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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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können. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt wenige Tage später (9, Oktober) ein
Artikel in "Mitteleuropa". Auch er verweist darauf, daß ein vollständig sich selbst
überlassener polnischer Staat uns gefährlich werden könnte, besonders wenn er
auch ruthenische, weißrussische und litauische Gebiete umfassen würde. Eine An-
gliederung an Deutschland sei undurchführbar. Denn Polen kann kein deutscher
Bundesstaat werden; die Verbindung mit einer Personalunion führt zu nichts!
die Entsendung eines deutschen Fürsten nach Polen ist durchaus keine Bürgschaft
für die Politik eines sonst selbständigen Polens. Ein neutralisiertes Polen würde
das Schicksal finden, wie die seinerzeit am Wiener Kongreß errichtete Republik
Krakau. So bliebe noch die Möglichkeit! Polen dem österreichisch-ungarischen
Staate anzufügen.*)

Wie man sieht, kehren diese Vorschläge dazu zurück, was in Österreich schon
lange als der gangbarste Weg bezeichnet wurde. Ich habe das schon in "Polen
und ?le polnisch-ruthenische Frage" (Leipzig 1916) angedeutet, soweit es die Zensur
möglich machte, und in dieser Zeitschrift (Ur. 29 dieses Jahres) als den gang¬
barsten Weg bezeichnet, von dem der Akt des 5. November 1916 abwich. Wie es dazu
kam. möchte ich auch gegenwärtig unerörtert lassen. Ob die Schuld ganz Beth¬
mann Hollweg trifft, oder ob es richtig sei, daß eine schon im November 1915
von Deutschland geplante Ordnung im Sinne der jetzt wieder aufgenommenen
Form durch Ungarn verhindert worden sei, das die von Deutschland geforderten
Garantien nicht bieten wollte, wird sich erst in Zukunft zeigen (siehe Grazer
Tagespost 2. November 1917).

(Schluß folgt).




Randglossen zu Brest-Litowsk

!le Vorgänge in und um Brest-Litowsk finden eine blitzartige Ve-
^ leuchtung durch die in der sogenannten alldeutschen Presse ("Rheinisch-
! Westfälische Zeitung", "Deutsche Zeitung", "Post", Berliner und
! Leipziger "Neueste Nachrichten") am Sonnabend und Sonntag ver¬
breitete Nachricht, daß der Erste Generalquartiermeister der Armee
Generalleutnant Ludendorff "wegen Brest-Litowsk" sein Rückirittsgesuch eingereicht
habe. Aus einer amtlichen Ableugnung geht hervor, daß ein solches Rücktritts¬
gesuch nicht vorliegt, soll wohl heißen, daß es nicht mehr vorliegt. Denn eine
Nachricht von solcher die Stimmung aufpeitschenden und zugleich zermürbenden
Tragweite, wie die vorliegende, wäre von einer verantwortungsbewußten Presse
nicht verbreitet worden, wenn sie nicht tatsächlich der Wahrheit entspräche.
Ludendorffs Entschluß scheint bei oder nach dem Kronrat vom 6. Januar erörtert
worden zu sein. Unsere Lage in Brest-Litowsk hatte sich in der Tat so zugespitzt
und wird durch die Haltung der "Mehrheits"-Presse weiter so auf des Messers
Schneide gehalten, daß es nur erklärlich erscheint, wenn General Ludendorff sein



*) Wir machen auf die Stellungnahme unseres Herrn Herausgebers zur Lösung des
Die Schriftleitung. Polnischen Problems in Heft 49 der Grenzboten t9I7 aufmerksam.
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können. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt wenige Tage später (9, Oktober) ein
Artikel in „Mitteleuropa". Auch er verweist darauf, daß ein vollständig sich selbst
überlassener polnischer Staat uns gefährlich werden könnte, besonders wenn er
auch ruthenische, weißrussische und litauische Gebiete umfassen würde. Eine An-
gliederung an Deutschland sei undurchführbar. Denn Polen kann kein deutscher
Bundesstaat werden; die Verbindung mit einer Personalunion führt zu nichts!
die Entsendung eines deutschen Fürsten nach Polen ist durchaus keine Bürgschaft
für die Politik eines sonst selbständigen Polens. Ein neutralisiertes Polen würde
das Schicksal finden, wie die seinerzeit am Wiener Kongreß errichtete Republik
Krakau. So bliebe noch die Möglichkeit! Polen dem österreichisch-ungarischen
Staate anzufügen.*)

Wie man sieht, kehren diese Vorschläge dazu zurück, was in Österreich schon
lange als der gangbarste Weg bezeichnet wurde. Ich habe das schon in „Polen
und ?le polnisch-ruthenische Frage" (Leipzig 1916) angedeutet, soweit es die Zensur
möglich machte, und in dieser Zeitschrift (Ur. 29 dieses Jahres) als den gang¬
barsten Weg bezeichnet, von dem der Akt des 5. November 1916 abwich. Wie es dazu
kam. möchte ich auch gegenwärtig unerörtert lassen. Ob die Schuld ganz Beth¬
mann Hollweg trifft, oder ob es richtig sei, daß eine schon im November 1915
von Deutschland geplante Ordnung im Sinne der jetzt wieder aufgenommenen
Form durch Ungarn verhindert worden sei, das die von Deutschland geforderten
Garantien nicht bieten wollte, wird sich erst in Zukunft zeigen (siehe Grazer
Tagespost 2. November 1917).

(Schluß folgt).




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!le Vorgänge in und um Brest-Litowsk finden eine blitzartige Ve-
^ leuchtung durch die in der sogenannten alldeutschen Presse („Rheinisch-
! Westfälische Zeitung", „Deutsche Zeitung", „Post", Berliner und
! Leipziger „Neueste Nachrichten") am Sonnabend und Sonntag ver¬
breitete Nachricht, daß der Erste Generalquartiermeister der Armee
Generalleutnant Ludendorff „wegen Brest-Litowsk" sein Rückirittsgesuch eingereicht
habe. Aus einer amtlichen Ableugnung geht hervor, daß ein solches Rücktritts¬
gesuch nicht vorliegt, soll wohl heißen, daß es nicht mehr vorliegt. Denn eine
Nachricht von solcher die Stimmung aufpeitschenden und zugleich zermürbenden
Tragweite, wie die vorliegende, wäre von einer verantwortungsbewußten Presse
nicht verbreitet worden, wenn sie nicht tatsächlich der Wahrheit entspräche.
Ludendorffs Entschluß scheint bei oder nach dem Kronrat vom 6. Januar erörtert
worden zu sein. Unsere Lage in Brest-Litowsk hatte sich in der Tat so zugespitzt
und wird durch die Haltung der „Mehrheits"-Presse weiter so auf des Messers
Schneide gehalten, daß es nur erklärlich erscheint, wenn General Ludendorff sein



*) Wir machen auf die Stellungnahme unseres Herrn Herausgebers zur Lösung des
Die Schriftleitung. Polnischen Problems in Heft 49 der Grenzboten t9I7 aufmerksam.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/66>, abgerufen am 05.05.2024.