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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Englands weltpolitische Lage
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

nglands Bundesgenossen haben zum größten Teile ein trauriges
Schicksal gehabt. Belgien wurde gleich im Anfange des Weltkrieges
erobert, die Balkanstaaten sanken dahin, das russische Weltreich wurde
zertrümmert. Frankreich befindet sich in einem Erschöpfungszustände,
aus dem es sich nie wieder erholen kann. Italien hält sich nur
allenfalls noch vorläufig mit fremder Hilfe aufrecht. Angesichts dieses jetzt schon
feststehenden Ergebnisses des Weltkrieges ist immer wieder die Frage aufgeworfen
worden: Trifft dieses Schicksal seiner Bundesgenossen nicht auch England? Wird
sich England infolge dieser Niederlagen seiner Bundesgenossen, die es mittelbar
doch auch selbst treffen, nicht zum Frieden bereit finden lassen?

Gegenüber einer solchen Frage nutz immer wieder darauf hingewiesen werden,
daß die Stellung Englands zu seinen Bundesgenossen eine ganz andere ist, als
die Deutschlands zu den seinigen. Selbstverständlich wird weder die englische noch
die deutsche Politik durch Gefühlsmomente bestimmt. Für die gesunde Politik
eines Staates kann nie etwas anderes maßgebend sein als sein eigenes Interesse.
Aber dieses Band des wechselseitigen Interesses ist eben sür die beiden Staaten
verschieden. So widersinnig es aus den ersten Blick scheinen mag, so bedeuten
doch die kriegerischen Erfolge Deutschlands gegen Englands Bundesgenossen zum
Teil geradezu weltpolitische Erfolge Englands, die Englands Machtstellung nicht
schwächen, sondern vielmehr verstärken, ihm unliebsame Wettbewerber vom Halse
schaffen, also nimmermehr eine Friedensneigung hervorrufen können. Es wurde
bei einer anderen Gelegenheit darauf hingewiesen, wie es England während des
Krieges gelungen ist, sein weltumspannendes Kolonialreich weiter auszubauen"').
Die Entwicklung seiner weltpolitischen Stellung gegenüber anderen Mächten geht
damit Hand in Hand.

Deutschland war von Anfang an durch die festeste Interessengemeinschaft auf
Gedeih und Verderb mit seinen Bundesgenossen verbunden. Ihre Niederlage wäre
gleichzeitig eine deutsche Niederlage. Deutschland und Osterreich bilden mit wechsel¬
seitiger Rückendeckung die mitteleuropäische Gesamtmacht. Bulgarien und die Türkei



*) Vgl. den Aussatz "Englands Kriegserfolge" in den Grenzboten" 1917 Ur. 29.
Grenzboten I 191" 19


Englands weltpolitische Lage
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

nglands Bundesgenossen haben zum größten Teile ein trauriges
Schicksal gehabt. Belgien wurde gleich im Anfange des Weltkrieges
erobert, die Balkanstaaten sanken dahin, das russische Weltreich wurde
zertrümmert. Frankreich befindet sich in einem Erschöpfungszustände,
aus dem es sich nie wieder erholen kann. Italien hält sich nur
allenfalls noch vorläufig mit fremder Hilfe aufrecht. Angesichts dieses jetzt schon
feststehenden Ergebnisses des Weltkrieges ist immer wieder die Frage aufgeworfen
worden: Trifft dieses Schicksal seiner Bundesgenossen nicht auch England? Wird
sich England infolge dieser Niederlagen seiner Bundesgenossen, die es mittelbar
doch auch selbst treffen, nicht zum Frieden bereit finden lassen?

