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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Deutschösterreich und die südslawische Frage

Gegner, die sich seit Jahren angelegentlich um die südslawische Frage kümmern,
vor allem die Engländer mit ihrem Weltblick, gehen ja von den geographischen
Bedingungen aus. Sehr zutreffend hat dies kürzlich Paul Samassa in einem
von der Präger Zensur übel zugerichteten Aufsatz der "Deutschen Arbeit" (April
1918) hervorgehoben. Wie ein tschechoslowakisches Reich eine Flankenstellung
gegen Deutschland und das Deutschtum, so bietet ihnen ein südslawischer Staat
"einen Brückenkopf und gleichzeitig ein Aufmarschgebiet gegen die Linie Berlin--
Bagdad". Verkünden die "Jugoslawen", daß sie das Deutschtum, Osterreich und
das Deutsche Reich in Verkehr, Wirtschaft und Politik von Südosteuropa "abriegeln"
wollen, so hätte ein politisches Gebilde, wie sie es erstreben, für England den Vor¬
teil der Schwäche und daher Lenksamkeit. Italien beiderseits der Adria könnte diese
zwar abriegeln, aber selbst zu mächtig werden; ein schwaches Italien auf ihrer einen,
ein schwacher Slawenstaat auf der anderen Seite, beide anlehnungsbedürftig,
müßten unter allen Umständen Werkzeuge der Entente bleiben. Das spricht,
nebenbei bemerkt, nicht gegen die Zulassung Serbiens an die Adriaküste, wohl
aber unbedingt sür die Erwerbung und Festhaltung Valonas und der übrigen
Schlüsselpunkie des Binnenmeers durch Österreich-Ungarn. Und es spricht ebenso
zwingend dafür, daß der gemeinsame Seehafen Österreichs, Trieft -- ebenso das
ungarische Fiume -- nicht in die Haro eines ganz oder halb selbständigen, von
Sonderinteressen beherrschten slawischen politischen Gebildes gegeben werden dürfen.
Das Hinterland Fiumes ist rein kroatisch, kann für Ungarn also nur durch ein
befriedigtes, mit Ungarn eng verbundenes und am besten ihm staatlich wie bisher
eingegliedertes Kroatentum gesichert werden. Befriedigt können die Kroaten aber
nur durch die Aufhebung der Grenzen werden, welche Kroatien von dem gemein¬
samen Verwaltungsgebiet und von Dalmatien trennen.

Verwickelter liegen die nationalen Verhältnisse an Österreichs Weg zur Adria.
Slovenen von Untersteier bis Nordistrien und in die Umgebung ("Territorium")
von Trieft, durchsetzt mit zahlreichen gedeihenden deutschen Sprachinseln, Kroaten
in Südistrien, Italiener in Trieft und anderen Küstenstrichen und Städten, daneben
alte bedrohte und neue anwachsende deutsche Minderheiten im "Küstenland";
Furlaner und Slowenen neben Italienern im Görzischen und auch in Friaul.
