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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Die ruthenische Frage I9<6 und 595?

Lehrer in den Städten angestellt, die nur formell zu den deutschen Beamten ge¬
hören, in Wirklichkeit aber die Zahl der polnischen Familien vergrößern. Hier
könnte der Staat seinen vollen Einfluß geltend machen, indem er die Anstellung
von nur durchaus deutschen Lehrern bewirkt. Eine genaue Kenntnis der Nationalität
und Gesinnung des Betreffenden wäre doch leicht durch Kreisschulinspektor und
Polizei zu ermitteln. An deutschen Bewerbern für die Städte würde es nicht
fehlen, auch nicht aus anderen Provinzen.

Also auch die Volksschule kann der Staat deutsch erhalten und vor der
etwaigen Polonisierung seitens der Selbstverwaltung bewahren -- wenn er will.
Die slawische Flut, die mit dein neuen Kurse in der Ostmark hoch geht und durch
Einführung des gleichen Wahlrechts noch höher steigen wird, findet dann ihre
Dämme. Fest müssen und werden diese sein; denn es steht zu viel auf dein
Spiel. Handelt es sich doch darum, ob der schwarze oder weiße Adler über
Posen und vielleicht auch über Westpreußen und Schlesien herrschen soll. Ich
hoffe aber trotz des neuen Königreichs Polen, und diesen Gedanken teilt sicher
jeder echte deutsche Mann, daß in unserer Ostmark der schwarze Adler den weißen
für immer vertrieben hat.




Die ruthenische Frage M6 und W7
Professor l)r. Raimund Friedrich Aaindl von

n früheren Aufsätzen der "Grenzboten" ist die ältere'Entwicklung der
Ruthenen bis zur Gegenwart verfolgt und die ruthenische Frage bis
1916 gekennzeichnet worden.*) Ihr Kernpunkt liegt in zwei Wünschen
der Ruthenen: vor allem das alte Streben nach der Befreiung der
russischen Ukraina, dann die seit 1848 immer wieder von ihnen ver¬
suchte Befreiung Ostgaliziens vom polnischen Druck durch die Um¬
wandlung dieses Gebietes in eine abgesonderte ruthenische Provinz.




An die Befreiung der Ukraina -- wir verstehen darunter stets nur das vo"
Ruthenen bewohnte Gebiet Rußlands**) - mit Hilfe Deutschlands war schon 1791




*) Cleinow in 1914 Ur, 45 und Kaindl in 1916 Ur, 39 und 60. Eine zusammen¬
fassende Darstellung findet man in meiner Schrift "Polen und die Polnisch-ruthenische Frage",
2. Aufl. (Leipzig 1917).
**
) Auf die irreführende Verwendung der Namen Ukraina-Ukrcnner ist schon im "Grenz¬
boten" 1916 Ur. 39 verwiesen worden. Dort ist auch dargetan, warum ich stets zur Be¬
zeichnung des Gesamtvolkes an dem Namen Ruthenen festhalte. Unter Ukrainer verstehe ich
die Ruthenen in Rußland, dann auch die Bürger der neuen Republik Ukraina; mitunter
auch nur die eigentlichen Ukrainer am Dniepr. Das ist ungenau genug I Von Ukrainern
in Österreich-Ungarn zu sprechen, ist schon der Deutlichkeit halber ein Mißgriff, abgesehen
von anderen wichtigen Gründen!
Die ruthenische Frage I9<6 und 595?

Lehrer in den Städten angestellt, die nur formell zu den deutschen Beamten ge¬
hören, in Wirklichkeit aber die Zahl der polnischen Familien vergrößern. Hier
könnte der Staat seinen vollen Einfluß geltend machen, indem er die Anstellung
von nur durchaus deutschen Lehrern bewirkt. Eine genaue Kenntnis der Nationalität
und Gesinnung des Betreffenden wäre doch leicht durch Kreisschulinspektor und
Polizei zu ermitteln. An deutschen Bewerbern für die Städte würde es nicht
fehlen, auch nicht aus anderen Provinzen.

Also auch die Volksschule kann der Staat deutsch erhalten und vor der
etwaigen Polonisierung seitens der Selbstverwaltung bewahren — wenn er will.
Die slawische Flut, die mit dein neuen Kurse in der Ostmark hoch geht und durch
Einführung des gleichen Wahlrechts noch höher steigen wird, findet dann ihre
Dämme. Fest müssen und werden diese sein; denn es steht zu viel auf dein
Spiel. Handelt es sich doch darum, ob der schwarze oder weiße Adler über
Posen und vielleicht auch über Westpreußen und Schlesien herrschen soll. Ich
hoffe aber trotz des neuen Königreichs Polen, und diesen Gedanken teilt sicher
jeder echte deutsche Mann, daß in unserer Ostmark der schwarze Adler den weißen
für immer vertrieben hat.