Gegenüber einer solchen Frage nutz immer wieder darauf hingewiesen werden,
daß die Stellung Englands zu seinen Bundesgenossen eine ganz andere ist, als
die Deutschlands zu den seinigen. Selbstverständlich wird weder die englische noch
die deutsche Politik durch Gefühlsmomente bestimmt. Für die gesunde Politik
eines Staates kann nie etwas anderes maßgebend sein als sein eigenes Interesse.
Aber dieses Band des wechselseitigen Interesses ist eben sür die beiden Staaten
verschieden. So widersinnig es aus den ersten Blick scheinen mag, so bedeuten
doch die kriegerischen Erfolge Deutschlands gegen Englands Bundesgenossen zum
Teil geradezu weltpolitische Erfolge Englands, die Englands Machtstellung nicht
schwächen, sondern vielmehr verstärken, ihm unliebsame Wettbewerber vom Halse
schaffen, also nimmermehr eine Friedensneigung hervorrufen können. Es wurde
bei einer anderen Gelegenheit darauf hingewiesen, wie es England während des
Krieges gelungen ist, sein weltumspannendes Kolonialreich weiter auszubauen"').
Die Entwicklung seiner weltpolitischen Stellung gegenüber anderen Mächten geht
damit Hand in Hand.

Deutschland war von Anfang an durch die festeste Interessengemeinschaft auf
Gedeih und Verderb mit seinen Bundesgenossen verbunden. Ihre Niederlage wäre
gleichzeitig eine deutsche Niederlage. Deutschland und Osterreich bilden mit wechsel¬
seitiger Rückendeckung die mitteleuropäische Gesamtmacht. Bulgarien und die Türkei



*) Vgl. den Aussatz „Englands Kriegserfolge" in den Grenzboten" 1917 Ur. 29.
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[0277] [Abbildung] Englands weltpolitische Lage Professor Dr. Lonrad Bornhak von nglands Bundesgenossen haben zum größten Teile ein trauriges Schicksal gehabt. Belgien wurde gleich im Anfange des Weltkrieges erobert, die Balkanstaaten sanken dahin, das russische Weltreich wurde zertrümmert. Frankreich befindet sich in einem Erschöpfungszustände, aus dem es sich nie wieder erholen kann. Italien hält sich nur allenfalls noch vorläufig mit fremder Hilfe aufrecht. Angesichts dieses jetzt schon feststehenden Ergebnisses des Weltkrieges ist immer wieder die Frage aufgeworfen worden: Trifft dieses Schicksal seiner Bundesgenossen nicht auch England? Wird sich England infolge dieser Niederlagen seiner Bundesgenossen, die es mittelbar doch auch selbst treffen, nicht zum Frieden bereit finden lassen? Gegenüber einer solchen Frage nutz immer wieder darauf hingewiesen werden, daß die Stellung Englands zu seinen Bundesgenossen eine ganz andere ist, als die Deutschlands zu den seinigen. Selbstverständlich wird weder die englische noch die deutsche Politik durch Gefühlsmomente bestimmt. Für die gesunde Politik eines Staates kann nie etwas anderes maßgebend sein als sein eigenes Interesse. Aber dieses Band des wechselseitigen Interesses ist eben sür die beiden Staaten verschieden. So widersinnig es aus den ersten Blick scheinen mag, so bedeuten doch die kriegerischen Erfolge Deutschlands gegen Englands Bundesgenossen zum Teil geradezu weltpolitische Erfolge Englands, die Englands Machtstellung nicht schwächen, sondern vielmehr verstärken, ihm unliebsame Wettbewerber vom Halse schaffen, also nimmermehr eine Friedensneigung hervorrufen können. Es wurde bei einer anderen Gelegenheit darauf hingewiesen, wie es England während des Krieges gelungen ist, sein weltumspannendes Kolonialreich weiter auszubauen"'). Die Entwicklung seiner weltpolitischen Stellung gegenüber anderen Mächten geht damit Hand in Hand. Deutschland war von Anfang an durch die festeste Interessengemeinschaft auf Gedeih und Verderb mit seinen Bundesgenossen verbunden. Ihre Niederlage wäre gleichzeitig eine deutsche Niederlage. Deutschland und Osterreich bilden mit wechsel¬ seitiger Rückendeckung die mitteleuropäische Gesamtmacht. Bulgarien und die Türkei *) Vgl. den Aussatz „Englands Kriegserfolge" in den Grenzboten" 1917 Ur. 29. Grenzboten I 191« 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/277>, abgerufen am 05.05.2024.