Träger des Staatsgedankens sind hier die Deutschen; soll Trieft wirklich ein Reichs¬
hafen werden, so muß in dieser Stadt, aber auch auf dem Wege zu ihr das
Deutschtum gefördert werden. Weniger durch Kolonisation, die nur im kleinen
erfolgen kann, als durch Förderung industrieller und kommerzieller Unternehmungen,
wobei man aus reichsdeuische Unternehmer und Kapitalien hofft. Die Triester
Reichsdeutschen, deren gesellschaftliche Stellung ihnen Einfluß gibt, waren bisher
freilich nichts weniger als national; vielleicht lehrte der Krieg sie umlernen. Die
Regierung hatte die Gelegenheit, in Trieft Wandel zu schaffen. Aber sie wurde
nicht benützt. Schlimmer als die unangebrachte Milde gegen die ziemlich ver¬
schüchterten Jrredentisten erscheint den dortigen Deutschen die unverkennbare
Slowenisierungstendenz. Trieft darf nach ihrer wohlerwogenen Ansicht ebensowenig
ein südslawischer als ein italienischer Hafen werden*). Deshalb fordert man
vielfach die Reichsunmiltelbarkeit der Stadt und eine wirklich österreichische Ver¬
waltung. Auch gemäßigte Jugoslawen, welche die Unentbehrlichkeit des Hafens
für das Hinterland einsehen, stimmen dieser zu und wollen einen "Korridor" für
Osterreich durch den Südslawenstaat zugestehen. Gegen sie hat sich aber sogar
Herr von Seidler ausgesprochen, der am 3. Mai erklärte, in ein südslawisches
Smatsgebilde, wenn ein solches im Rahmen der Monarchie zustandekomme, dürften
vor allem nicht jene Teile des österreichischen Staatsgebiets einbezogen werden,
die auf dem Wege zur Adria liegen und die in inniger Verbindung mit dem



*) Mit Recht betont die Entschließung des Leobener Volkstags vom 9. Mai, daß die
Hafenstadt nicht "zum Mittelpunkt einer den deutschen Handel lähmenden slawischen Handels¬
politik werden" darf. Auch der Nichtdeutsche Mitvcchi lDeckmime für Tumicich), Trieft, der
Jrredentismus und die Zukunft Triests, Graz 1917, spricht sich in einem lesenswerten Buch
gegen die Slawisierung Triests und für die Kräftigung seines Deutschtums aus.
Deutschösterreich und die südslawische Frage

Gegner, die sich seit Jahren angelegentlich um die südslawische Frage kümmern,
vor allem die Engländer mit ihrem Weltblick, gehen ja von den geographischen
Bedingungen aus. Sehr zutreffend hat dies kürzlich Paul Samassa in einem
von der Präger Zensur übel zugerichteten Aufsatz der „Deutschen Arbeit" (April
1918) hervorgehoben. Wie ein tschechoslowakisches Reich eine Flankenstellung
gegen Deutschland und das Deutschtum, so bietet ihnen ein südslawischer Staat
„einen Brückenkopf und gleichzeitig ein Aufmarschgebiet gegen die Linie Berlin—
Bagdad". Verkünden die „Jugoslawen", daß sie das Deutschtum, Osterreich und
das Deutsche Reich in Verkehr, Wirtschaft und Politik von Südosteuropa „abriegeln"
wollen, so hätte ein politisches Gebilde, wie sie es erstreben, für England den Vor¬
teil der Schwäche und daher Lenksamkeit. Italien beiderseits der Adria könnte diese
zwar abriegeln, aber selbst zu mächtig werden; ein schwaches Italien auf ihrer einen,
ein schwacher Slawenstaat auf der anderen Seite, beide anlehnungsbedürftig,
müßten unter allen Umständen Werkzeuge der Entente bleiben. Das spricht,
nebenbei bemerkt, nicht gegen die Zulassung Serbiens an die Adriaküste, wohl
aber unbedingt sür die Erwerbung und Festhaltung Valonas und der übrigen
Schlüsselpunkie des Binnenmeers durch Österreich-Ungarn. Und es spricht ebenso
zwingend dafür, daß der gemeinsame Seehafen Österreichs, Trieft — ebenso das
ungarische Fiume — nicht in die Haro eines ganz oder halb selbständigen, von
Sonderinteressen beherrschten slawischen politischen Gebildes gegeben werden dürfen.
Das Hinterland Fiumes ist rein kroatisch, kann für Ungarn also nur durch ein
befriedigtes, mit Ungarn eng verbundenes und am besten ihm staatlich wie bisher
eingegliedertes Kroatentum gesichert werden. Befriedigt können die Kroaten aber
nur durch die Aufhebung der Grenzen werden, welche Kroatien von dem gemein¬
samen Verwaltungsgebiet und von Dalmatien trennen.

Verwickelter liegen die nationalen Verhältnisse an Österreichs Weg zur Adria.
