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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Neudentscher Genieinsinn

fortzusetzen. Mein Programm ist aufgestellt worden, ohne daß ich auf den
Beistand der Amerikaner zählte. Ich berechnete, daß selbst mit den Ver¬
lusten aus dem U-Bootkrieg Deutschland niemals imstande sein würde, uns
auszuhungern, und nun bekommen wir die ganze Hilfe der Amerikaner.
Wir nutzen unser ganzes Land aus, und Sie wissen, daß England Jahrhunderte lang
imstande gewesen ist, sich selbst zu ernähren. Bald werden wir imstande sein, fast
alles, was wir brauchen, zu erzeugen. Wir werden unsere Wälder nieder¬
legen, um Holz zu bekommen. Wir werden alle Kohle und alles Eisen aus
unserem Boden ziehen. Wir werden niemals aufhören zu kämpfen.

Prinz: Sie sind ebenso entschlossen, wie wir selbst, diesen Krieg bis
zu Ende durchzukämpfen, Weil es um Leben oder Tod geht.....

Lloyd George: Ich glaube, das; die Allianz zwischen Frankreich und
England Jahrhunderte dauern wird und daß Frankceich und England zusammen
mit Amerika den Weltfrieden aufrecht erhalten werden . . , . . England hat sich sehr
langsam entschlossen. Die Engländer sind langsam.....aber sehr entschlossen, durch¬
zuführen, was sie unternommen haben. So haben sie alle ihre Siege gewonnen ....
Bon dem Augenblick an,, da Österreich seine Bereitschaft bekundet, das Trentino und die
dalmatinischen Inseln abzutreten, könnten wir für es in Unterhandlungen eintreten.

Aus diesen Äußerungen geht unwiderleglich hervor, daß die Gegner 1917
keineswegs in dem Maße, wie gewisse Kreise es glauben machen wollen, zum
Frieden bereit waren. Für die diplomatische Geschichte des Krieges bilden aber
diese Sixtusenthüllungen, wie die angeführten Proben beweisen dürften, eine
wichtige Quellenschrift, von der zu wünschen steht, daß sie auch der deutschen
Öffentlichkeit bald in vollem Umfange zugänglich gemacht wird.




Neudeutscher Gemeinsinn
V Max Hildebert Bochen on

>ein kennt das Zerrbild des doppelten Deutschlands, das die un-
!ermüdliche Ententepropaganda dem empfänglichen Bewußtsein der
>Welt einzuprägen verstanden hat. Man kennt vor allem auch die
tief verlogene Gebärde, mit der der angelsächsische Carl seine
j Völkerbeglückungsmission auch unserem Volke glaubhaft zu machen
suchte. Da dem Deutschen die Neigung tief eingewurzelt ist, bei erkanntem Zwie¬
spalt gegen das eigene Wesen Stellung zu nehmen, war- es eine natürliche und
berechtigte Reaktion gegen diese suggestive Weltpropagcmdn, wenn unsere Kriegs¬
literatur den Gegensatz als solchen wegzuleugnen und die Einheit des Deutsch¬
lands von Kant und Goethe mit dem von Bismarck und Krupp zu erweisen
unternahm. Daß sie damit nicht einmal das eigene Volk überzeugt hat, bewies
die Revolution mit ihrem weit ins Bürgertum hineinreichenden Sturm gegen das
Neudeutschtum. Nicht die RschtSsozialisten allein, sondern auch die bürgerliche
Mitte wollte -sich durch die Ideale des Professors Wilson vom "Militarismus",
von der "Autokratie", von allen möglichen Fürchterlichkeiten befreien lassen. Zwar


Neudentscher Genieinsinn

fortzusetzen. Mein Programm ist aufgestellt worden, ohne daß ich auf den
Beistand der Amerikaner zählte. Ich berechnete, daß selbst mit den Ver¬
lusten aus dem U-Bootkrieg Deutschland niemals imstande sein würde, uns
auszuhungern, und nun bekommen wir die ganze Hilfe der Amerikaner.
Wir nutzen unser ganzes Land aus, und Sie wissen, daß England Jahrhunderte lang
imstande gewesen ist, sich selbst zu ernähren. Bald werden wir imstande sein, fast
alles, was wir brauchen, zu erzeugen. Wir werden unsere Wälder nieder¬
legen, um Holz zu bekommen. Wir werden alle Kohle und alles Eisen aus
unserem Boden ziehen. Wir werden niemals aufhören zu kämpfen.

Prinz: Sie sind ebenso entschlossen, wie wir selbst, diesen Krieg bis
zu Ende durchzukämpfen, Weil es um Leben oder Tod geht.....

Lloyd George: Ich glaube, das; die Allianz zwischen Frankreich und
England Jahrhunderte dauern wird und daß Frankceich und England zusammen
mit Amerika den Weltfrieden aufrecht erhalten werden . . , . . England hat sich sehr
langsam entschlossen. Die Engländer sind langsam.....aber sehr entschlossen, durch¬
zuführen, was sie unternommen haben. So haben sie alle ihre Siege gewonnen ....
Bon dem Augenblick an,, da Österreich seine Bereitschaft bekundet, das Trentino und die
dalmatinischen Inseln abzutreten, könnten wir für es in Unterhandlungen eintreten.

