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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Französische Stimmungen

schon jetzt beobachten kann, recht lange die Ereignisse, welche sie bedingt haben,
überlebt. Durch den Krieg geschaffen, werden diese Hirngespinste auch mit ihm
vergehen.


Die Sackgasse.

Es ist nicht schwer, die Stimmung in Frankreich zu schildern. Es herrscht
eine große, hoffnungslose Müdigkeit. Wir haben Enttäuschung über Enttäuschung
erfahren. Die erste bemächtigte sich unser nach der verfehlten Offensive im Ober¬
elsaß. Ich erinnere mich der Rufe: "Nach Berlin! Nach BerlinI" in denen so
verhängnisvoll das Gedenken an 1870 klang, und der falschen, aufregenden Nach¬
richten, mit denen die Presse diese künstliche Begeisterung nährte, auf welche der
erbärmliche Streich von Mülhausen wie eine eiskalte Dusche wirkte. Danach
kamen immer mehr Enttäuschungen. Der schnelle Einfall in Belgien, Charleroi
und die niederschmetternde Nachricht vom Marsch des Feindes auf Paris. Die
kurze Rückkehr des Glücks an der Marne weckte kaum neue, fast sogleich wieder
vernichtete Hoffnungen. Lange noch gaben wir uns Rußland gegenüber Illusionen
hin und blickten erwartungsvoll auf die berühmte "Walze", die in einigen Wochen
Deutschland zermalmen sollte. Der slawische Einfall in Ostpreußen bewirkte, daß
unsere allzu willfährige Einbildungskraft sich schon die Kosaken Rennenkampff
"Unter den Linden" tanzend vorstellte. Jedoch die Schlacht an den Seen und
das Unglück von Tannenberg öffnete uns die Augen und wir sahen Hindenburg.
Das russische Vorrücken in Galizien und das überschreiten der Karpathen belebten
dann wieder für einen Augenblick unseren sinkenden Optimismus. Es ist bekannt,
daß der Hörnerstoß von Tarnow die Russen zu einem ungeordneten Rückzug
zwang und sie den Verlust Polens und den Fall großer Festungen kostete. Was
soll man nun über das tolle Abenteuer an den Dardanellen sagen, und über die
so eifrig durch den "Bluff" des "Matin" und der ganzen offiziösen Presse unter¬
stützten Illusionen? Der türkische Zusammenbruch, Eroberung Konstantinopels,
Befreiung Rußlands von der Blockade, so viele vermessene Hoffnungen, die im
demütigender Rückzug und im Blute versanken. Währenddessen entzog sich uns die
militärische Hilfe Japans, der serbische Widerstand endete in Niederlage und
Ausscheidung. Die erwarteten und schon so oft angekündigten Vermittlungen
kamen nicht zustande oder richteten sich gegen uns. Wir erlebten die bulgarische
Überraschung, die griechische Enttäuschung, die tragische und so schnelle Vernichtung
der rumänischen Armeen. In den ersten Tagen des Krieges versicherten uns be¬
deutende Nationalökonomen, daß der wirtschaftliche und finanzielle Widerstand
Deutschlands nicht länger als sechs Wochen dauern könne. Einige Monate später
zeigte uns ein Edmond Therh ganz genau, daß Österreich-Ungarn am 1. April
1915 keine Hilfsmittel mehr haben und zu einem Separatfrieden gezwungen sein
würde. Ich weiß sehr wohl, daß unsere Nationalökonomen unerschütterliche Leute
sind, und daß sie, wenn die Tatsachen ihre Voraussagen Lügen strafen, beinahe
glauben, daß die Tatsachen Unrecht haben. Konnte das Zusammentreffen so
vieler getäuschter Hoffnungen verhindern, daß die Stimmung allmählich zu einem
Skeptizismus neigte, den sie nicht mehr zu überwinden vermochte. Die bedeutungs¬
losen Resultate, die durch das Dazwischentreten Italiens erzielt wurden. bestärkten
diese spöttische Ungläubigkeit. Beim Heere wurde das von irgendeinem Journa¬
listen erfundene, und vom General Petain in dem Ausruf an die Truppen von
Verdun wiederholte Wort schnell und höhnisch parodiert "Man wird sie kriegen",
sagen die "poilus" und lachend fügen sie hinzu:.... "erfrorene Füße". Die
allerwenigsten glaubten noch an jenen "Endsieg", in dessen Hoffnung man uns
so lange wie mit einem immerwährenden, täglich durch das Lied der Ereignisse
Lügen gestraften Kehrreim wiegte. Man hat uns zu früh das Bärenfell verkauft,
und das berühmte: "Morgen wird man umsonst rasieren" täuscht niemand mehr.
Wir glauben nicht mehr an die Möglichkeit einer günstigen Entscheidung durch
die Waffen. Infolge einer dreifachen Probe, die für uns eine dreifache Ent¬
täuschung war, glauben wir heute an die These von der Unverletzlichkeit der


Französische Stimmungen

schon jetzt beobachten kann, recht lange die Ereignisse, welche sie bedingt haben,
überlebt. Durch den Krieg geschaffen, werden diese Hirngespinste auch mit ihm
vergehen.