Slovenen von Untersteier bis Nordistrien und in die Umgebung („Territorium")
von Trieft, durchsetzt mit zahlreichen gedeihenden deutschen Sprachinseln, Kroaten
in Südistrien, Italiener in Trieft und anderen Küstenstrichen und Städten, daneben
alte bedrohte und neue anwachsende deutsche Minderheiten im „Küstenland";
Furlaner und Slowenen neben Italienern im Görzischen und auch in Friaul.
Träger des Staatsgedankens sind hier die Deutschen; soll Trieft wirklich ein Reichs¬
hafen werden, so muß in dieser Stadt, aber auch auf dem Wege zu ihr das
Deutschtum gefördert werden. Weniger durch Kolonisation, die nur im kleinen
erfolgen kann, als durch Förderung industrieller und kommerzieller Unternehmungen,
wobei man aus reichsdeuische Unternehmer und Kapitalien hofft. Die Triester
Reichsdeutschen, deren gesellschaftliche Stellung ihnen Einfluß gibt, waren bisher
freilich nichts weniger als national; vielleicht lehrte der Krieg sie umlernen. Die
Regierung hatte die Gelegenheit, in Trieft Wandel zu schaffen. Aber sie wurde
nicht benützt. Schlimmer als die unangebrachte Milde gegen die ziemlich ver¬
schüchterten Jrredentisten erscheint den dortigen Deutschen die unverkennbare
Slowenisierungstendenz. Trieft darf nach ihrer wohlerwogenen Ansicht ebensowenig
ein südslawischer als ein italienischer Hafen werden*). Deshalb fordert man
vielfach die Reichsunmiltelbarkeit der Stadt und eine wirklich österreichische Ver¬
waltung. Auch gemäßigte Jugoslawen, welche die Unentbehrlichkeit des Hafens
für das Hinterland einsehen, stimmen dieser zu und wollen einen „Korridor" für
Osterreich durch den Südslawenstaat zugestehen. Gegen sie hat sich aber sogar
Herr von Seidler ausgesprochen, der am 3. Mai erklärte, in ein südslawisches
Smatsgebilde, wenn ein solches im Rahmen der Monarchie zustandekomme, dürften
vor allem nicht jene Teile des österreichischen Staatsgebiets einbezogen werden,
die auf dem Wege zur Adria liegen und die in inniger Verbindung mit dem



*) Mit Recht betont die Entschließung des Leobener Volkstags vom 9. Mai, daß die
Hafenstadt nicht „zum Mittelpunkt einer den deutschen Handel lähmenden slawischen Handels¬
politik werden" darf. Auch der Nichtdeutsche Mitvcchi lDeckmime für Tumicich), Trieft, der
Jrredentismus und die Zukunft Triests, Graz 1917, spricht sich in einem lesenswerten Buch
gegen die Slawisierung Triests und für die Kräftigung seines Deutschtums aus.
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[0254] Deutschösterreich und die südslawische Frage Gegner, die sich seit Jahren angelegentlich um die südslawische Frage kümmern, vor allem die Engländer mit ihrem Weltblick, gehen ja von den geographischen Bedingungen aus. Sehr zutreffend hat dies kürzlich Paul Samassa in einem von der Präger Zensur übel zugerichteten Aufsatz der „Deutschen Arbeit" (April 1918) hervorgehoben. Wie ein tschechoslowakisches Reich eine Flankenstellung gegen Deutschland und das Deutschtum, so bietet ihnen ein südslawischer Staat „einen Brückenkopf und gleichzeitig ein Aufmarschgebiet gegen die Linie Berlin— Bagdad". Verkünden die „Jugoslawen", daß sie das Deutschtum, Osterreich und das Deutsche Reich in Verkehr, Wirtschaft und Politik von Südosteuropa „abriegeln" wollen, so hätte ein politisches Gebilde, wie sie es erstreben, für England den Vor¬ teil der Schwäche und daher Lenksamkeit. Italien beiderseits der Adria könnte diese zwar abriegeln, aber selbst zu mächtig werden; ein schwaches Italien auf ihrer einen, ein schwacher Slawenstaat auf der anderen