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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Die Bevölkerungsfrage der südafrikanische" Union

Die Vevölkerungsfrage der südafrikanischen Union
v Robert Renner on

Ureinwohner Südafrikas waren bekanntlich, wie heute all-
angenommen wird, die Buschmänner, Diese Nasse ist
dem Untergang geweiht, denn sie ist gänzlich
sich in die modernen Kulturverhältnisse ein-
Die Buschmänner sind ein ans der denkbar tiefsten
Stufe menschlicher Wesen stehendes Volk von Jägern; da ihnen heute in
weiten Gebieten Südafrikas das Wild fehlt, leben sie vom Viehdiebstahl, und es
versteht sich von selbst, daß sie mit Gewalt daran gehindert werden. Zahllose
Versuche sind gemacht worden, sie zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu
erziehen, aber stets mit gänzlichem Mißerfolg. Es dürfte heute kaum noch ein
paar tausend Buschmänner in der Union geben und in absehbarer Zeit werden sie
ganz verschwunden sein. Die Buschmänner scheiden somit bei den Problemen
der farbigen Einwohner aus.

Eine jüngere Rasse als die Buschmänner sind die Hottentotten. Über ihre
Abstammung wird viel gestritten; die verschiedenen Ansichten darüber brauchen
uns hier nicht zu beschäftigen. Zweifellos waren sie längst vor Christi Geburt
im heutigen Gebiet der Union ansässig. Ihre Zahl hat sich, seit die Weißen den
Boden Südafrikas betraten, sehr vermindert, teils infolge von Kämpfen mit den
Europäern, teils infolge fortwährender Kämpfe mit den Buschmännern, teils
infolge innerer Fehden und namentlich infolge von Seuchen, zum Beispiel den
Blattern. Im übrigen gehen die Hottentotten nicht wie die Buschmänner an der
Kultur selbst zugrunde, sie sind bis zu einem gewissen Grade anpassungsfähig an
die durch die europäische Einwanderung hervorgerufenen Änderungen in den
Verhältnissen, wie sie überhaupt von vornherein auf einer wesentlich höheren
Stufe als die Buschmänner standen. Während diese nur den Hund als Haustier
hielten, waren sie stets geschickte Viehzüchter und hielten Rinder, Schafe und
Ziegen. Sie sind heute noch besonders brauchbar als Hirten, Pferdewärter usw.
Die Zahl der Hottentotten reiner Nasse ist in der Union heute sehr gering und
auch sie spielen bei den Schwierigkeiten der Eingeborenenfragen direkt keine Rolle
mehr. Sie haben sich aber sehr mit anderen Nassen vermischt und ihre Abkömm¬
linge sind sehr zahlreich; wir werden auf diese noch zu sprechen kommen.

Eine außerordentlich dornenvolle Frage aber ist die, was aus den in der
südafrikanischen Union ansässigen Bantuvölkern, den Schwarzen oder, wie sie all¬
gemein genannt werden, den Kaffern, werden soll. Diese Stämme stellen keine
Ureinwohner Südafrikas dar; sie sind Einwanderer aus Zentralafrika. Wann sie
auf ihrem Marsch nach Süden den Zambesi überschritten haben, ist sehr unsicher;
der große südafrikanische Historiker Mac Call Theal nimmt an, daß dies bereits
Hunderte von Jahren vor der christlichen Zeitrechnung geschah. Über den LimpoPv
sind sie wahrscheinlich erst in nachchristlicher Zeit vorgerückt. Noch um 130t)
waren sie nur in einem sehr kleinen Teil der heutigen Union, in einem schmalen
Küstenstrich an der Ostküste, ansässig. Diese Eindringlinge stehen wiederum auf
einer viel höheren Stufe als die Hottentotten. Sie nehmen einen gewissen Grad
von Kultur ohne sonderliche Schwierigkeit an und manche davon haben schon


Die Bevölkerungsfrage der südafrikanische» Union

Die Vevölkerungsfrage der südafrikanischen Union
v Robert Renner on

Ureinwohner Südafrikas waren bekanntlich, wie heute all-
angenommen wird, die Buschmänner, Diese Nasse ist
dem Untergang geweiht, denn sie ist gänzlich
sich in die modernen Kulturverhältnisse ein-
Die Buschmänner sind ein ans der denkbar tiefsten
Stufe menschlicher Wesen stehendes Volk von Jägern; da ihnen heute in
weiten Gebieten Südafrikas das Wild fehlt, leben sie vom Viehdiebstahl, und es
versteht sich von selbst, daß sie mit Gewalt daran gehindert werden. Zahllose
Versuche sind gemacht worden, sie zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu
erziehen, aber stets mit gänzlichem Mißerfolg. Es dürfte heute kaum noch ein
paar tausend Buschmänner in der Union geben und in absehbarer Zeit werden sie
ganz verschwunden sein. Die Buschmänner scheiden somit bei den Problemen
der farbigen Einwohner aus.