Die Sackgasse.

Es ist nicht schwer, die Stimmung in Frankreich zu schildern. Es herrscht
eine große, hoffnungslose Müdigkeit. Wir haben Enttäuschung über Enttäuschung
erfahren. Die erste bemächtigte sich unser nach der verfehlten Offensive im Ober¬
elsaß. Ich erinnere mich der Rufe: „Nach Berlin! Nach BerlinI" in denen so
verhängnisvoll das Gedenken an 1870 klang, und der falschen, aufregenden Nach¬
richten, mit denen die Presse diese künstliche Begeisterung nährte, auf welche der
erbärmliche Streich von Mülhausen wie eine eiskalte Dusche wirkte. Danach
kamen immer mehr Enttäuschungen. Der schnelle Einfall in Belgien, Charleroi
und die niederschmetternde Nachricht vom Marsch des Feindes auf Paris. Die
kurze Rückkehr des Glücks an der Marne weckte kaum neue, fast sogleich wieder
vernichtete Hoffnungen. Lange noch gaben wir uns Rußland gegenüber Illusionen
hin und blickten erwartungsvoll auf die berühmte „Walze", die in einigen Wochen
Deutschland zermalmen sollte. Der slawische Einfall in Ostpreußen bewirkte, daß
unsere allzu willfährige Einbildungskraft sich schon die Kosaken Rennenkampff
„Unter den Linden" tanzend vorstellte. Jedoch die Schlacht an den Seen und
das Unglück von Tannenberg öffnete uns die Augen und wir sahen Hindenburg.
Das russische Vorrücken in Galizien und das überschreiten der Karpathen belebten
dann wieder für einen Augenblick unseren sinkenden Optimismus. Es ist bekannt,
daß der Hörnerstoß von Tarnow die Russen zu einem ungeordneten Rückzug
zwang und sie den Verlust Polens und den Fall großer Festungen kostete. Was
soll man nun über das tolle Abenteuer an den Dardanellen sagen, und über die
so eifrig durch den „Bluff" des „Matin" und der ganzen offiziösen Presse unter¬
stützten Illusionen? Der türkische Zusammenbruch, Eroberung Konstantinopels,
Befreiung Rußlands von der Blockade, so viele vermessene Hoffnungen, die im
demütigender Rückzug und im Blute versanken. Währenddessen entzog sich uns die
militärische Hilfe Japans, der serbische Widerstand endete in Niederlage und
Ausscheidung. Die erwarteten und schon so oft angekündigten Vermittlungen
kamen nicht zustande oder richteten sich gegen uns. Wir erlebten die bulgarische
Überraschung, die griechische Enttäuschung, die tragische und so schnelle Vernichtung
der rumänischen Armeen. In den ersten Tagen des Krieges versicherten uns be¬
deutende Nationalökonomen, daß der wirtschaftliche und finanzielle Widerstand
Deutschlands nicht länger als sechs Wochen dauern könne. Einige Monate später
zeigte uns ein Edmond Therh ganz genau, daß Österreich-Ungarn am 1. April
1915 keine Hilfsmittel mehr haben und zu einem Separatfrieden gezwungen sein
würde. Ich weiß sehr wohl, daß unsere Nationalökonomen unerschütterliche Leute
sind, und daß sie, wenn die Tatsachen ihre Voraussagen Lügen strafen, beinahe
glauben, daß die Tatsachen Unrecht haben. Konnte das Zusammentreffen so
vieler getäuschter Hoffnungen verhindern, daß die Stimmung allmählich zu einem
Skeptizismus neigte, den sie nicht mehr zu überwinden vermochte. Die bedeutungs¬
losen Resultate, die durch das Dazwischentreten Italiens erzielt wurden. bestärkten
diese spöttische Ungläubigkeit. Beim Heere wurde das von irgendeinem Journa¬
listen erfundene, und vom General Petain in dem Ausruf an die Truppen von
Verdun wiederholte Wort schnell und höhnisch parodiert „Man wird sie kriegen",
sagen die „poilus" und lachend fügen sie hinzu:.... „erfrorene Füße". Die
allerwenigsten glaubten noch an jenen „Endsieg", in dessen Hoffnung man uns
so lange wie mit einem immerwährenden, täglich durch das Lied der Ereignisse
Lügen gestraften Kehrreim wiegte. Man hat uns zu früh das Bärenfell verkauft,
und das berühmte: „Morgen wird man umsonst rasieren" täuscht niemand mehr.
Wir glauben nicht mehr an die Möglichkeit einer günstigen Entscheidung durch
die Waffen. Infolge einer dreifachen Probe, die für uns eine dreifache Ent¬
täuschung war, glauben wir heute an die These von der Unverletzlichkeit der