Seite, beide anlehnungsbedürftig, müßten unter allen Umständen Werkzeuge der Entente bleiben. Das spricht, nebenbei bemerkt, nicht gegen die Zulassung Serbiens an die Adriaküste, wohl aber unbedingt sür die Erwerbung und Festhaltung Valonas und der übrigen Schlüsselpunkie des Binnenmeers durch Österreich-Ungarn. Und es spricht ebenso zwingend dafür, daß der gemeinsame Seehafen Österreichs, Trieft — ebenso das ungarische Fiume — nicht in die Haro eines ganz oder halb selbständigen, von Sonderinteressen beherrschten slawischen politischen Gebildes gegeben werden dürfen. Das Hinterland Fiumes ist rein kroatisch, kann für Ungarn also nur durch ein befriedigtes, mit Ungarn eng verbundenes und am besten ihm staatlich wie bisher eingegliedertes Kroatentum gesichert werden. Befriedigt können die Kroaten aber nur durch die Aufhebung der Grenzen werden, welche Kroatien von dem gemein¬ samen Verwaltungsgebiet und von Dalmatien trennen. Verwickelter liegen die nationalen Verhältnisse an Österreichs Weg zur Adria. Slovenen von Untersteier bis Nordistrien und in die Umgebung („Territorium") von Trieft, durchsetzt mit zahlreichen gedeihenden deutschen Sprachinseln, Kroaten in Südistrien, Italiener in Trieft und anderen Küstenstrichen und Städten, daneben alte bedrohte und neue anwachsende deutsche Minderheiten im „Küstenland"; Furlaner und Slowenen neben Italienern im Görzischen und auch in Friaul. Träger des Staatsgedankens sind hier die Deutschen; soll Trieft wirklich ein Reichs¬ hafen werden, so muß in dieser Stadt, aber auch auf dem Wege zu ihr das Deutschtum gefördert werden. Weniger durch Kolonisation, die nur im kleinen erfolgen kann, als durch Förderung industrieller und kommerzieller Unternehmungen, wobei man aus reichsdeuische Unternehmer und Kapitalien hofft. Die Triester Reichsdeutschen, deren gesellschaftliche Stellung ihnen Einfluß gibt, waren bisher freilich nichts weniger als national; vielleicht lehrte der Krieg sie umlernen. Die Regierung hatte die Gelegenheit, in Trieft Wandel zu schaffen. Aber sie wurde nicht benützt. Schlimmer als die unangebrachte Milde gegen die ziemlich ver¬ schüchterten Jrredentisten erscheint den dortigen Deutschen die unverkennbare Slowenisierungstendenz. Trieft darf nach ihrer wohlerwogenen Ansicht ebensowenig ein südslawischer als ein italienischer Hafen werden*). Deshalb fordert man vielfach die Reichsunmiltelbarkeit der Stadt und eine wirklich österreichische Ver¬ waltung. Auch gemäßigte Jugoslawen, welche die Unentbehrlichkeit des Hafens für das Hinterland einsehen, stimmen dieser zu und wollen einen „Korridor" für Osterreich durch den Südslawenstaat zugestehen. Gegen sie hat sich aber sogar Herr von Seidler ausgesprochen, der am 3. Mai erklärte, in ein südslawisches Smatsgebilde, wenn ein solches im Rahmen der Monarchie zustandekomme, dürften vor allem nicht jene Teile des österreichischen Staatsgebiets einbezogen werden, die auf dem Wege zur Adria liegen und die in inniger Verbindung mit dem *) Mit Recht betont die Entschließung des Leobener Volkstags vom 9. Mai, daß die Hafenstadt nicht „zum Mittelpunkt einer den deutschen Handel lähmenden slawischen Handels¬ politik werden" darf. Auch der Nichtdeutsche Mitvcchi lDeckmime für Tumicich), Trieft, der Jrredentismus und die Zukunft Triests, Graz 1917, spricht sich in einem lesenswerten Buch gegen die Slawisierung Triests und für die Kräftigung seines Deutschtums aus.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/254>, abgerufen am 24.05.2024.