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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Die Seeschlacht

Heeresangehörige ablehnten, auf eigene Verantwortung ihr Schicksal in den Dienst
einer so zweifelhaften Politik zu stellen. Die Abneigung gegen Petljura und seine
Politik braucht deshalb aber nicht mit einem Mangel an Verständnis für die Inter¬
essen des ukrainischen Volkes gepaart sein oder Sympathien zerstören, die dieses
Volk deutscherseits durchaus verdient.




Die Seeschlacht
Graf Felix von Luckner von

Auf unsere Bitte hat sich Graf Felix von Luckner,
der Kommandant des "Seeadler",, derzeit noch activer
Offizier der Reichskriegsmarine, entschlossen, ausgewählte
Abschnitte seiner berühmt gewordenen "Vorträge" in
den "Grenzboten" zu veröffentlichen. Wir freuen uns,
heute mit seinem ungemein anschaulichen Bericht der
Seeschlacht am Skagerrak beginnen zu können.
Die Schriftleitung.

in 2. August Mobilmachung. Das war eine Begeisterung für die
Marine! Wir selber waren zuerst recht enttäuscht, daß wir keinen
würdigen Gegner zur See hätten, zumal unsere Regierung bei den
ersten Verhandlungen mit England garantieren mußte, den englischen
Kanal nicht als Kriegsschauplatz gegen Frankreich zu benutzen. "Die
große Armee nimmt uns wieder alle Aussicht" war das allgemeine Thema in der
Marine. Aber es war doch ein wundervolles Bild, als das dritte Geschwader
in Kiel von der Boje wegging. Acht Tage vorher war die "Kaiserin" als erstes
Schiff durch den erweiterten Kanal gegangen. Welcher Schwung lebte auf den
großen Schiffen! Auf dem "Panther" dagegen herrschte etwas gedrückte Stimmung.
Was blieb uns zu tun übrig mit unserer schwachen Armierung, unseren zwei kleinen
Kanonen, auf dem Fahrzeug, das zur Hälfte aus Holz bestand? Unsere erste Auf¬
gabe war, die bei Langeland ausgelegte Minensperre zu verteidigen. Es war doch
wenigstens eine Aufgabe, und man gab sich zufrieden. Man hoffte auch, gelegentlich
etwas zu tun zu bekommen. Man erwartete, daß der Russe einen Vorstoß gegen
Kiel machen würde und wir ein kleines Gefechtsbild erleben dürsten.

Von Langeland aus kamen wir später zur Verteidigung vors Arve im kleinen
Veit, der damaligen Nordgrenze des schleswigschen Ostseegebietes. Vormittags und
Nachmittags fuhren wir je dreimal um die Insel, also Karousselfahren. Ich setzte
wich schließlich mit dem Doktor in Verbindung. Meine eigentliche Krankheit konnte
er allerdings nicht heilen, denn die bestand in der heißen Sehnsucht, auf ein großes
Kriegsschiff zu kommen. Ich erkundigte mich aber nach entbehrlichen Körperteilen.
Die Wahl fiel auf den Blinddarm. Die Symptome einer Blinddarmentzündung
begannen sich bald zu melden, so daß der Arzt mich nach Kiel schickte zur Operation.
Ich wurde ins Lazarett gesteckt, und selbst der Chirurg meinte, als er die Stelle
befühlte und ich meine Empfindlichkeit äußerte, es wäre Blinddarmreizung. Am
Nächstfolgenden Tage wurde ich operiert, und da nach der Operation ein längerer


Die Seeschlacht

Heeresangehörige ablehnten, auf eigene Verantwortung ihr Schicksal in den Dienst
einer so zweifelhaften Politik zu stellen. Die Abneigung gegen Petljura und seine
Politik braucht deshalb aber nicht mit einem Mangel an Verständnis für die Inter¬
essen des ukrainischen Volkes gepaart sein oder Sympathien zerstören, die dieses
Volk deutscherseits durchaus verdient.




Die Seeschlacht
Graf Felix von Luckner von

Auf unsere Bitte hat sich Graf Felix von Luckner,
der Kommandant des „Seeadler",, derzeit noch activer
Offizier der Reichskriegsmarine, entschlossen, ausgewählte
Abschnitte seiner berühmt gewordenen „Vorträge" in
den „Grenzboten" zu veröffentlichen. Wir freuen uns,
heute mit seinem ungemein anschaulichen Bericht der
Seeschlacht am Skagerrak beginnen zu können.
Die Schriftleitung.

in 2. August Mobilmachung. Das war eine Begeisterung für die
Marine! Wir selber waren zuerst recht enttäuscht, daß wir keinen
würdigen Gegner zur See hätten, zumal unsere Regierung bei den
ersten Verhandlungen mit England garantieren mußte, den englischen
Kanal nicht als Kriegsschauplatz gegen Frankreich zu benutzen. „Die
große Armee nimmt uns wieder alle Aussicht" war das allgemeine Thema in der
Marine. Aber es war doch ein wundervolles Bild, als das dritte Geschwader
in Kiel von der Boje wegging. Acht Tage vorher war die „Kaiserin" als erstes
Schiff durch den erweiterten Kanal gegangen. Welcher Schwung lebte auf den
großen Schiffen! Auf dem „Panther" dagegen herrschte etwas gedrückte Stimmung.
Was blieb uns zu tun übrig mit unserer schwachen Armierung, unseren zwei kleinen
Kanonen, auf dem Fahrzeug, das zur Hälfte aus Holz bestand? Unsere erste Auf¬
gabe war, die bei Langeland ausgelegte Minensperre zu verteidigen. Es war doch
wenigstens eine Aufgabe, und man gab sich zufrieden. Man hoffte auch, gelegentlich
etwas zu tun zu bekommen. Man erwartete, daß der Russe einen Vorstoß gegen
Kiel machen würde und wir ein kleines Gefechtsbild erleben dürsten.

Von Langeland aus kamen wir später zur Verteidigung vors Arve im kleinen
Veit, der damaligen Nordgrenze des schleswigschen Ostseegebietes. Vormittags und
Nachmittags fuhren wir je dreimal um die Insel, also Karousselfahren. Ich setzte
wich schließlich mit dem Doktor in Verbindung. Meine eigentliche Krankheit konnte
er allerdings nicht heilen, denn die bestand in der heißen Sehnsucht, auf ein großes
Kriegsschiff zu kommen. Ich erkundigte mich aber nach entbehrlichen Körperteilen.
Die Wahl fiel auf den Blinddarm. Die Symptome einer Blinddarmentzündung
begannen sich bald zu melden, so daß der Arzt mich nach Kiel schickte zur Operation.
Ich wurde ins Lazarett gesteckt, und selbst der Chirurg meinte, als er die Stelle
befühlte und ich meine Empfindlichkeit äußerte, es wäre Blinddarmreizung. Am
Nächstfolgenden Tage wurde ich operiert, und da nach der Operation ein längerer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/363>, abgerufen am 05.05.2024.