Eine jüngere Rasse als die Buschmänner sind die Hottentotten. Über ihre
Abstammung wird viel gestritten; die verschiedenen Ansichten darüber brauchen
uns hier nicht zu beschäftigen. Zweifellos waren sie längst vor Christi Geburt
im heutigen Gebiet der Union ansässig. Ihre Zahl hat sich, seit die Weißen den
Boden Südafrikas betraten, sehr vermindert, teils infolge von Kämpfen mit den
Europäern, teils infolge fortwährender Kämpfe mit den Buschmännern, teils
infolge innerer Fehden und namentlich infolge von Seuchen, zum Beispiel den
Blattern. Im übrigen gehen die Hottentotten nicht wie die Buschmänner an der
Kultur selbst zugrunde, sie sind bis zu einem gewissen Grade anpassungsfähig an
die durch die europäische Einwanderung hervorgerufenen Änderungen in den
Verhältnissen, wie sie überhaupt von vornherein auf einer wesentlich höheren
Stufe als die Buschmänner standen. Während diese nur den Hund als Haustier
hielten, waren sie stets geschickte Viehzüchter und hielten Rinder, Schafe und
Ziegen. Sie sind heute noch besonders brauchbar als Hirten, Pferdewärter usw.
Die Zahl der Hottentotten reiner Nasse ist in der Union heute sehr gering und
auch sie spielen bei den Schwierigkeiten der Eingeborenenfragen direkt keine Rolle
mehr. Sie haben sich aber sehr mit anderen Nassen vermischt und ihre Abkömm¬
linge sind sehr zahlreich; wir werden auf diese noch zu sprechen kommen.

Eine außerordentlich dornenvolle Frage aber ist die, was aus den in der
südafrikanischen Union ansässigen Bantuvölkern, den Schwarzen oder, wie sie all¬
gemein genannt werden, den Kaffern, werden soll. Diese Stämme stellen keine
Ureinwohner Südafrikas dar; sie sind Einwanderer aus Zentralafrika. Wann sie
auf ihrem Marsch nach Süden den Zambesi überschritten haben, ist sehr unsicher;
der große südafrikanische Historiker Mac Call Theal nimmt an, daß dies bereits
Hunderte von Jahren vor der christlichen Zeitrechnung geschah. Über den LimpoPv
sind sie wahrscheinlich erst in nachchristlicher Zeit vorgerückt. Noch um 130t)
waren sie nur in einem sehr kleinen Teil der heutigen Union, in einem schmalen
Küstenstrich an der Ostküste, ansässig. Diese Eindringlinge stehen wiederum auf
einer viel höheren Stufe als die Hottentotten. Sie nehmen einen gewissen Grad
von Kultur ohne sonderliche Schwierigkeit an und manche davon haben schon


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[0096] Die Bevölkerungsfrage der südafrikanische» Union Die Vevölkerungsfrage der südafrikanischen Union v Robert Renner on Ureinwohner Südafrikas waren bekanntlich, wie heute all- angenommen wird, die Buschmänner, Diese Nasse ist dem Untergang geweiht, denn sie ist gänzlich sich in die modernen Kulturverhältnisse ein- Die Buschmänner sind ein ans der denkbar tiefsten Stufe menschlicher Wesen stehendes Volk von Jägern; da ihnen heute in weiten Gebieten Südafrikas das Wild fehlt, leben sie vom Viehdiebstahl, und es versteht sich von selbst, daß sie mit Gewalt daran gehindert werden. Zahllose Versuche sind gemacht worden, sie zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, aber stets mit gänzlichem Mißerfolg. Es dürfte heute kaum noch ein paar tausend Buschmänner in der Union geben und in absehbarer Zeit werden sie ganz verschwunden sein. Die Buschmänner scheiden somit bei den Problemen der farbigen Einwohner aus. Eine jüngere Rasse als die Buschmänner sind die Hottentotten. Über ihre Abstammung wird viel gestritten; die verschiedenen Ansichten darüber brauchen uns hier nicht zu beschäftigen. Zweifellos waren sie längst vor Christi Geburt im heutigen Gebiet der Union ansässig. Ihre Zahl hat sich, seit die Weißen den Boden Südafrikas betraten, sehr vermindert, teils infolge von Kämpfen mit den Europäern, teils infolge fortwährender Kämpfe mit den Buschmännern, teils infolge innerer Fehden und namentlich infolge von Seuchen, zum Beispiel den Blattern. Im übrigen gehen die Hottentotten nicht wie die Buschmänner an der Kultur selbst zugrunde, sie sind bis zu einem gewissen Grade anpassungsfähig an die durch die europäische Einwanderung hervorgerufenen Änderungen in den Verhältnissen, wie sie überhaupt von vornherein auf einer wesentlich höheren Stufe als die Buschmänner standen. Während diese nur den Hund als Haustier hielten, waren sie stets geschickte Viehzüchter und hielten Rinder, Schafe und Ziegen. Sie sind heute noch besonders brauchbar als Hirten, Pferdewärter usw. Die Zahl der Hottentotten reiner Nasse ist in der Union heute sehr gering und auch sie spielen bei den Schwierigkeiten der Eingeborenenfragen direkt keine Rolle mehr. Sie haben sich aber sehr mit anderen Nassen vermischt und ihre Abkömm¬ linge sind sehr zahlreich; wir werden auf diese noch zu sprechen kommen. Eine außerordentlich dornenvolle Frage aber ist die, was aus den in der südafrikanischen Union ansässigen Bantuvölkern, den Schwarzen oder, wie sie all¬ gemein genannt werden, den Kaffern, werden soll. Diese Stämme stellen keine Ureinwohner Südafrikas dar; sie sind Einwanderer aus Zentralafrika. Wann sie auf ihrem Marsch nach Süden den Zambesi überschritten haben, ist sehr unsicher; der große südafrikanische Historiker Mac Call Theal nimmt an, daß dies bereits Hunderte von Jahren vor der christlichen Zeitrechnung geschah. Über den LimpoPv sind sie wahrscheinlich erst in nachchristlicher Zeit vorgerückt. Noch um 130t) waren sie nur in einem sehr kleinen Teil der heutigen Union, in einem schmalen Küstenstrich an der Ostküste, ansässig. Diese Eindringlinge stehen wiederum auf einer viel höheren Stufe als die Hottentotten. Sie nehmen einen gewissen Grad von Kultur ohne sonderliche Schwierigkeit an und manche davon haben schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/96>, abgerufen am 05.05.2024.