Die ruthenische Frage M6 und W7
Professor l)r. Raimund Friedrich Aaindl von

n früheren Aufsätzen der „Grenzboten" ist die ältere'Entwicklung der
Ruthenen bis zur Gegenwart verfolgt und die ruthenische Frage bis
1916 gekennzeichnet worden.*) Ihr Kernpunkt liegt in zwei Wünschen
der Ruthenen: vor allem das alte Streben nach der Befreiung der
russischen Ukraina, dann die seit 1848 immer wieder von ihnen ver¬
suchte Befreiung Ostgaliziens vom polnischen Druck durch die Um¬
wandlung dieses Gebietes in eine abgesonderte ruthenische Provinz.




An die Befreiung der Ukraina — wir verstehen darunter stets nur das vo»
Ruthenen bewohnte Gebiet Rußlands**) - mit Hilfe Deutschlands war schon 1791




*) Cleinow in 1914 Ur, 45 und Kaindl in 1916 Ur, 39 und 60. Eine zusammen¬
fassende Darstellung findet man in meiner Schrift „Polen und die Polnisch-ruthenische Frage",
2. Aufl. (Leipzig 1917).
**
) Auf die irreführende Verwendung der Namen Ukraina-Ukrcnner ist schon im „Grenz¬
boten" 1916 Ur. 39 verwiesen worden. Dort ist auch dargetan, warum ich stets zur Be¬
zeichnung des Gesamtvolkes an dem Namen Ruthenen festhalte. Unter Ukrainer verstehe ich
die Ruthenen in Rußland, dann auch die Bürger der neuen Republik Ukraina; mitunter
auch nur die eigentlichen Ukrainer am Dniepr. Das ist ungenau genug I Von Ukrainern
in Österreich-Ungarn zu sprechen, ist schon der Deutlichkeit halber ein Mißgriff, abgesehen
von anderen wichtigen Gründen!
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[0132] Die ruthenische Frage I9<6 und 595? Lehrer in den Städten angestellt, die nur formell zu den deutschen Beamten ge¬ hören, in Wirklichkeit aber die Zahl der polnischen Familien vergrößern. Hier könnte der Staat seinen vollen Einfluß geltend machen, indem er die Anstellung von nur durchaus deutschen Lehrern bewirkt. Eine genaue Kenntnis der Nationalität und Gesinnung des Betreffenden wäre doch leicht durch Kreisschulinspektor und Polizei zu ermitteln. An deutschen Bewerbern für die Städte würde es nicht fehlen, auch nicht aus anderen Provinzen. Also auch die Volksschule kann der Staat deutsch erhalten und vor der etwaigen Polonisierung seitens der Selbstverwaltung bewahren — wenn er will. Die slawische Flut, die mit dein neuen Kurse in der Ostmark hoch geht und durch Einführung des gleichen Wahlrechts noch höher steigen wird, findet dann ihre Dämme. Fest müssen und werden diese sein; denn es steht zu viel auf dein Spiel. Handelt es sich doch darum, ob der schwarze oder weiße Adler über Posen und vielleicht auch über Westpreußen und Schlesien herrschen soll. Ich hoffe aber trotz des neuen Königreichs Polen, und diesen Gedanken teilt sicher jeder echte deutsche Mann, daß in unserer Ostmark der schwarze Adler den weißen für immer vertrieben hat. Die ruthenische Frage M6 und W7 Professor l)r. Raimund Friedrich Aaindl von n früheren Aufsätzen der „Grenzboten" ist die ältere'Entwicklung der Ruthenen bis zur Gegenwart verfolgt und die ruthenische Frage bis 1916 gekennzeichnet worden.*) Ihr Kernpunkt liegt in zwei Wünschen der Ruthenen: vor allem das alte Streben nach der Befreiung der russischen Ukraina, dann die seit 1848 immer wieder von ihnen ver¬ suchte Befreiung Ostgaliziens vom polnischen Druck durch die Um¬ wandlung dieses Gebietes in eine abgesonderte ruthenische Provinz. An die Befreiung der Ukraina — wir verstehen darunter stets nur das vo» Ruthenen bewohnte Gebiet Rußlands**) - mit Hilfe Deutschlands war schon 1791 *) Cleinow in 1914 Ur, 45 und Kaindl in 1916 Ur, 39 und 60. Eine zusammen¬ fassende Darstellung findet man in meiner Schrift „Polen und die Polnisch-ruthenische Frage", 2. Aufl. (Leipzig 1917). ** ) Auf die irreführende Verwendung der Namen Ukraina-Ukrcnner ist schon im „Grenz¬ boten" 1916 Ur. 39 verwiesen worden. Dort ist auch dargetan, warum ich stets zur Be¬ zeichnung des Gesamtvolkes an dem Namen Ruthenen festhalte. Unter Ukrainer verstehe ich die Ruthenen in Rußland, dann auch die Bürger der neuen Republik Ukraina; mitunter auch nur die eigentlichen Ukrainer am Dniepr. Das ist ungenau genug I Von Ukrainern in Österreich-Ungarn zu sprechen, ist schon der Deutlichkeit halber ein Mißgriff, abgesehen von anderen wichtigen Gründen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/132>, abgerufen am 05.05.2024.