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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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T>eutschösterreich und die südslawische Frage
Professor Dr. Robert Sieger von

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W^'^AZ^W und die Richtungen besprochen, die unter den Südslawen mitein-
W ander ringen. Kaleidoskopisch wechselt das Bild. Weil der Erz-
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lW^l detlarationen ausgesprochen haben, treten die in Bosnien wegen
ihrer kulturellen und nationalen Leistungen hochangesehenen, aus
ihre Macht eifersüchtigen Franziskaner für sie ein und auch die Bauernpartei in
Kroatien hat sich nun zweifellos für sie erklärt. Unter den Slowenen haben sich
auch die Sozialdemokraten ihr angeschlossen. Dogegen schwenkt der Krainer Landes¬
hauptmann Schristerschitz mit den Seinen wieder ab und versucht seinen Patrio¬
tismus in Helles Licht zu stellen. Das hat einen doppelten Zweck: einmal sollen
die erregten, zu ungewöhnlicher Schärfe der Rede erbitterter! südösterreichischen
Deutschen als Feinde von Staat und Krone dargestellt werden, andererseits aber
die slowenischen Gegner des aalglatten Politikers, die weniger aus politischen
Gründen, als wegen seiner Partei- und Cliquenhcrrschaft gegen ihn Front gemacht
h"hen. Er kann sich auf ältere "loyale" Kundgebungen berufen und sich als be¬
währte Stütze von Thron und Altar darstellen. Wieviel bei alledem Taktik, wie¬
viel wirklicher Gesinnungswandel ist, sei dahingestellt. Jedenfalls haben weite
kroatische Kreise das mißtrauische Gefühl, daß die Serben die jugoslawische Idee
nur mißbrauchen wollen, um die Herrschaft über die Kroaten zu gewinnen, und
werden dadurch gemäßigten Anschauungen zugänglich. Auf der anderen Seite
aber stehen rcalpolwsche Erwägungen: man verleugnet die letzten Ziele, um die
Vorstufen sicherer zu erreichen. Ist erst einmal das südösterreichische Deutschtum
"us Messer geliefert, dann mag man in den "autonomen" slowenischen und kroa¬
tischen Gebieten in aller Ruhe den Südslawenstaat vorbereiten, den von Entente
und Friedenskongreß zu erhoffen doch recht unsicher ist -- um so unsicherer, je
w hr die mitteleuropäischen Mächte zu der Einsicht gezwungen werden, daß nur
Sonderfrieden und nicht eine internationale Diplomatenberatung ihnen Lebens-
raurn und Zukunft sichern können. Ihre Staatsmänner lernen ja in dieser Hin-
Ncht allmählich um.

^ Für die Deutschösterreicher sind diese inneren Schwankungen der südslawischen
-Politik wichtig und beachtenswert. Aber richtunggebend können für sie nur weiter-
seifende allgemeine Erwägungen sein. Sie haben eine solche Lösung des Problems
SU suchen, die ihrer eigenen nationalen Erhaltung, den Lebensbedingungen Oster-
^'ass und der Weltstellung des Gesamtdeutschtums gerecht wird. Eine solche
°?er muß in Einklang stehen mit den naturgegebenen geographischen Verhältnissen,
mehr Gewicht haben, als die augenblickliche Verteilung der Völker. Auch die


Grenzboten II 1918 10


T>eutschösterreich und die südslawische Frage
Professor Dr. Robert Sieger von

WsW^WWI n den „Grenzboten" 1918 Ur. 16 habe ich die südslawische Frage
W^'^AZ^W und die Richtungen besprochen, die unter den Südslawen mitein-
W ander ringen. Kaleidoskopisch wechselt das Bild. Weil der Erz-
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lW^l detlarationen ausgesprochen haben, treten die in Bosnien wegen
ihrer kulturellen und nationalen Leistungen hochangesehenen, aus
ihre Macht eifersüchtigen Franziskaner für sie ein und auch die Bauernpartei in
Kroatien hat sich nun zweifellos für sie erklärt. Unter den Slowenen haben sich
auch die Sozialdemokraten ihr angeschlossen. Dogegen schwenkt der Krainer Landes¬
hauptmann Schristerschitz mit den Seinen wieder ab und versucht seinen Patrio¬
tismus in Helles Licht zu stellen. Das hat einen doppelten Zweck: einmal sollen
die erregten, zu ungewöhnlicher Schärfe der Rede erbitterter! südösterreichischen
Deutschen als Feinde von Staat und Krone dargestellt werden, andererseits aber
die slowenischen Gegner des aalglatten Politikers, die weniger aus politischen
Gründen, als wegen seiner Partei- und Cliquenhcrrschaft gegen ihn Front gemacht
h"hen. Er kann sich auf ältere „loyale" Kundgebungen berufen und sich als be¬
währte Stütze von Thron und Altar darstellen. Wieviel bei alledem Taktik, wie¬
viel wirklicher Gesinnungswandel ist, sei dahingestellt. Jedenfalls haben weite
kroatische Kreise das mißtrauische Gefühl, daß die Serben die jugoslawische Idee
nur mißbrauchen wollen, um die Herrschaft über die Kroaten zu gewinnen, und
werden dadurch gemäßigten Anschauungen zugänglich. Auf der anderen Seite
aber stehen rcalpolwsche Erwägungen: man verleugnet die letzten Ziele, um die
Vorstufen sicherer zu erreichen. Ist erst einmal das südösterreichische Deutschtum
"us Messer geliefert, dann mag man in den „autonomen" slowenischen und kroa¬
tischen Gebieten in aller Ruhe den Südslawenstaat vorbereiten, den von Entente
und Friedenskongreß zu erhoffen doch recht unsicher ist — um so unsicherer, je
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Sonderfrieden und nicht eine internationale Diplomatenberatung ihnen Lebens-
raurn und Zukunft sichern können. Ihre Staatsmänner lernen ja in dieser Hin-
Ncht allmählich um.

^ Für die Deutschösterreicher sind diese inneren Schwankungen der südslawischen
-Politik wichtig und beachtenswert. Aber richtunggebend können für sie nur weiter-
seifende allgemeine Erwägungen sein. Sie haben eine solche Lösung des Problems
SU suchen, die ihrer eigenen nationalen Erhaltung, den Lebensbedingungen Oster-
^'ass und der Weltstellung des Gesamtdeutschtums gerecht wird. Eine solche
°?er muß in Einklang stehen mit den naturgegebenen geographischen Verhältnissen,
mehr Gewicht haben, als die augenblickliche Verteilung der Völker. Auch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/253>, abgerufen am 05.05.2024.