Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Zusammenbruch?
Georg Lleinow von

"Emßche für VflichiezMAng

bis zum Aeußersten!" Das hat einst ein deutscher Offizier dem
Kaiser aus dem fernen Kiautschou gedrahtet, als schon der Tod

an die Tore seiner Festung pochte.

Auch vor der Festung Deutschland steht der Tod. Acht Mal
schon ist der Ausfall geglückt, der grinsende Schnitter zurück¬
getrieben. Letzt wird zum neunten Male Sturm geblasen. Bis
in die letzten Ecken und Winkel des Reichs dringt der Ruf zur
neuen Offensive des Geldes, zum neuen Wettkampf der silbernen

Kugeln, wie eitler Feindesdünkel sich einst ausgedrückt hat.

Spannung hält die Welt gefangen. Wird die Geschichte einst
den Onkeln wieder erzählen: ,^ . . . und alle, alle kamen! ?"
Sie dürfen nichts anderes hören und werden nichts anderes

hören, unsere Enkel, wenn jeder für uns einsteht für
Pflichterfüllung bis zum Aeußersten.
Darum zeichne!


er Fragen sind so viele, die auf uns einstürmen und alles ist so
umnebelt vom Staub der widersinnigsten Gerüchte, daß es fast un¬
möglich scheint, sich ein Bild von dem, was geschehen ist, was ge¬
schieht und was weiterhin geschehen soll, kann oder wird, zu machen,
geschweige denn anderen ein Bild davon zu geben. Am leichtesten
scheint es noch, .sich zu vergegenwärtigen, wie alles gekommen ist. Aber mögen wir
mit dem Sturze Bethmanns oder Bismarcks, mit der preußischen Wahlrechtsfrage
oder mit unserer Diplomatennot, mit Verdun oder dem Frieden von Bukarest be-
ginnen, wir kommen schließlich doch nur zu den nämlichen Staubwolken, hinter
denen wir ebenso gut Schutt wie festes Gemäuer vermuten können. Wenn man
gewissen Berliner Stimmen glauben wollte, müßten wir uns auf einen Trümmer-
Haufen gefaßt machen. Ein historischer Rückblick hat aber auch seine Schwächen:


Grenzboten IV 1018 , - 3


Zusammenbruch?
Georg Lleinow von

„Emßche für VflichiezMAng

bis zum Aeußersten!" Das hat einst ein deutscher Offizier dem
Kaiser aus dem fernen Kiautschou gedrahtet, als schon der Tod

an die Tore seiner Festung pochte.

Auch vor der Festung Deutschland steht der Tod. Acht Mal
schon ist der Ausfall geglückt, der grinsende Schnitter zurück¬
getrieben. Letzt wird zum neunten Male Sturm geblasen. Bis
in die letzten Ecken und Winkel des Reichs dringt der Ruf zur
neuen Offensive des Geldes, zum neuen Wettkampf der silbernen

Kugeln, wie eitler Feindesdünkel sich einst ausgedrückt hat.

Spannung hält die Welt gefangen. Wird die Geschichte einst
den Onkeln wieder erzählen: ,^ . . . und alle, alle kamen! ?"
Sie dürfen nichts anderes hören und werden nichts anderes

hören, unsere Enkel, wenn jeder für uns einsteht für
Pflichterfüllung bis zum Aeußersten.
Darum zeichne!


er Fragen sind so viele, die auf uns einstürmen und alles ist so
umnebelt vom Staub der widersinnigsten Gerüchte, daß es fast un¬
möglich scheint, sich ein Bild von dem, was geschehen ist, was ge¬
schieht und was weiterhin geschehen soll, kann oder wird, zu machen,
geschweige denn anderen ein Bild davon zu geben. Am leichtesten
scheint es noch, .sich zu vergegenwärtigen, wie alles gekommen ist. Aber mögen wir
mit dem Sturze Bethmanns oder Bismarcks, mit der preußischen Wahlrechtsfrage
oder mit unserer Diplomatennot, mit Verdun oder dem Frieden von Bukarest be-
ginnen, wir kommen schließlich doch nur zu den nämlichen Staubwolken, hinter
denen wir ebenso gut Schutt wie festes Gemäuer vermuten können. Wenn man
gewissen Berliner Stimmen glauben wollte, müßten wir uns auf einen Trümmer-
Haufen gefaßt machen. Ein historischer Rückblick hat aber auch seine Schwächen:


Grenzboten IV 1018 , - 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88283"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341907_88238/figures/grenzboten_341907_88238_88283_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zusammenbruch?<lb/><note type="byline"> Georg Lleinow</note> von </head><lb/>
          <quote type="epigraph"> &#x201E;Emßche für VflichiezMAng<lb/><p xml:id="ID_119"> bis zum Aeußersten!" Das hat einst ein deutscher Offizier dem<lb/>
Kaiser aus dem fernen Kiautschou gedrahtet, als schon der Tod</p><p xml:id="ID_120"> an die Tore seiner Festung pochte.</p><lb/><p xml:id="ID_121"> Auch vor der Festung Deutschland steht der Tod. Acht Mal<lb/>
schon ist der Ausfall geglückt, der grinsende Schnitter zurück¬<lb/>
getrieben. Letzt wird zum neunten Male Sturm geblasen. Bis<lb/>
in die letzten Ecken und Winkel des Reichs dringt der Ruf zur<lb/>
neuen Offensive des Geldes, zum neuen Wettkampf der silbernen</p><p xml:id="ID_122"> Kugeln, wie eitler Feindesdünkel sich einst ausgedrückt hat.</p><lb/><p xml:id="ID_123"> Spannung hält die Welt gefangen. Wird die Geschichte einst<lb/>
den Onkeln wieder erzählen: ,^ . . . und alle, alle kamen! ?"<lb/>
Sie dürfen nichts anderes hören und werden nichts anderes</p><p xml:id="ID_124"> hören, unsere Enkel, wenn jeder für uns einsteht für<lb/>
Pflichterfüllung bis zum Aeußersten.<lb/>
Darum zeichne!</p></quote><lb/>
          <p xml:id="ID_125" next="#ID_126"> er Fragen sind so viele, die auf uns einstürmen und alles ist so<lb/>
umnebelt vom Staub der widersinnigsten Gerüchte, daß es fast un¬<lb/>
möglich scheint, sich ein Bild von dem, was geschehen ist, was ge¬<lb/>
schieht und was weiterhin geschehen soll, kann oder wird, zu machen,<lb/>
geschweige denn anderen ein Bild davon zu geben. Am leichtesten<lb/>
scheint es noch, .sich zu vergegenwärtigen, wie alles gekommen ist. Aber mögen wir<lb/>
mit dem Sturze Bethmanns oder Bismarcks, mit der preußischen Wahlrechtsfrage<lb/>
oder mit unserer Diplomatennot, mit Verdun oder dem Frieden von Bukarest be-<lb/>
ginnen, wir kommen schließlich doch nur zu den nämlichen Staubwolken, hinter<lb/>
denen wir ebenso gut Schutt wie festes Gemäuer vermuten können. Wenn man<lb/>
gewissen Berliner Stimmen glauben wollte, müßten wir uns auf einen Trümmer-<lb/>
Haufen gefaßt machen. Ein historischer Rückblick hat aber auch seine Schwächen:</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1018 , - 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] [Abbildung] Zusammenbruch? Georg Lleinow von „Emßche für VflichiezMAng bis zum Aeußersten!" Das hat einst ein deutscher Offizier dem Kaiser aus dem fernen Kiautschou gedrahtet, als schon der Tod an die Tore seiner Festung pochte. Auch vor der Festung Deutschland steht der Tod. Acht Mal schon ist der Ausfall geglückt, der grinsende Schnitter zurück¬ getrieben. Letzt wird zum neunten Male Sturm geblasen. Bis in die letzten Ecken und Winkel des Reichs dringt der Ruf zur neuen Offensive des Geldes, zum neuen Wettkampf der silbernen Kugeln, wie eitler Feindesdünkel sich einst ausgedrückt hat. Spannung hält die Welt gefangen. Wird die Geschichte einst den Onkeln wieder erzählen: ,^ . . . und alle, alle kamen! ?" Sie dürfen nichts anderes hören und werden nichts anderes hören, unsere Enkel, wenn jeder für uns einsteht für Pflichterfüllung bis zum Aeußersten. Darum zeichne! er Fragen sind so viele, die auf uns einstürmen und alles ist so umnebelt vom Staub der widersinnigsten Gerüchte, daß es fast un¬ möglich scheint, sich ein Bild von dem, was geschehen ist, was ge¬ schieht und was weiterhin geschehen soll, kann oder wird, zu machen, geschweige denn anderen ein Bild davon zu geben. Am leichtesten scheint es noch, .sich zu vergegenwärtigen, wie alles gekommen ist. Aber mögen wir mit dem Sturze Bethmanns oder Bismarcks, mit der preußischen Wahlrechtsfrage oder mit unserer Diplomatennot, mit Verdun oder dem Frieden von Bukarest be- ginnen, wir kommen schließlich doch nur zu den nämlichen Staubwolken, hinter denen wir ebenso gut Schutt wie festes Gemäuer vermuten können. Wenn man gewissen Berliner Stimmen glauben wollte, müßten wir uns auf einen Trümmer- Haufen gefaßt machen. Ein historischer Rückblick hat aber auch seine Schwächen: Grenzboten IV 1018 , - 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/45
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/45>, abgerufen am 04.05.2024.