Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Ivappsche Abenteuer

I.

Die "Nationale Vereinigung", im Jahre 1919 aus dem Schmerz über
Deutschlands Zusammenbruch und Fremdherrschaft geboren, war ein Bund
idealistisch gesinnter, politisch vielleicht noch wenig geschulter Persönlichkeiten, die sich
zu hohen vaterländischen Aufgaben berufen fühlten. Sie waren durchdrungen von
der Überzeugung, daß Deutschland noch einmal eine schwere bolschewistische Gefahr
bevorstünde. Sie wollten die geistigen und materiellen Widerstandskräfte gegen
diese Gefahr sammeln und stärken. Der Gedanke eines Putsches stand den
'"eisten von ihnen fern. Ebenso wie die ernsthaften Politiker der Rechtsparteien,
hofften die meisten Mitglieder dieser Vereinigung durch die bevorstehenden und
von ihnen herbeigesehnten Neuwahlen zur Nationalversammlung zu erhöhtem
verfassungsmäßigen Einfluß zu gelangen. Sie beobachteten den wachsenden
Zug nach rechts im Volke, den Wiederaufstieg unserer Produktionskraft und
Wirtschastsenergie. das Wiedererstarken des nationalen Gedankens. Diese für
sie hoffnunggebende Entwicklung würde, das wußten sie. durch einen unüber¬
legten Pulses jäh durchschnitten werden. Die Parteien der Rechten würden
Zusammen mit der Armee die Kosten unbesonnener Streiche zahlen müssen.
Die Entwicklung der Massen zur Vernunft, die Stärkung der Staatsautorität
würde durch eine solche Unternehmung unabsehbar gehemmt werden.

Nun aber begnügte sich eine engere Gruppe innerhalb der "nationalen
Vereinigung" mit solchen Zielen und Anschauungen nicht. Diese Gruppe, aus
welcher die Verschwörung der Kappleute hervorgewachsen ist. hielt sich an¬
scheinend bereit, um nach einem von ihnen im Sommer 1920 erwarteten Pulses
°er Bolschewisten ihrerseits loszuschlagen. Auch diese Gruppe scheint aber an
e'"e Erhebung im März 1920 nicht gedacht zu haben. Ihr Führer war
Hauptmann Pabst, der schon als Kriegsakademiker durch starke Gaben, aber
auch schrankenlosen Ehrgeiz aufgefallen und dem im Frieden die Qualifikation
als Generalstäbler versagt worden war. Im Kriege holte er durch bedeutende
Leistungen die letztere nach und erwarb sich im Frühjahr 1919 bei der Säube¬
rung Berlins vom Spartakismns bleibende Verdienste. Vom Drange beseelt,
erster Reihe zu stehen und alles auf seine eigene Person beziehend, hatte
Pabst dann schon im Sommer 191!) die nationale Empörung über den Friedens-
vettrag zu einer bewaffneten Erhebung benutzen wollen. In seinen Kreis
wurde neben anderen verabschiedeten Offizieren Oberst Bauer hereingezogen,
der während des Krieges auf wichtigste Posten gestellt, den: damaligen General-
auartiermcister Ludendorff durch scheinbare Sachverständigkeit in politischen und
sozialen Fragen imponiert hatte, obwohl er wenig Instinkt für sie besaß.

Im Juli 1919 wollte diese Gruppe die Diktatur ausrufen unter der
Parole der Unannehmbarst des Friedensvertrages, insbesondere seiner
Schmachparagraphen. Das Offizierkorps wäre damals in ganz anderer Ein-
wütigkeit als im März 1920 dem Losungswort zur Schilderhebung gefolgt.


Das Ivappsche Abenteuer

I.

Die „Nationale Vereinigung", im Jahre 1919 aus dem Schmerz über
Deutschlands Zusammenbruch und Fremdherrschaft geboren, war ein Bund
idealistisch gesinnter, politisch vielleicht noch wenig geschulter Persönlichkeiten, die sich
zu hohen vaterländischen Aufgaben berufen fühlten. Sie waren durchdrungen von
der Überzeugung, daß Deutschland noch einmal eine schwere bolschewistische Gefahr
bevorstünde. Sie wollten die geistigen und materiellen Widerstandskräfte gegen
diese Gefahr sammeln und stärken. Der Gedanke eines Putsches stand den
'"eisten von ihnen fern. Ebenso wie die ernsthaften Politiker der Rechtsparteien,
hofften die meisten Mitglieder dieser Vereinigung durch die bevorstehenden und
von ihnen herbeigesehnten Neuwahlen zur Nationalversammlung zu erhöhtem
verfassungsmäßigen Einfluß zu gelangen. Sie beobachteten den wachsenden
Zug nach rechts im Volke, den Wiederaufstieg unserer Produktionskraft und
Wirtschastsenergie. das Wiedererstarken des nationalen Gedankens. Diese für
sie hoffnunggebende Entwicklung würde, das wußten sie. durch einen unüber¬
legten Pulses jäh durchschnitten werden. Die Parteien der Rechten würden
Zusammen mit der Armee die Kosten unbesonnener Streiche zahlen müssen.
Die Entwicklung der Massen zur Vernunft, die Stärkung der Staatsautorität
würde durch eine solche Unternehmung unabsehbar gehemmt werden.

