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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Aristokratische und demokratische Bildungsbegriffe

Aristokratische und demokratische Vildungsbegriffe
Professor Paul sinket von

l ergebrachte Worte zwingen uns noch lange in den Bann veralteter
l Begriffe, wenn schon die Verhältnisse sich längst geändert haben.
Was die Worte Aristokratie und Demokratie ursprünglich bedeuteten,
Ipaßt nicht mehr auf unsere Zeit. Weder kann heute von einer
^' Herrschaft des Demos, des ganzen Volkes die Rede sein, noch auch
! von einer schrankenlosen Gewalt der Aristoi, der Tüchtigsten. Nur
allgemeine Richtungen des politischen Lebens geben diese Ausdrücke noch wieder.
Aber sie bezeichnen auch keine sich ausschließenden Gegensätze mehr. Demokratie
besagt im Grunde nur die Anteilnahme des Volkes an der Leitung des Staates,
und dem wird auch der aristokratisch Gesinnte, ist er nicht ganz wellfremd und
doktrinär, zustimmen; Aristokratie wiederum kann nur die Bedeutung der Aristagie
haben, d. h. der Führung und des überwiegenden Einflusses der Tüchtigsten und
Fähigsten, und das ist schließlich das, was der vernünftige und gemäßigte Demo¬
krat wünscht. Die geschichtliche Entwicklung scheint auch nicht so zu verlaufen,
daß eine schroff aristokratische Verfassung allmählich durch eine ebenso schroff
demokratische ersetzt würde, vielmehr in der Richtung, daß eine Versöhnung beider
Gegensätze eintritt. Der Kampf zwischen ihnen wird zwar nie aufhören, da sie
auf ursprünglichen typischen Anlagen der Menschennatur beruhen; aber er wird
auf eine immer höhere Stufe erhoben.

Die Wandlung der Begriffe aristokratisch und demokratisch spiegelt sich auch
in der Geschichte der Bildung wieder. Das Mittelalter zeigt uns den rein aristo¬
kratischen Bilbungsbegriff. Nur ein Stand, die Geistlichkeit, war der Gebildete.
Höheres Wissen war sein Vorrecht und verlieh ihm Macht. Die Kluft zwischen
Gebildeten und Ungebildeten war tief; sie zu überbrücken lag nicht im Interesse
der oberen Schicht. Seit der Renaissance und der Reformation sind dann nach
und nach andere Stände und Berufe in den Kreis der Gebildeten eingetreten, bis
heutzutage auch der vierte Stand Anteil an der Bildung erstrebt, so daß sich das
Ideal der allgemeinen Volksbildung immer nuchr zu erfüllen scheint. Trotz der
Demokratisierung der Bildung wirkt aber das aristokratische Ideal bis heute noch
stark nach. In seiner reinsten Ausprägung knüpfte es Bildung an einen be¬
stimmten Kreis von Kenntnissen, die nur einer sozial ausgezeichneten Gruppe zu¬
gänglich waren, so bei dem Kleriker des Mittelalters, bei dem höfisch erzogenen
Weltmann und Kavalier des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, der fran¬
zösisch sprechen mußte, und dem akaoemisch Gebildeten des neunzehnten Jahrhunderts,
dessen Bildung wesentlich durch die Kenntnis der klassischen sprachen bedingt war.
Dieses letzte vorwiegend intellektualistische Bildungsideal hat dann noch eine
"aristokratische" Verschärfung durch das Berechtigungswesen der höheren Schulen
erfahren, weil dadurch Schranken errichtet wurden, die im allgemeinen nur den
Bemittelten leicht zu überschreiten waren. Der Foster dieses falschen Bildungs¬
begriffes liegt darin, daß er Bildung und Besitz zusammenkopptlt und letzten
Endes beide als Mittel des Machtstrebens benutzt. Bildung erscheint von diesem
Standpunkt aus als ein Vorrecht der besitzenden Klassen, und diese klassenegoistischc
und unsoziale Gesinnung führt in ihrer äußersten Zuspitzung zu dem Bestreben,
dem Volke Wissen und Bildung vorzuenthalten, um sein Emporkommen zu hemmen.
Solche Anschauungen dürfen heute im großen und ganzen als überwunden gelten.
Wie sie antisozial sind, so auch im tieferen Sinne anliliberal.

