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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Die Kabinette in der alten Regierung

Gerichtes und der Vorgesetzten, die dabei mitgewirkt hatten --, die allgemeinen
Strafgesetze nicht zu verletzen und schließlich die dem Kaiser zustehende gnaden¬
weise Milderung des Spruches möglichst walten zu lassen, besonders wenn sie
von dem Ehrengericht oder dem vorlegenden Vorgesetzten angerufen worden war.

Der Kaiser war persönlich immer gern bereit zur Milderung der Sprüche,
wenn es sich irgend mit der Wahrung der Ehre des Offizierkorps vereinigen
ließ, und häufig genug nahm er, wenn zunächst Strenge walten mußte, eine
spätere Rehabilitierung des Schuldigen von vornherein irr Aussicht. Er war
eben durchaus nicht der fanatische Militarist, zu welchem ihn jetzt seine Feinde
stempeln wollen.

Natürlich kamen auf dem heiklen Gebiete der Ehrengerichte auch offenkundige
Fehlsprüche vor, Sprüche, die stark und ungerechtfertigt heraussielen aus dem
traditionellen Rahmen und die deshalb zu verwerfen waren, aber auch dann
wurde die "Ablehnung, auf den Spruch zu entscheiden", in eine Form gebracht,
die das Recht unabhängigen Urteils des Offizierkorps nicht grundsätzlich antastete.
Andernfalls wäre der Wert der ganzen Institution der Ehrengerichte sehr herab¬
gesetzt worden.

Zur Erzielung einer möglichst einheitlichen Auffassung in Ehrenangelegen¬
heiten wurden besonders interessierende ehrengerichtliche Sprüche und kaiserliche
Entscheidungen darauf auch den nicht beteiligten Jmmediatstellen mitgeteilt,
natürlich immer unter Fortlassung des Namens der Angeschuldigten oder Ver¬
urteilten.

Das durch die Revolution beseitigte Ehrengerichtswesen hatte gewiß seine
schwachen Seiten und wäre sicher auch reformiert worden, wenn die alte Regie¬
rung geblieben wäre. Es galt vor allen Dingen Unklarheiten in der Duellfrage
und in der Wirkung ehrengerichtlicher Strafen zu beseitigen. Aber das waren
Nebensächlichkeiten gemessen an dem ungeheuren Wert des Ehrengerichts nicht nur
tur die sittliche Höhe und gesellschaftliche Stellung des Offizierkorps, sondern von
da aus weiter wirkend für den ganzen Ton im Verkehr der Menschen aller
Stände unter einander. Manche Verwilderung unserer Gegenwart auch auf
publizistischen Gebiet wäre unmöglich gewesen, wenn die Ehrengerichte bestehen
geblieben wären. Und ich sehe nichts, was sie ersetzen könnte.


Beschwerden.

Es kamen in der Marine außerordentlich wenig Beschwerden an den
Kaiser heran. Im ganzen herrschte in der Marine ein sehr verständiger, unnötige
Schroffheiten ausschließender Ton zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, nament-
uch an Bord. Das habe ich oft von Armeeoffizieren, die zu ihrer Information
5ur längere Zeit, z. B. zu den Herbstübungen der Flotte, an Bord kommandiert
waren, lobend anerkennen hören. Während des ganzen Krieges ist, soweit ich
wich erinnere, keine einzige ernsthafte Beschwerde im Kabinett zu bearbeiten
gewesen.


Organisatorisches.

Der Chef des Marinekabineits hatte ressortmäßig mit Organisation nichts
An tun; aber da er durch die Stellenbesetzungen, durch Bearbeitung der Quali-
nkationsberichte, der Kriegs- und Ehrengerichte eine große Verantwortung für die
Leistungsfähigkeit und den Geist des Offizierkorps trug, räumte ihm der Staats-


Die Kabinette in der alten Regierung

Gerichtes und der Vorgesetzten, die dabei mitgewirkt hatten —, die allgemeinen
Strafgesetze nicht zu verletzen und schließlich die dem Kaiser zustehende gnaden¬
weise Milderung des Spruches möglichst walten zu lassen, besonders wenn sie
von dem Ehrengericht oder dem vorlegenden Vorgesetzten angerufen worden war.

Der Kaiser war persönlich immer gern bereit zur Milderung der Sprüche,
wenn es sich irgend mit der Wahrung der Ehre des Offizierkorps vereinigen
ließ, und häufig genug nahm er, wenn zunächst Strenge walten mußte, eine
spätere Rehabilitierung des Schuldigen von vornherein irr Aussicht. Er war
eben durchaus nicht der fanatische Militarist, zu welchem ihn jetzt seine Feinde
stempeln wollen.

Natürlich kamen auf dem heiklen Gebiete der Ehrengerichte auch offenkundige
Fehlsprüche vor, Sprüche, die stark und ungerechtfertigt heraussielen aus dem
traditionellen Rahmen und die deshalb zu verwerfen waren, aber auch dann
wurde die „Ablehnung, auf den Spruch zu entscheiden", in eine Form gebracht,
die das Recht unabhängigen Urteils des Offizierkorps nicht grundsätzlich antastete.
Andernfalls wäre der Wert der ganzen Institution der Ehrengerichte sehr herab¬
gesetzt worden.

Zur Erzielung einer möglichst einheitlichen Auffassung in Ehrenangelegen¬
heiten wurden besonders interessierende ehrengerichtliche Sprüche und kaiserliche
Entscheidungen darauf auch den nicht beteiligten Jmmediatstellen mitgeteilt,
natürlich immer unter Fortlassung des Namens der Angeschuldigten oder Ver¬
urteilten.

Das durch die Revolution beseitigte Ehrengerichtswesen hatte gewiß seine
schwachen Seiten und wäre sicher auch reformiert worden, wenn die alte Regie¬
rung geblieben wäre. Es galt vor allen Dingen Unklarheiten in der Duellfrage
und in der Wirkung ehrengerichtlicher Strafen zu beseitigen. Aber das waren
Nebensächlichkeiten gemessen an dem ungeheuren Wert des Ehrengerichts nicht nur
tur die sittliche Höhe und gesellschaftliche Stellung des Offizierkorps, sondern von
da aus weiter wirkend für den ganzen Ton im Verkehr der Menschen aller
Stände unter einander. Manche Verwilderung unserer Gegenwart auch auf
publizistischen Gebiet wäre unmöglich gewesen, wenn die Ehrengerichte bestehen
geblieben wären. Und ich sehe nichts, was sie ersetzen könnte.


Beschwerden.

Es kamen in der Marine außerordentlich wenig Beschwerden an den
Kaiser heran. Im ganzen herrschte in der Marine ein sehr verständiger, unnötige
Schroffheiten ausschließender Ton zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, nament-
uch an Bord. Das habe ich oft von Armeeoffizieren, die zu ihrer Information
5ur längere Zeit, z. B. zu den Herbstübungen der Flotte, an Bord kommandiert
waren, lobend anerkennen hören. Während des ganzen Krieges ist, soweit ich
wich erinnere, keine einzige ernsthafte Beschwerde im Kabinett zu bearbeiten
gewesen.


Organisatorisches.

Der Chef des Marinekabineits hatte ressortmäßig mit Organisation nichts
An tun; aber da er durch die Stellenbesetzungen, durch Bearbeitung der Quali-
nkationsberichte, der Kriegs- und Ehrengerichte eine große Verantwortung für die
Leistungsfähigkeit und den Geist des Offizierkorps trug, räumte ihm der Staats-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/19>, abgerufen am 05.05.2024.