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[0206] Französische Stimmungen schon jetzt beobachten kann, recht lange die Ereignisse, welche sie bedingt haben, überlebt. Durch den Krieg geschaffen, werden diese Hirngespinste auch mit ihm vergehen. Die Sackgasse. Es ist nicht schwer, die Stimmung in Frankreich zu schildern. Es herrscht eine große, hoffnungslose Müdigkeit. Wir haben Enttäuschung über Enttäuschung erfahren. Die erste bemächtigte sich unser nach der verfehlten Offensive im Ober¬ elsaß. Ich erinnere mich der Rufe: „Nach Berlin! Nach BerlinI" in denen so verhängnisvoll das Gedenken an 1870 klang, und der falschen, aufregenden Nach¬ richten, mit denen die Presse diese künstliche Begeisterung nährte, auf welche der erbärmliche Streich von Mülhausen wie eine eiskalte Dusche wirkte. Danach kamen immer mehr Enttäuschungen. Der schnelle Einfall in Belgien, Charleroi und die niederschmetternde Nachricht vom Marsch des Feindes auf Paris. Die kurze Rückkehr des Glücks an der Marne weckte kaum neue, fast sogleich wieder vernichtete Hoffnungen. Lange noch gaben wir uns Rußland gegenüber Illusionen hin und blickten erwartungsvoll auf die berühmte „Walze", die in einigen Wochen Deutschland zermalmen sollte. Der slawische Einfall in Ostpreußen bewirkte, daß unsere allzu willfährige Einbildungskraft sich schon die Kosaken Rennenkampff „Unter den Linden" tanzend vorstellte. Jedoch die Schlacht an den Seen und das Unglück von Tannenberg öffnete uns die Augen und wir sahen Hindenburg. Das russische Vorrücken in Galizien und das überschreiten der Karpathen belebten dann wieder für einen Augenblick unseren sinkenden Optimismus. Es ist bekannt, daß der Hörnerstoß von Tarnow die Russen zu einem ungeordneten Rückzug zwang und sie den Verlust Polens und den Fall großer Festungen kostete. Was soll man nun über das tolle Abenteuer an den Dardanellen sagen, und über die so eifrig durch den „Bluff" des „Matin" und der ganzen offiziösen Presse unter¬ stützten Illusionen? Der türkische Zusammenbruch, Eroberung Konstantinopels, Befreiung Rußlands von der Blockade, so viele vermessene Hoffnungen, die im demütigender Rückzug und im Blute versanken. Währenddessen entzog sich uns die militärische Hilfe Japans, der serbische Widerstand endete in Niederlage und Ausscheidung. Die erwarteten und schon so oft angekündigten Vermittlungen kamen nicht zustande oder richteten sich gegen uns. Wir erlebten die bulgarische Überraschung, die griechische Enttäuschung, die tragische und so schnelle Vernichtung der rumänischen Armeen. In den ersten Tagen des Krieges versicherten uns be¬ deutende Nationalökonomen, daß der wirtschaftliche und finanzielle Widerstand Deutschlands nicht länger als sechs Wochen dauern könne. Einige Monate später zeigte uns ein Edmond Therh ganz genau, daß Österreich-Ungarn am 1. April 1915 keine Hilfsmittel mehr haben und zu einem Separatfrieden gezwungen sein würde. Ich weiß sehr wohl, daß unsere Nationalökonomen unerschütterliche Leute sind, und daß sie, wenn die Tatsachen ihre Voraussagen Lügen strafen, beinahe glauben, daß die Tatsachen Unrecht haben. Konnte das Zusammentreffen so vieler getäuschter Hoffnungen verhindern, daß die Stimmung allmählich zu einem Skeptizismus neigte, den sie nicht mehr zu überwinden vermochte. Die bedeutungs¬ losen Resultate, die durch das Dazwischentreten Italiens erzielt wurden. bestärkten diese spöttische Ungläubigkeit. Beim Heere wurde das von irgendeinem Journa¬ listen erfundene, und vom General Petain in dem Ausruf an die Truppen von Verdun wiederholte Wort schnell und höhnisch parodiert „Man wird sie kriegen", sagen die „poilus" und lachend fügen sie hinzu:.... „erfrorene Füße". Die allerwenigsten glaubten noch an jenen „Endsieg", in dessen Hoffnung man uns so lange wie mit einem immerwährenden, täglich durch das Lied der Ereignisse Lügen gestraften Kehrreim wiegte. Man hat uns zu früh das Bärenfell verkauft, und das berühmte: „Morgen wird man umsonst rasieren" täuscht niemand mehr. Wir glauben nicht mehr an die Möglichkeit einer günstigen Entscheidung durch die Waffen. Infolge einer dreifachen Probe, die für uns eine dreifache Ent¬ täuschung war, glauben wir heute an die These von der Unverletzlichkeit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/206>, abgerufen am 05.05.2024.