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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Gi-ensboten
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Berlin SW n

politisches Heldentum
Lari Georg Bruns von

is der deutsche Zusammenbruch im Oktober und November 1913
idie von langer Hand angesammelten Krankheitsstoffe im deutschen
Volkskörper zum akuten Ausbruch brachte, da war eins der hervor¬
stechenden Krankheitssymptome der Ruf nach dem Schuldigen. Von
ganz verschwindenden Ausnahmen abgesehen war sich damals die
gesamte deutsche Öffentlichkeit über die Schuld der alten deutschen
Regierung einig. Man sah die Schuld verschieden. Die einen sprachen der
alten deutschen Regierung die Schuld für die Herbeiführung des Krieges zu,
andere glaubten zwar an eine noch gröszere Schuld des Auslandes, sahen aber
doch in dem Verlauf des Krieges den Beweis dafür, daß eine weitsichtige deutsche
Regierung einen, wie man meinte, aussichtslosen Krieg um jeden Preis hätte
verhindern müssen, jedenfalls aber sah man eine schwere Schuld darin, daß der
Krieg nicht längst zum Abschluß gebracht worden war.

Als . im Verlauf des Krieges der erbitterte Kampf im öffentlichen Leben
Deutschlands um die Kriegsziele und die Anwendung der militärischen und
Politischen Mittel der Kriegführung tobte, da ging durch alle Meinungsverschieden¬
heiten ein großer Gegensatz hindurch. Nicht zum Vorteil einer sachlichen Klärung
der Gegensätze, die gegeneinander ausgekämpft wurden, ist diese Tatsache durch
allgemeine Schlagworte wie Verständigungs- und Verzichtfrieden auf der einen,
Gewallfrieden auf der anderen Seite verdunkelt worden. Zum gleichen Schaden
glaubten im allgemeinen auch bei dem Kampf um den deutschen U-Boot-Krieg
die Verfechter der verschiedenen Ansichten, daß sie lediglich in Fragen der Zweck¬
mäßigkeit und der Taktik auseinandergingen. In Wahrheit stand bei allen diesen
Kämpfen derselbe große Gegensatz in: Hintergrunde. Auf der einen Seite standen
die Männer, die an eine Beendigung des Krieges durch Verständigung glaubten,
die es für möglich hielten, dnrch ein Mehr oder Weniger von Zugeständnissen
die Basis für einen Friedensschluß herstellen zu können; die Männer, die
glaubten, es gälte nur Mißverständnisse aus dem Wege zu räumen, und die
deshalb logischerweise zu der Folgerung kamen, daß man auch dem Gegner die
politische KonA 5in!e3 zubilligen müsse. Auf der anderen Seite standen alle die,
die beim Gegner den rücksichtslosen Vernichtungswillen erkannt zu haben glaubten,
die Deutschland an einem welthistorischen Scheidewege angelangt sahen, wo der
eine Weg das Bismarcksche Werk der Aufrichtung eines einheitlichen starken
deutsch^,, Reiches zum endgültigen Abschluß führte, und der andere Weg das
Ringen der letzten Jahrhunderte mit einem Schlage zunichte machen mußte. Je
nach dieser verschiedenen Einstellung gegenüber den Kräften, die zum Kriege


Gi'enzboten II 1919 17


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Lari Georg Bruns von

is der deutsche Zusammenbruch im Oktober und November 1913
idie von langer Hand angesammelten Krankheitsstoffe im deutschen
Volkskörper zum akuten Ausbruch brachte, da war eins der hervor¬
stechenden Krankheitssymptome der Ruf nach dem Schuldigen. Von
ganz verschwindenden Ausnahmen abgesehen war sich damals die
gesamte deutsche Öffentlichkeit über die Schuld der alten deutschen
Regierung einig. Man sah die Schuld verschieden. Die einen sprachen der
alten deutschen Regierung die Schuld für die Herbeiführung des Krieges zu,
andere glaubten zwar an eine noch gröszere Schuld des Auslandes, sahen aber
doch in dem Verlauf des Krieges den Beweis dafür, daß eine weitsichtige deutsche
Regierung einen, wie man meinte, aussichtslosen Krieg um jeden Preis hätte
verhindern müssen, jedenfalls aber sah man eine schwere Schuld darin, daß der
Krieg nicht längst zum Abschluß gebracht worden war.

Als . im Verlauf des Krieges der erbitterte Kampf im öffentlichen Leben
Deutschlands um die Kriegsziele und die Anwendung der militärischen und
Politischen Mittel der Kriegführung tobte, da ging durch alle Meinungsverschieden¬
heiten ein großer Gegensatz hindurch. Nicht zum Vorteil einer sachlichen Klärung
der Gegensätze, die gegeneinander ausgekämpft wurden, ist diese Tatsache durch
allgemeine Schlagworte wie Verständigungs- und Verzichtfrieden auf der einen,
Gewallfrieden auf der anderen Seite verdunkelt worden. Zum gleichen Schaden
glaubten im allgemeinen auch bei dem Kampf um den deutschen U-Boot-Krieg
die Verfechter der verschiedenen Ansichten, daß sie lediglich in Fragen der Zweck¬
mäßigkeit und der Taktik auseinandergingen. In Wahrheit stand bei allen diesen
Kämpfen derselbe große Gegensatz in: Hintergrunde. Auf der einen Seite standen
die Männer, die an eine Beendigung des Krieges durch Verständigung glaubten,
die es für möglich hielten, dnrch ein Mehr oder Weniger von Zugeständnissen
die Basis für einen Friedensschluß herstellen zu können; die Männer, die
glaubten, es gälte nur Mißverständnisse aus dem Wege zu räumen, und die
deshalb logischerweise zu der Folgerung kamen, daß man auch dem Gegner die
politische KonA 5in!e3 zubilligen müsse. Auf der anderen Seite standen alle die,
die beim Gegner den rücksichtslosen Vernichtungswillen erkannt zu haben glaubten,
die Deutschland an einem welthistorischen Scheidewege angelangt sahen, wo der
eine Weg das Bismarcksche Werk der Aufrichtung eines einheitlichen starken
deutsch^,, Reiches zum endgültigen Abschluß führte, und der andere Weg das
Ringen der letzten Jahrhunderte mit einem Schlage zunichte machen mußte. Je
nach dieser verschiedenen Einstellung gegenüber den Kräften, die zum Kriege


Gi'enzboten II 1919 17
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/205>, abgerufen am 29.04.2024.