Aus diesen Äußerungen geht unwiderleglich hervor, daß die Gegner 1917
keineswegs in dem Maße, wie gewisse Kreise es glauben machen wollen, zum
Frieden bereit waren. Für die diplomatische Geschichte des Krieges bilden aber
diese Sixtusenthüllungen, wie die angeführten Proben beweisen dürften, eine
wichtige Quellenschrift, von der zu wünschen steht, daß sie auch der deutschen
Öffentlichkeit bald in vollem Umfange zugänglich gemacht wird.




Neudeutscher Gemeinsinn
V Max Hildebert Bochen on

>ein kennt das Zerrbild des doppelten Deutschlands, das die un-
!ermüdliche Ententepropaganda dem empfänglichen Bewußtsein der
>Welt einzuprägen verstanden hat. Man kennt vor allem auch die
tief verlogene Gebärde, mit der der angelsächsische Carl seine
j Völkerbeglückungsmission auch unserem Volke glaubhaft zu machen
suchte. Da dem Deutschen die Neigung tief eingewurzelt ist, bei erkanntem Zwie¬
spalt gegen das eigene Wesen Stellung zu nehmen, war- es eine natürliche und
berechtigte Reaktion gegen diese suggestive Weltpropagcmdn, wenn unsere Kriegs¬
literatur den Gegensatz als solchen wegzuleugnen und die Einheit des Deutsch¬
lands von Kant und Goethe mit dem von Bismarck und Krupp zu erweisen
unternahm. Daß sie damit nicht einmal das eigene Volk überzeugt hat, bewies
die Revolution mit ihrem weit ins Bürgertum hineinreichenden Sturm gegen das
Neudeutschtum. Nicht die RschtSsozialisten allein, sondern auch die bürgerliche
Mitte wollte -sich durch die Ideale des Professors Wilson vom „Militarismus",
von der „Autokratie", von allen möglichen Fürchterlichkeiten befreien lassen. Zwar


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[0148] Neudentscher Genieinsinn fortzusetzen. Mein Programm ist aufgestellt worden, ohne daß ich auf den Beistand der Amerikaner zählte. Ich berechnete, daß selbst mit den Ver¬ lusten aus dem U-Bootkrieg Deutschland niemals imstande sein würde, uns auszuhungern, und nun bekommen wir die ganze Hilfe der Amerikaner. Wir nutzen unser ganzes Land aus, und Sie wissen, daß England Jahrhunderte lang imstande gewesen ist, sich selbst zu ernähren. Bald werden wir imstande sein, fast alles, was wir brauchen, zu erzeugen. Wir werden unsere Wälder nieder¬ legen, um Holz zu bekommen. Wir werden alle Kohle und alles Eisen aus unserem Boden ziehen. Wir werden niemals aufhören zu kämpfen. Prinz: Sie sind ebenso entschlossen, wie wir selbst, diesen Krieg bis zu Ende durchzukämpfen, Weil es um Leben oder Tod geht..... Lloyd George: Ich glaube, das; die Allianz zwischen Frankreich und England Jahrhunderte dauern wird und daß Frankceich und England zusammen mit Amerika den Weltfrieden aufrecht erhalten werden . . , . . England hat sich sehr langsam entschlossen. Die Engländer sind langsam.....aber sehr entschlossen, durch¬ zuführen, was sie unternommen haben. So haben sie alle ihre Siege gewonnen .... Bon dem Augenblick an,, da Österreich seine Bereitschaft bekundet, das Trentino und die dalmatinischen Inseln abzutreten, könnten wir für es in Unterhandlungen eintreten. Aus diesen Äußerungen geht unwiderleglich hervor, daß die Gegner 1917 keineswegs in dem Maße, wie gewisse Kreise es glauben machen wollen, zum Frieden bereit waren. Für die diplomatische Geschichte des Krieges bilden aber diese Sixtusenthüllungen, wie die angeführten Proben beweisen dürften, eine wichtige Quellenschrift, von der zu wünschen steht, daß sie auch der deutschen Öffentlichkeit bald in vollem Umfange zugänglich gemacht wird. Neudeutscher Gemeinsinn V Max Hildebert Bochen on >ein kennt das Zerrbild des doppelten Deutschlands, das die un- !ermüdliche Ententepropaganda dem empfänglichen Bewußtsein der >Welt einzuprägen verstanden hat. Man kennt vor allem auch die tief verlogene Gebärde, mit der der angelsächsische Carl seine j Völkerbeglückungsmission auch unserem Volke glaubhaft zu machen suchte. Da dem Deutschen die Neigung tief eingewurzelt ist, bei erkanntem Zwie¬ spalt gegen das eigene Wesen Stellung zu nehmen, war- es eine natürliche und berechtigte Reaktion gegen diese suggestive Weltpropagcmdn, wenn unsere Kriegs¬ literatur den Gegensatz als solchen wegzuleugnen und die Einheit des Deutsch¬ lands von Kant und Goethe mit dem von Bismarck und Krupp zu erweisen unternahm. Daß sie damit nicht einmal das eigene Volk überzeugt hat, bewies die Revolution mit ihrem weit ins Bürgertum hineinreichenden Sturm gegen das Neudeutschtum. Nicht die RschtSsozialisten allein, sondern auch die bürgerliche Mitte wollte -sich durch die Ideale des Professors Wilson vom „Militarismus", von der „Autokratie", von allen möglichen Fürchterlichkeiten befreien lassen. Zwar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/148>, abgerufen am 02.05.2024.