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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Das Problem einer Hafis-Übersetzung

Das Problem einer Hafis-Übersetzung
Georg Jacob Von

Das 19. Heft der Grenzboten brachte einige Nachdichtungen aus Hases, in
denen ich den poetischen Gehalt einzelner Gedichte und Verse auszuschöpfen und
in eine dem Dichter kongeniale Form zu gießen suchte. Eine der Hauptschwierig¬
keiten bildete die Widerspiegelung des Doppelsinns, der, glühende Sinnlichkeit
als Bild für das Übersinnliche verwendend, bisweilen mit der Ironie des
Romantikers aus der Rolle fällt (vergl. z. B. unter Ur. 459, 6)^ dieses launige
Spiel erzielt poetische Kontraste und wirkt dabei nicht frivol, weil dem pantheistischen
Dichter sich schließlich auch die Sinnenwelt vergoldet. Daß rein-sinnliche Auf¬
fassung, wie sie Bodenstedt vertrat, auf Mißverständnissen beruht, lehren unter
anderm Fälle, in denen Hafis selbst die übersinnliche Bedeutung dem sinnlichen
Ausdruck in Genetivverbindung anfügt und Verse wie der Anfang des letzten
vollständigen Gasels (Ur. 573, 1):

In diesem wörtlich übersetzten Verse wird die Liebe ausdrücklich als die
ewige d. h. himmlische charakterisiert.

Das noch nicht gelöste Problem einer Hafisübersetzung
beschäftigt, und ich möchte heute drei Versuche mitteilen,
falls näher kommen als die freieren Vorarbeiten im 19.hat mich weiter be-
tle seiner Lösung jeden-
Heft.

Ur. 223 (Ausgabe Brockhaus).
[Beginn Spaltensatz] Gestern zechend traumverloren,
Hörte ich eS pochen leis:
Klopfend an der Schenke Toren
Standen--Engel still in? Kreis. Unsers Vaters Adam Asche
Taten sie in den Pokal,
Ihr vermählend aus der Flasche
Edlen Weines Purpurstrahl. Huldvoll bot der gotteriornen
Lichten Welten selge Schar
Mir, dem niedern Staubgebornen
Den gefüllten Becher dar. Fassen können Himmelshallen
Nicht der Liebe Herrlichkeit,
Und mir ist das Los gefallen,
Das mich ihren? Dienst geweiht! [Spaltenumbruch] 5. Auf die Kunde von dem Bunde
Mit der Gnadensonne Glanz
Schlingen jubelnd in der Runde
Huris den berauschten Tanz. 6. Soll im Leben nie berühren
Eitles Streben diese Brust,
Während Adam hie verführen
Konnte eines Apfels Lust? 7. Zweiundsiebzig Glaubenslehren
Klauben Worte leer und tot;
Ihnen tagt, sie zu bekehren,
Nie der Wahrheit Morgenrot. 8. Flamme mag ich das nicht nennen,
Was auf Kerzen freundlich blinkt;
Flamme ist ein lodernd Brennen,
Das den Tod dem Falter bringt. [Ende Spaltensatz] Bräuten in der Locken Ranken,
Denen Schleier, leicht und licht,
Halb nur hüllen den Gedanken,
Gleicht, o Hafis, dein Gedicht.

Das Problem einer Hafis-Übersetzung

Das Problem einer Hafis-Übersetzung
Georg Jacob Von

Das 19. Heft der Grenzboten brachte einige Nachdichtungen aus Hases, in
denen ich den poetischen Gehalt einzelner Gedichte und Verse auszuschöpfen und
in eine dem Dichter kongeniale Form zu gießen suchte. Eine der Hauptschwierig¬
keiten bildete die Widerspiegelung des Doppelsinns, der, glühende Sinnlichkeit
als Bild für das Übersinnliche verwendend, bisweilen mit der Ironie des
Romantikers aus der Rolle fällt (vergl. z. B. unter Ur. 459, 6)^ dieses launige
Spiel erzielt poetische Kontraste und wirkt dabei nicht frivol, weil dem pantheistischen
Dichter sich schließlich auch die Sinnenwelt vergoldet. Daß rein-sinnliche Auf¬
fassung, wie sie Bodenstedt vertrat, auf Mißverständnissen beruht, lehren unter
anderm Fälle, in denen Hafis selbst die übersinnliche Bedeutung dem sinnlichen
Ausdruck in Genetivverbindung anfügt und Verse wie der Anfang des letzten
vollständigen Gasels (Ur. 573, 1):

In diesem wörtlich übersetzten Verse wird die Liebe ausdrücklich als die
ewige d. h. himmlische charakterisiert.

Das noch nicht gelöste Problem einer Hafisübersetzung
beschäftigt, und ich möchte heute drei Versuche mitteilen,
falls näher kommen als die freieren Vorarbeiten im 19.hat mich weiter be-
tle seiner Lösung jeden-
Heft.

Ur. 223 (Ausgabe Brockhaus).
[Beginn Spaltensatz] Gestern zechend traumverloren,
Hörte ich eS pochen leis:
Klopfend an der Schenke Toren
Standen--Engel still in? Kreis. Unsers Vaters Adam Asche
Taten sie in den Pokal,
Ihr vermählend aus der Flasche
Edlen Weines Purpurstrahl. Huldvoll bot der gotteriornen
Lichten Welten selge Schar
Mir, dem niedern Staubgebornen
Den gefüllten Becher dar. Fassen können Himmelshallen
Nicht der Liebe Herrlichkeit,
Und mir ist das Los gefallen,
Das mich ihren? Dienst geweiht! [Spaltenumbruch] 5. Auf die Kunde von dem Bunde
Mit der Gnadensonne Glanz
Schlingen jubelnd in der Runde
Huris den berauschten Tanz. 6. Soll im Leben nie berühren
Eitles Streben diese Brust,
Während Adam hie verführen
Konnte eines Apfels Lust? 7. Zweiundsiebzig Glaubenslehren
Klauben Worte leer und tot;
Ihnen tagt, sie zu bekehren,
Nie der Wahrheit Morgenrot. 8. Flamme mag ich das nicht nennen,
Was auf Kerzen freundlich blinkt;
Flamme ist ein lodernd Brennen,
Das den Tod dem Falter bringt. [Ende Spaltensatz] Bräuten in der Locken Ranken,
Denen Schleier, leicht und licht,
Halb nur hüllen den Gedanken,
Gleicht, o Hafis, dein Gedicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/32>, abgerufen am 05.05.2024.