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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Bürokraten-Briefe

gewinn zu sichern, den ich schon in früheren Veröffentlichungen als den einzigen
Ersatz des versagenden Steuersystems bezeichnet habe.

Es kommen also auch bei solcher Gestaltung die berechtigten Forderungen
der Gemeinwirtschaft zum Durchbruch, ohne dadurch die Bordelle auszuschalten,
die wir in der sogenannten Erfolgswirtschaft als die treibenden Kräfte unseres
wirtschaftlichen Aufschwunges erkannt haben. Der Unternehmer wird in seiner
Tatkraft und in seinem Wagemut nicht dadurch lahmgelegt, daß er den Gewinn
mit den Arbeitern und dem Staate teilen muß. Man kann sogar hoffen, daß
die Notwendigkeit einen starken Ansporn bilden wird, durch möglichste Steigerung
und Verbilligung der Produktion die Gewinne zu erhöhen. Vor allem aber bietet
sich so die Möglichkeit, den Gegensatz zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft,
der heute unser ganzes Wirtschaftsleben lahmzulegen droht, abzuschwächen, wenn
auch nicht ganz auszugleichen, und damit das Gefühl der Zusammengehörigkeit
und der Zusammenarbeit wieder wachzurufen, das uns allein eine Gesundung der
sozialen Verhältnisse verspricht.

Was ich hier dargelegt habe, sind Gedanken, deren Ausführung sich viel¬
fach an den harten Tatsachen stoßen wird und die vielleicht nach manchen Richtungen
anders geformt werden müssen, ehe sie sich in die Wirklichkeit umsetzen lassen.
Aber es gilt in der gegenwärtigen Krisis weniger, einen in allen Einzelheiten
ausgearbeiteten Plan aufzustellen, als den Boden zu schaffen für gemeinsames
Verhandeln, und vor allem die Geistesverfassung herbeizuführen in unserem
Volk, daß wir uns nicht gegenseitig zerfleischen und aus der Not der anderen
Vorteile erraffen dürfen, sondern daß wir das Leid, das über Deutschland herein¬
gebrochen ist, gemeinsam tragen und alle Opfer bringen müssen.

Wenn uns das gelingt, wenn die Welt erkennt, daß das deutsche Volk sich
wiedergefunden hat und bereit ist, die Lasten zu tragen, die das Verhängnis
der letzten Jahre ihm aufgebürdet hat, dann schätze ich alle die äußeren Ge¬
fahren gering.

Dann wird Deutschland, durch Leid geläutert, auch wieder hilfsbereite
Freunde in der jetzt uns so feindlichen Welt finden.




Bürokraten-Briefe
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falken Hausen vonII. Demokratische Götzendämmerung?

Sie nennen meine Verteidigung des Obrigkeitsstaates eine Leichenrede und
sehen sich an die Rittertaten des sinnreichen Junkers von La Manch" erinnert, wenn
man mit Gründen gegen ein Prinzip ankämpft, dem wie jetzt eben der Demokratie
das unfehlbare und jedenfalls inappellable Urteil der Geschichte die unbedingte Welt¬
herrschaft zugesprochen hat, wenn man eine Entscheidung anzufechten sucht, welche die



*) Nachstehende "Bürokraten-Briefe" (siehe auch "Grenzboten" Doppelheft 44/4S) des
bekannten Verfassers stammen aus dem Winter 1919/20.
Bürokraten-Briefe

gewinn zu sichern, den ich schon in früheren Veröffentlichungen als den einzigen
Ersatz des versagenden Steuersystems bezeichnet habe.

Es kommen also auch bei solcher Gestaltung die berechtigten Forderungen
der Gemeinwirtschaft zum Durchbruch, ohne dadurch die Bordelle auszuschalten,
die wir in der sogenannten Erfolgswirtschaft als die treibenden Kräfte unseres
wirtschaftlichen Aufschwunges erkannt haben. Der Unternehmer wird in seiner
Tatkraft und in seinem Wagemut nicht dadurch lahmgelegt, daß er den Gewinn
mit den Arbeitern und dem Staate teilen muß. Man kann sogar hoffen, daß
die Notwendigkeit einen starken Ansporn bilden wird, durch möglichste Steigerung
und Verbilligung der Produktion die Gewinne zu erhöhen. Vor allem aber bietet
sich so die Möglichkeit, den Gegensatz zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft,
der heute unser ganzes Wirtschaftsleben lahmzulegen droht, abzuschwächen, wenn
auch nicht ganz auszugleichen, und damit das Gefühl der Zusammengehörigkeit
und der Zusammenarbeit wieder wachzurufen, das uns allein eine Gesundung der
sozialen Verhältnisse verspricht.

