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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Kappsche Abenteuer

Man beabsichtigte zugleich Roste zum Diktator auszurufen. Schon damals
sollten die Linksradikalen zur Regierungsbildung herangezogen werden, ein
schöner nationaler Einheitstraum, dessen trübes Gespenst noch in den März¬
tagen die Kappregierung genarrt hat. Die Diktatur sollte mit der größten
Milve gehandhabt werden, um Bürgertum und Arbeitermassen zu versöhnn'.
Auch diesem Gedanken werden wir in unserm Bericht des Märzputsches wieder
begegnen; er erklärt die in der Geschichte der Revolutionen beispiellose un¬
diktatorische Laschheit Kapps, die erfreulicherweise einen weißen Terror aus'
schloß, freilich von der Öffentlichkeit nur als Schwäche gedeutet worden ist.

Es war i'.n Juni 1919 Rostes energischen Vorstellungen gelungen, den
Ausbruch der Erhebung zu verhindern. Nun arbeiteten aber Pabst, der wegen
Verbreitung einer Roste feindlichen Schrift entlassen worden war und darauf die
"Nationale Vereinigung" leitete, Bauer und ihr Kreis heimlich fort. Sie ver¬
suchten Fäden mit allen Formationen der Reichswehr anzuknüpfen. Zur
August 1919 wurde abermals eine Putschabsicht durch die Abmahnungen der
Offiziere des Lüttwitzstabes und des Wehrministeriums vereitelt. Im Kreis
der Verschwörer wurde aber weiterhin die Möglichkeit eines Umsturzes be¬
sprochen und die Organisation eines solchen ohne einen bestimmten Termin
theoretisch und praktisch vorbereitet. Soweit ernsthafte Politiker der Rechten
von diesen Strömungen hörten, scheinen sie zu wiederholten Malen vor ihnen
gewarnt zu haben. Es bestand bei diesen Politikern die begründete Hoffnung
daß der erwartete Erfolg bei den Neuwahlen zur Nationalversammlung auch
die unverantwortlichen Hitzköpfe beruhigen würde.

Nur Generallandschaftsdirektor Kapp, der sich bei bedeutenden und
anerkannten Fähigkeiten schon während des Krieges durch die Unmäßigkeit
seiner politischen Ziele und die Hemmungslosigkeit seiner Methoden kom¬
promittiert und als Vorsitzender der Vaterlandspartei seinem staatsmännischer
denkenden Mitvorsitzenden gelegentlich schwierige Situationen bereitet
hatte, handelte mit den Verschwörern an, die in ihm den starken Mann und
das repräsentative Haupt gefunden zu haben glaubten. Auch Kapp wurde,
als einiges über seine Umtriebe durchsickerte, wiederholt gewarnt.

Ermutigt wurden die Verschwörer seit Herbst 1919 durch einzelne mehr
oder weniger unverantwortliche Mitglieder der Berliner englischen Mission.
Über die Triebfedern und Hintergedanken dieser Herren werden verschiedene
Vermutungen geäußert. Im ganzen ist Kar. daß das in Weltwirtschaft und
Übersee niedergcbrochene Deutschland sich insoweit der britischen Patronage
erfreut, als es an dem Wiederaufbau seiner inneren Ordnung und Leistungs¬
fähigkeit arbeitet; und so mögen einzelne Engländer in den Plänen Kapps
eine stärkere Bürgschaft gegen den europäischen Bolschewismus erhofft haben,
als die IM sozialistische Regierung Ebert-Bauer sie bot. Auch liegt es im
englischen Interesse, daß auf dem europäischen Festland das gestörte Gleich¬
gewicht zwischen Franzosen, Deutschen und Slawen durch Wiedererstarken des


Das Kappsche Abenteuer

Man beabsichtigte zugleich Roste zum Diktator auszurufen. Schon damals
sollten die Linksradikalen zur Regierungsbildung herangezogen werden, ein
schöner nationaler Einheitstraum, dessen trübes Gespenst noch in den März¬
tagen die Kappregierung genarrt hat. Die Diktatur sollte mit der größten
Milve gehandhabt werden, um Bürgertum und Arbeitermassen zu versöhnn'.
Auch diesem Gedanken werden wir in unserm Bericht des Märzputsches wieder
begegnen; er erklärt die in der Geschichte der Revolutionen beispiellose un¬
diktatorische Laschheit Kapps, die erfreulicherweise einen weißen Terror aus'
schloß, freilich von der Öffentlichkeit nur als Schwäche gedeutet worden ist.

Es war i'.n Juni 1919 Rostes energischen Vorstellungen gelungen, den
Ausbruch der Erhebung zu verhindern. Nun arbeiteten aber Pabst, der wegen
Verbreitung einer Roste feindlichen Schrift entlassen worden war und darauf die
„Nationale Vereinigung" leitete, Bauer und ihr Kreis heimlich fort. Sie ver¬
suchten Fäden mit allen Formationen der Reichswehr anzuknüpfen. Zur
August 1919 wurde abermals eine Putschabsicht durch die Abmahnungen der
Offiziere des Lüttwitzstabes und des Wehrministeriums vereitelt. Im Kreis
der Verschwörer wurde aber weiterhin die Möglichkeit eines Umsturzes be¬
sprochen und die Organisation eines solchen ohne einen bestimmten Termin
theoretisch und praktisch vorbereitet. Soweit ernsthafte Politiker der Rechten
von diesen Strömungen hörten, scheinen sie zu wiederholten Malen vor ihnen
gewarnt zu haben. Es bestand bei diesen Politikern die begründete Hoffnung
daß der erwartete Erfolg bei den Neuwahlen zur Nationalversammlung auch
die unverantwortlichen Hitzköpfe beruhigen würde.

