung
in das Bundesgebiet und ohne ReichstagSwahlrecht regieren. Dieser Weg bleibt
den Schutzmächten immer noch offen, wenn es mit der neuen polnischen Wirtschaft
durchaus nicht gehen will.

Statt dessen schlug man mit der Erklärung Polens zum eigenen Königreiche
>in November 1916 einen anderen Weg ein, ohne der öffentlichen Meinung vorher,
wie es verheißen war, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Im Interesse der
Polen wurde daher ein Ergebnis des Krieges vorweg genommen, ein wichtiges
Faustpfand vorzeitig aus der Hand gegeben. Wie verfehlt die Matzregel an sich


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[0245] [Abbildung] Österreich und Polen Professor or. Lonrad Bornhak von Da die polnische Frage ihrer Lösung entgegensieht, treten die „Grenz¬ boten" in eine eingehende Erörterung der Sachlage durch eine Reihe Die Schriftlg. bewährter Autoren ein. le die Welt sich zwischen zwei Polen bewegt, so dreht sich der Welt¬ krieg anscheinend nur um Polen. Wenigstens nach polnischer Auf¬ fassung war es der einzige Zweck des Sieges des einen oder des anderen Teiles, Polen zu befreien und die polnischen Wünsche zu befriedigen. Am liebsten hätten die Polen wohl das Geschenk des neuen Polenstaates von russischer Seite entgegengenommen. Dann waren alle drei Teilgebiete zunächst einmal wieder vereinigt, wenn auch vorläufig unter dem Zaren als König von Polen, diese Verbindung konnte man dann später einmal bei passender Gelegenheit wieder abschütteln. Da das Geschick des Krieges es nun anders mit sich brachte, mutzte man sich damit abzufinden suchen. Daß das wie eine Zunge zwischen Deutschland und Österreich vorspringende russische Weichselgebiet nicht russisch bleiben konnte, war eine einfache Forderung der militärischen Sicherheit der Mittelmächte. Damit erhob sich die polnische Frage. Die im deutschen Interesse beste Lösung wäre es wohl gewesen, wenn man endgültig das Generalgouvernement Warschau mit dem Deutschen Reiche, das Generalgouvernement Ludim mit Osterreich vereinigt hätte. Osterreich konnte dann seinen Anteil mit Galizien verbinden, Deutschland den seinen als Militär¬ grenze mit weitgehender Selbstverwaltung seiner Bewohner, aber ohne Einbeziehung in das Bundesgebiet und ohne ReichstagSwahlrecht regieren. Dieser Weg bleibt den Schutzmächten immer noch offen, wenn es mit der neuen polnischen Wirtschaft durchaus nicht gehen will. Statt dessen schlug man mit der Erklärung Polens zum eigenen Königreiche >in November 1916 einen anderen Weg ein, ohne der öffentlichen Meinung vorher, wie es verheißen war, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Im Interesse der Polen wurde daher ein Ergebnis des Krieges vorweg genommen, ein wichtiges Faustpfand vorzeitig aus der Hand gegeben. Wie verfehlt die Matzregel an sich Grenzten IV 1917 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/245>, abgerufen am 06.05.2024.