Was ich hier dargelegt habe, sind Gedanken, deren Ausführung sich viel¬
fach an den harten Tatsachen stoßen wird und die vielleicht nach manchen Richtungen
anders geformt werden müssen, ehe sie sich in die Wirklichkeit umsetzen lassen.
Aber es gilt in der gegenwärtigen Krisis weniger, einen in allen Einzelheiten
ausgearbeiteten Plan aufzustellen, als den Boden zu schaffen für gemeinsames
Verhandeln, und vor allem die Geistesverfassung herbeizuführen in unserem
Volk, daß wir uns nicht gegenseitig zerfleischen und aus der Not der anderen
Vorteile erraffen dürfen, sondern daß wir das Leid, das über Deutschland herein¬
gebrochen ist, gemeinsam tragen und alle Opfer bringen müssen.

Wenn uns das gelingt, wenn die Welt erkennt, daß das deutsche Volk sich
wiedergefunden hat und bereit ist, die Lasten zu tragen, die das Verhängnis
der letzten Jahre ihm aufgebürdet hat, dann schätze ich alle die äußeren Ge¬
fahren gering.

Dann wird Deutschland, durch Leid geläutert, auch wieder hilfsbereite
Freunde in der jetzt uns so feindlichen Welt finden.




Bürokraten-Briefe
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falken Hausen vonII. Demokratische Götzendämmerung?

Sie nennen meine Verteidigung des Obrigkeitsstaates eine Leichenrede und
sehen sich an die Rittertaten des sinnreichen Junkers von La Manch« erinnert, wenn
man mit Gründen gegen ein Prinzip ankämpft, dem wie jetzt eben der Demokratie
das unfehlbare und jedenfalls inappellable Urteil der Geschichte die unbedingte Welt¬
herrschaft zugesprochen hat, wenn man eine Entscheidung anzufechten sucht, welche die



*) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" (siehe auch „Grenzboten" Doppelheft 44/4S) des
bekannten Verfassers stammen aus dem Winter 1919/20.
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[0168] Bürokraten-Briefe gewinn zu sichern, den ich schon in früheren Veröffentlichungen als den einzigen Ersatz des versagenden Steuersystems bezeichnet habe. Es kommen also auch bei solcher Gestaltung die berechtigten Forderungen der Gemeinwirtschaft zum Durchbruch, ohne dadurch die Bordelle auszuschalten, die wir in der sogenannten Erfolgswirtschaft als die treibenden Kräfte unseres wirtschaftlichen Aufschwunges erkannt haben. Der Unternehmer wird in seiner Tatkraft und in seinem Wagemut nicht dadurch lahmgelegt, daß er den Gewinn mit den Arbeitern und dem Staate teilen muß. Man kann sogar hoffen, daß die Notwendigkeit einen starken Ansporn bilden wird, durch möglichste Steigerung und Verbilligung der Produktion die Gewinne zu erhöhen. Vor allem aber bietet sich so die Möglichkeit, den Gegensatz zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft, der heute unser ganzes Wirtschaftsleben lahmzulegen droht, abzuschwächen, wenn auch nicht ganz auszugleichen, und damit das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Zusammenarbeit wieder wachzurufen, das uns allein eine Gesundung der sozialen Verhältnisse verspricht. Was ich hier dargelegt habe, sind Gedanken, deren Ausführung sich viel¬ fach an den harten Tatsachen stoßen wird und die vielleicht nach manchen Richtungen anders geformt werden müssen, ehe sie sich in die Wirklichkeit umsetzen lassen. Aber es gilt in der gegenwärtigen Krisis weniger, einen in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Plan aufzustellen, als den Boden zu schaffen für gemeinsames Verhandeln, und vor allem die Geistesverfassung herbeizuführen in unserem Volk, daß wir uns nicht gegenseitig zerfleischen und aus der Not der anderen Vorteile erraffen dürfen, sondern daß wir das Leid, das über Deutschland herein¬ gebrochen ist, gemeinsam tragen und alle Opfer bringen müssen. Wenn uns das gelingt, wenn die Welt erkennt, daß das deutsche Volk sich wiedergefunden hat und bereit ist, die Lasten zu tragen, die das Verhängnis der letzten Jahre ihm aufgebürdet hat, dann schätze ich alle die äußeren Ge¬ fahren gering. Dann wird Deutschland, durch Leid geläutert, auch wieder hilfsbereite Freunde in der jetzt uns so feindlichen Welt finden. Bürokraten-Briefe Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falken Hausen vonII. Demokratische Götzendämmerung? Sie nennen meine Verteidigung des Obrigkeitsstaates eine Leichenrede und sehen sich an die Rittertaten des sinnreichen Junkers von La Manch« erinnert, wenn man mit Gründen gegen ein Prinzip ankämpft, dem wie jetzt eben der Demokratie das unfehlbare und jedenfalls inappellable Urteil der Geschichte die unbedingte Welt¬ herrschaft zugesprochen hat, wenn man eine Entscheidung anzufechten sucht, welche die *) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" (siehe auch „Grenzboten" Doppelheft 44/4S) des bekannten Verfassers stammen aus dem Winter 1919/20.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/168>, abgerufen am 01.05.2024.