Nun aber begnügte sich eine engere Gruppe innerhalb der „nationalen
Vereinigung" mit solchen Zielen und Anschauungen nicht. Diese Gruppe, aus
welcher die Verschwörung der Kappleute hervorgewachsen ist. hielt sich an¬
scheinend bereit, um nach einem von ihnen im Sommer 1920 erwarteten Pulses
°er Bolschewisten ihrerseits loszuschlagen. Auch diese Gruppe scheint aber an
e'"e Erhebung im März 1920 nicht gedacht zu haben. Ihr Führer war
Hauptmann Pabst, der schon als Kriegsakademiker durch starke Gaben, aber
auch schrankenlosen Ehrgeiz aufgefallen und dem im Frieden die Qualifikation
als Generalstäbler versagt worden war. Im Kriege holte er durch bedeutende
Leistungen die letztere nach und erwarb sich im Frühjahr 1919 bei der Säube¬
rung Berlins vom Spartakismns bleibende Verdienste. Vom Drange beseelt,
erster Reihe zu stehen und alles auf seine eigene Person beziehend, hatte
Pabst dann schon im Sommer 191!) die nationale Empörung über den Friedens-
vettrag zu einer bewaffneten Erhebung benutzen wollen. In seinen Kreis
wurde neben anderen verabschiedeten Offizieren Oberst Bauer hereingezogen,
der während des Krieges auf wichtigste Posten gestellt, den: damaligen General-
auartiermcister Ludendorff durch scheinbare Sachverständigkeit in politischen und
sozialen Fragen imponiert hatte, obwohl er wenig Instinkt für sie besaß.