Im scharfen Gegensatze zu diesem Begriffe, der Bildung einseitig mit der
gesellschaftlichen Stellung des einzelnen verknüpft, weist das streng demokratische
Vildungsideal aus die ursprüngliche und natürliche Gleichheit der Menschen hin
und verlangt daher gleiche Bildung für alle. Marat hätte während der franzö¬
sischen Revolution am liebsten die ganze Intelligenz Frankreichs aus die Guillotine
gebracht, um diese Idee durchzuführen. Aber sie ist womöglich noch unsinniger


Aristokratische und demokratische Bildungsbegriffe

Aristokratische und demokratische Vildungsbegriffe
Professor Paul sinket von

l ergebrachte Worte zwingen uns noch lange in den Bann veralteter
l Begriffe, wenn schon die Verhältnisse sich längst geändert haben.
Was die Worte Aristokratie und Demokratie ursprünglich bedeuteten,
Ipaßt nicht mehr auf unsere Zeit. Weder kann heute von einer
^' Herrschaft des Demos, des ganzen Volkes die Rede sein, noch auch
! von einer schrankenlosen Gewalt der Aristoi, der Tüchtigsten. Nur
allgemeine Richtungen des politischen Lebens geben diese Ausdrücke noch wieder.
Aber sie bezeichnen auch keine sich ausschließenden Gegensätze mehr. Demokratie
besagt im Grunde nur die Anteilnahme des Volkes an der Leitung des Staates,
und dem wird auch der aristokratisch Gesinnte, ist er nicht ganz wellfremd und
doktrinär, zustimmen; Aristokratie wiederum kann nur die Bedeutung der Aristagie
haben, d. h. der Führung und des überwiegenden Einflusses der Tüchtigsten und
Fähigsten, und das ist schließlich das, was der vernünftige und gemäßigte Demo¬
krat wünscht. Die geschichtliche Entwicklung scheint auch nicht so zu verlaufen,
daß eine schroff aristokratische Verfassung allmählich durch eine ebenso schroff
demokratische ersetzt würde, vielmehr in der Richtung, daß eine Versöhnung beider
Gegensätze eintritt. Der Kampf zwischen ihnen wird zwar nie aufhören, da sie
auf ursprünglichen typischen Anlagen der Menschennatur beruhen; aber er wird
auf eine immer höhere Stufe erhoben.

Die Wandlung der Begriffe aristokratisch und demokratisch spiegelt sich auch
in der Geschichte der Bildung wieder. Das Mittelalter zeigt uns den rein aristo¬
kratischen Bilbungsbegriff. Nur ein Stand, die Geistlichkeit, war der Gebildete.
Höheres Wissen war sein Vorrecht und verlieh ihm Macht. Die Kluft zwischen
Gebildeten und Ungebildeten war tief; sie zu überbrücken lag nicht im Interesse
der oberen Schicht. Seit der Renaissance und der Reformation sind dann nach
und nach andere Stände und Berufe in den Kreis der Gebildeten eingetreten, bis
heutzutage auch der vierte Stand Anteil an der Bildung erstrebt, so daß sich das
Ideal der allgemeinen Volksbildung immer nuchr zu erfüllen scheint. Trotz der
Demokratisierung der Bildung wirkt aber das aristokratische Ideal bis heute noch
stark nach. In seiner reinsten Ausprägung knüpfte es Bildung an einen be¬
stimmten Kreis von Kenntnissen, die nur einer sozial ausgezeichneten Gruppe zu¬
gänglich waren, so bei dem Kleriker des Mittelalters, bei dem höfisch erzogenen
Weltmann und Kavalier des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, der fran¬
zösisch sprechen mußte, und dem akaoemisch Gebildeten des neunzehnten Jahrhunderts,
dessen Bildung wesentlich durch die Kenntnis der klassischen sprachen bedingt war.
Dieses letzte vorwiegend intellektualistische Bildungsideal hat dann noch eine
„aristokratische" Verschärfung durch das Berechtigungswesen der höheren Schulen
erfahren, weil dadurch Schranken errichtet wurden, die im allgemeinen nur den
Bemittelten leicht zu überschreiten waren. Der Foster dieses falschen Bildungs¬
begriffes liegt darin, daß er Bildung und Besitz zusammenkopptlt und letzten
Endes beide als Mittel des Machtstrebens benutzt. Bildung erscheint von diesem
Standpunkt aus als ein Vorrecht der besitzenden Klassen, und diese klassenegoistischc
und unsoziale Gesinnung führt in ihrer äußersten Zuspitzung zu dem Bestreben,
dem Volke Wissen und Bildung vorzuenthalten, um sein Emporkommen zu hemmen.
Solche Anschauungen dürfen heute im großen und ganzen als überwunden gelten.
Wie sie antisozial sind, so auch im tieferen Sinne anliliberal.