Nur Generallandschaftsdirektor Kapp, der sich bei bedeutenden und
anerkannten Fähigkeiten schon während des Krieges durch die Unmäßigkeit
seiner politischen Ziele und die Hemmungslosigkeit seiner Methoden kom¬
promittiert und als Vorsitzender der Vaterlandspartei seinem staatsmännischer
denkenden Mitvorsitzenden gelegentlich schwierige Situationen bereitet
hatte, handelte mit den Verschwörern an, die in ihm den starken Mann und
das repräsentative Haupt gefunden zu haben glaubten. Auch Kapp wurde,
als einiges über seine Umtriebe durchsickerte, wiederholt gewarnt.

Ermutigt wurden die Verschwörer seit Herbst 1919 durch einzelne mehr
oder weniger unverantwortliche Mitglieder der Berliner englischen Mission.
Über die Triebfedern und Hintergedanken dieser Herren werden verschiedene
Vermutungen geäußert. Im ganzen ist Kar. daß das in Weltwirtschaft und
Übersee niedergcbrochene Deutschland sich insoweit der britischen Patronage
erfreut, als es an dem Wiederaufbau seiner inneren Ordnung und Leistungs¬
fähigkeit arbeitet; und so mögen einzelne Engländer in den Plänen Kapps
eine stärkere Bürgschaft gegen den europäischen Bolschewismus erhofft haben,
als die IM sozialistische Regierung Ebert-Bauer sie bot. Auch liegt es im
englischen Interesse, daß auf dem europäischen Festland das gestörte Gleich¬
gewicht zwischen Franzosen, Deutschen und Slawen durch Wiedererstarken des


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[0334] Das Kappsche Abenteuer Man beabsichtigte zugleich Roste zum Diktator auszurufen. Schon damals sollten die Linksradikalen zur Regierungsbildung herangezogen werden, ein schöner nationaler Einheitstraum, dessen trübes Gespenst noch in den März¬ tagen die Kappregierung genarrt hat. Die Diktatur sollte mit der größten Milve gehandhabt werden, um Bürgertum und Arbeitermassen zu versöhnn'. Auch diesem Gedanken werden wir in unserm Bericht des Märzputsches wieder begegnen; er erklärt die in der Geschichte der Revolutionen beispiellose un¬ diktatorische Laschheit Kapps, die erfreulicherweise einen weißen Terror aus' schloß, freilich von der Öffentlichkeit nur als Schwäche gedeutet worden ist. Es war i'.n Juni 1919 Rostes energischen Vorstellungen gelungen, den Ausbruch der Erhebung zu verhindern. Nun arbeiteten aber Pabst, der wegen Verbreitung einer Roste feindlichen Schrift entlassen worden war und darauf die „Nationale Vereinigung" leitete, Bauer und ihr Kreis heimlich fort. Sie ver¬ suchten Fäden mit allen Formationen der Reichswehr anzuknüpfen. Zur August 1919 wurde abermals eine Putschabsicht durch die Abmahnungen der Offiziere des Lüttwitzstabes und des Wehrministeriums vereitelt. Im Kreis der Verschwörer wurde aber weiterhin die Möglichkeit eines Umsturzes be¬ sprochen und die Organisation eines solchen ohne einen bestimmten Termin theoretisch und praktisch vorbereitet. Soweit ernsthafte Politiker der Rechten von diesen Strömungen hörten, scheinen sie zu wiederholten Malen vor ihnen gewarnt zu haben. Es bestand bei diesen Politikern die begründete Hoffnung daß der erwartete Erfolg bei den Neuwahlen zur Nationalversammlung auch die unverantwortlichen Hitzköpfe beruhigen würde. Nur Generallandschaftsdirektor Kapp, der sich bei bedeutenden und anerkannten Fähigkeiten schon während des Krieges durch die Unmäßigkeit seiner politischen Ziele und die Hemmungslosigkeit seiner Methoden kom¬ promittiert und als Vorsitzender der Vaterlandspartei seinem staatsmännischer denkenden Mitvorsitzenden gelegentlich schwierige Situationen bereitet hatte, handelte mit den Verschwörern an, die in ihm den starken Mann und das repräsentative Haupt gefunden zu haben glaubten. Auch Kapp wurde, als einiges über seine Umtriebe durchsickerte, wiederholt gewarnt. Ermutigt wurden die Verschwörer seit Herbst 1919 durch einzelne mehr oder weniger unverantwortliche Mitglieder der Berliner englischen Mission. Über die Triebfedern und Hintergedanken dieser Herren werden verschiedene Vermutungen geäußert. Im ganzen ist Kar. daß das in Weltwirtschaft und Übersee niedergcbrochene Deutschland sich insoweit der britischen Patronage erfreut, als es an dem Wiederaufbau seiner inneren Ordnung und Leistungs¬ fähigkeit arbeitet; und so mögen einzelne Engländer in den Plänen Kapps eine stärkere Bürgschaft gegen den europäischen Bolschewismus erhofft haben, als die IM sozialistische Regierung Ebert-Bauer sie bot. Auch liegt es im englischen Interesse, daß auf dem europäischen Festland das gestörte Gleich¬ gewicht zwischen Franzosen, Deutschen und Slawen durch Wiedererstarken des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/334>, abgerufen am 22.05.2024.