Im Juli 1919 wollte diese Gruppe die Diktatur ausrufen unter der
Parole der Unannehmbarst des Friedensvertrages, insbesondere seiner
Schmachparagraphen. Das Offizierkorps wäre damals in ganz anderer Ein-
wütigkeit als im März 1920 dem Losungswort zur Schilderhebung gefolgt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337178"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Ivappsche Abenteuer</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> I.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2335"> Die &#x201E;Nationale Vereinigung", im Jahre 1919 aus dem Schmerz über<lb/>
Deutschlands Zusammenbruch und Fremdherrschaft geboren, war ein Bund<lb/>
idealistisch gesinnter, politisch vielleicht noch wenig geschulter Persönlichkeiten, die sich<lb/>
zu hohen vaterländischen Aufgaben berufen fühlten. Sie waren durchdrungen von<lb/>
der Überzeugung, daß Deutschland noch einmal eine schwere bolschewistische Gefahr<lb/>
bevorstünde. Sie wollten die geistigen und materiellen Widerstandskräfte gegen<lb/>
diese Gefahr sammeln und stärken. Der Gedanke eines Putsches stand den<lb/>
'"eisten von ihnen fern. Ebenso wie die ernsthaften Politiker der Rechtsparteien,<lb/>
hofften die meisten Mitglieder dieser Vereinigung durch die bevorstehenden und<lb/>
von ihnen herbeigesehnten Neuwahlen zur Nationalversammlung zu erhöhtem<lb/>
verfassungsmäßigen Einfluß zu gelangen. Sie beobachteten den wachsenden<lb/>
Zug nach rechts im Volke, den Wiederaufstieg unserer Produktionskraft und<lb/>
Wirtschastsenergie. das Wiedererstarken des nationalen Gedankens. Diese für<lb/>
sie hoffnunggebende Entwicklung würde, das wußten sie. durch einen unüber¬<lb/>
legten Pulses jäh durchschnitten werden. Die Parteien der Rechten würden<lb/>
Zusammen mit der Armee die Kosten unbesonnener Streiche zahlen müssen.<lb/>
Die Entwicklung der Massen zur Vernunft, die Stärkung der Staatsautorität<lb/>
würde durch eine solche Unternehmung unabsehbar gehemmt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2336"> Nun aber begnügte sich eine engere Gruppe innerhalb der &#x201E;nationalen<lb/>
Vereinigung" mit solchen Zielen und Anschauungen nicht. Diese Gruppe, aus<lb/>
welcher die Verschwörung der Kappleute hervorgewachsen ist. hielt sich an¬<lb/>
scheinend bereit, um nach einem von ihnen im Sommer 1920 erwarteten Pulses<lb/>
°er Bolschewisten ihrerseits loszuschlagen. Auch diese Gruppe scheint aber an<lb/>
e'"e Erhebung im März 1920 nicht gedacht zu haben. Ihr Führer war<lb/>
Hauptmann Pabst, der schon als Kriegsakademiker durch starke Gaben, aber<lb/>
auch schrankenlosen Ehrgeiz aufgefallen und dem im Frieden die Qualifikation<lb/>
als Generalstäbler versagt worden war. Im Kriege holte er durch bedeutende<lb/>
Leistungen die letztere nach und erwarb sich im Frühjahr 1919 bei der Säube¬<lb/>
rung Berlins vom Spartakismns bleibende Verdienste. Vom Drange beseelt,<lb/>
erster Reihe zu stehen und alles auf seine eigene Person beziehend, hatte<lb/>
Pabst dann schon im Sommer 191!) die nationale Empörung über den Friedens-<lb/>
vettrag zu einer bewaffneten Erhebung benutzen wollen. In seinen Kreis<lb/>
wurde neben anderen verabschiedeten Offizieren Oberst Bauer hereingezogen,<lb/>
der während des Krieges auf wichtigste Posten gestellt, den: damaligen General-<lb/>
auartiermcister Ludendorff durch scheinbare Sachverständigkeit in politischen und<lb/>
sozialen Fragen imponiert hatte, obwohl er wenig Instinkt für sie besaß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2337" next="#ID_2338"> Im Juli 1919 wollte diese Gruppe die Diktatur ausrufen unter der<lb/>
Parole der Unannehmbarst des Friedensvertrages, insbesondere seiner<lb/>
Schmachparagraphen. Das Offizierkorps wäre damals in ganz anderer Ein-<lb/>
wütigkeit als im März 1920 dem Losungswort zur Schilderhebung gefolgt.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0333] Das Ivappsche Abenteuer I. Die „Nationale Vereinigung", im Jahre 1919 aus dem Schmerz über Deutschlands Zusammenbruch und Fremdherrschaft geboren, war ein Bund idealistisch gesinnter, politisch vielleicht noch wenig geschulter Persönlichkeiten, die sich zu hohen vaterländischen Aufgaben berufen fühlten. Sie waren durchdrungen von der Überzeugung, daß Deutschland noch einmal eine schwere bolschewistische Gefahr bevorstünde. Sie wollten die geistigen und materiellen Widerstandskräfte gegen diese Gefahr sammeln und stärken. Der Gedanke eines Putsches stand den '"eisten von ihnen fern. Ebenso wie die ernsthaften Politiker der Rechtsparteien, hofften die meisten Mitglieder dieser Vereinigung durch die bevorstehenden und von ihnen herbeigesehnten Neuwahlen zur Nationalversammlung zu erhöhtem verfassungsmäßigen Einfluß zu gelangen. Sie beobachteten den wachsenden Zug nach rechts im Volke, den Wiederaufstieg unserer Produktionskraft und Wirtschastsenergie. das Wiedererstarken des nationalen Gedankens. Diese für sie hoffnunggebende Entwicklung würde, das wußten sie. durch einen unüber¬ legten Pulses jäh durchschnitten werden. Die Parteien der Rechten würden Zusammen mit der Armee die Kosten unbesonnener Streiche zahlen müssen. Die Entwicklung der Massen zur Vernunft, die Stärkung der Staatsautorität würde durch eine solche Unternehmung unabsehbar gehemmt werden. Nun aber begnügte sich eine engere Gruppe innerhalb der „nationalen Vereinigung" mit solchen Zielen und Anschauungen nicht. Diese Gruppe, aus welcher die Verschwörung der Kappleute hervorgewachsen ist. hielt sich an¬ scheinend bereit, um nach einem von ihnen im Sommer 1920 erwarteten Pulses °er Bolschewisten ihrerseits loszuschlagen. Auch diese Gruppe scheint aber an e'"e Erhebung im März 1920 nicht gedacht zu haben. Ihr Führer war Hauptmann Pabst, der schon als Kriegsakademiker durch starke Gaben, aber auch schrankenlosen Ehrgeiz aufgefallen und dem im Frieden die Qualifikation als Generalstäbler versagt worden war. Im Kriege holte er durch bedeutende Leistungen die letztere nach und erwarb sich im Frühjahr 1919 bei der Säube¬ rung Berlins vom Spartakismns bleibende Verdienste. Vom Drange beseelt, erster Reihe zu stehen und alles auf seine eigene Person beziehend, hatte Pabst dann schon im Sommer 191!) die nationale Empörung über den Friedens- vettrag zu einer bewaffneten Erhebung benutzen wollen. In seinen Kreis wurde neben anderen verabschiedeten Offizieren Oberst Bauer hereingezogen, der während des Krieges auf wichtigste Posten gestellt, den: damaligen General- auartiermcister Ludendorff durch scheinbare Sachverständigkeit in politischen und sozialen Fragen imponiert hatte, obwohl er wenig Instinkt für sie besaß. Im Juli 1919 wollte diese Gruppe die Diktatur ausrufen unter der Parole der Unannehmbarst des Friedensvertrages, insbesondere seiner Schmachparagraphen. Das Offizierkorps wäre damals in ganz anderer Ein- wütigkeit als im März 1920 dem Losungswort zur Schilderhebung gefolgt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/333
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/333>, abgerufen am 02.05.2024.