Im scharfen Gegensatze zu diesem Begriffe, der Bildung einseitig mit der
gesellschaftlichen Stellung des einzelnen verknüpft, weist das streng demokratische
Vildungsideal aus die ursprüngliche und natürliche Gleichheit der Menschen hin
und verlangt daher gleiche Bildung für alle. Marat hätte während der franzö¬
sischen Revolution am liebsten die ganze Intelligenz Frankreichs aus die Guillotine
gebracht, um diese Idee durchzuführen. Aber sie ist womöglich noch unsinniger


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[0304] Aristokratische und demokratische Bildungsbegriffe Aristokratische und demokratische Vildungsbegriffe Professor Paul sinket von l ergebrachte Worte zwingen uns noch lange in den Bann veralteter l Begriffe, wenn schon die Verhältnisse sich längst geändert haben. Was die Worte Aristokratie und Demokratie ursprünglich bedeuteten, Ipaßt nicht mehr auf unsere Zeit. Weder kann heute von einer ^' Herrschaft des Demos, des ganzen Volkes die Rede sein, noch auch ! von einer schrankenlosen Gewalt der Aristoi, der Tüchtigsten. Nur allgemeine Richtungen des politischen Lebens geben diese Ausdrücke noch wieder. Aber sie bezeichnen auch keine sich ausschließenden Gegensätze mehr. Demokratie besagt im Grunde nur die Anteilnahme des Volkes an der Leitung des Staates, und dem wird auch der aristokratisch Gesinnte, ist er nicht ganz wellfremd und doktrinär, zustimmen; Aristokratie wiederum kann nur die Bedeutung der Aristagie haben, d. h. der Führung und des überwiegenden Einflusses der Tüchtigsten und Fähigsten, und das ist schließlich das, was der vernünftige und gemäßigte Demo¬ krat wünscht. Die geschichtliche Entwicklung scheint auch nicht so zu verlaufen, daß eine schroff aristokratische Verfassung allmählich durch eine ebenso schroff demokratische ersetzt würde, vielmehr in der Richtung, daß eine Versöhnung beider Gegensätze eintritt. Der Kampf zwischen ihnen wird zwar nie aufhören, da sie auf ursprünglichen typischen Anlagen der Menschennatur beruhen; aber er wird auf eine immer höhere Stufe erhoben. Die Wandlung der Begriffe aristokratisch und demokratisch spiegelt sich auch in der Geschichte der Bildung wieder. Das Mittelalter zeigt uns den rein aristo¬ kratischen Bilbungsbegriff. Nur ein Stand, die Geistlichkeit, war der Gebildete. Höheres Wissen war sein Vorrecht und verlieh ihm Macht. Die Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten war tief; sie zu überbrücken lag nicht im Interesse der oberen Schicht. Seit der Renaissance und der Reformation sind dann nach und nach andere Stände und Berufe in den Kreis der Gebildeten eingetreten, bis heutzutage auch der vierte Stand Anteil an der Bildung erstrebt, so daß sich das Ideal der allgemeinen Volksbildung immer nuchr zu erfüllen scheint. Trotz der Demokratisierung der Bildung wirkt aber das aristokratische Ideal bis heute noch stark nach. In seiner reinsten Ausprägung knüpfte es Bildung an einen be¬ stimmten Kreis von Kenntnissen, die nur einer sozial ausgezeichneten Gruppe zu¬ gänglich waren, so bei dem Kleriker des Mittelalters, bei dem höfisch erzogenen Weltmann und Kavalier des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, der fran¬ zösisch sprechen mußte, und dem akaoemisch Gebildeten des neunzehnten Jahrhunderts, dessen Bildung wesentlich durch die Kenntnis der klassischen sprachen bedingt war. Dieses letzte vorwiegend intellektualistische Bildungsideal hat dann noch eine „aristokratische" Verschärfung durch das Berechtigungswesen der höheren Schulen erfahren, weil dadurch Schranken errichtet wurden, die im allgemeinen nur den Bemittelten leicht zu überschreiten waren. Der Foster dieses falschen Bildungs¬ begriffes liegt darin, daß er Bildung und Besitz zusammenkopptlt und letzten Endes beide als Mittel des Machtstrebens benutzt. Bildung erscheint von diesem Standpunkt aus als ein Vorrecht der besitzenden Klassen, und diese klassenegoistischc und unsoziale Gesinnung führt in ihrer äußersten Zuspitzung zu dem Bestreben, dem Volke Wissen und Bildung vorzuenthalten, um sein Emporkommen zu hemmen. Solche Anschauungen dürfen heute im großen und ganzen als überwunden gelten. Wie sie antisozial sind, so auch im tieferen Sinne anliliberal. Im scharfen Gegensatze zu diesem Begriffe, der Bildung einseitig mit der gesellschaftlichen Stellung des einzelnen verknüpft, weist das streng demokratische Vildungsideal aus die ursprüngliche und natürliche Gleichheit der Menschen hin und verlangt daher gleiche Bildung für alle. Marat hätte während der franzö¬ sischen Revolution am liebsten die ganze Intelligenz Frankreichs aus die Guillotine gebracht, um diese Idee durchzuführen. Aber sie ist womöglich noch unsinniger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/304>, abgerufen am 29.04.2024.