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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Saargebiet

gelungen ist, trotz ihrer günstigen Stellung im Herzen deutscher Länder, alle Volks¬
schichten auf beiden Seiten des Rheines durch ihre barbarische Politik des Hasses-
in eine einheitliche Abwehrfront zu zwingen, auf absehbare Zeit ausgeschaltet.

Wenn also der heutige Staatsmann mit rheinbündischen Möglichkeiten nicht
Zu rechnen hat -- die zeitweilig auftauchenden bayerisch-österreichischen Parti¬
kularismen werden schon durch das Gesetz der politischen Schwerkraft beim Reiche
Schatten --, so erwächst ihm die Aufgabe, die in den beiden Wagschalen liegenden
Gewichte so richtig einzuschätzen, daß der Kraftverlust durch Reibung des unitarischen
und des partikularistischen Prinzips auf ein Minimum herabgesetzt wird; denn alle
Kräfte des politischen Lebens müssen heute einem Ziele zugerichtet werden: dem
Wiederaufbau geordneten Daseins und seiner Verteidigung gegen die Bestrebungen,
die auf eine vollständige politische Zersetzung unseres Volkes hinwirken.




Saargebiet
A. Lillig von

er Streik der Beamtenschaft im Saargebiet, dessen plötzlicher und zu
diesem Zeitpunkt unerwarteter Ausbruch alle Welt überrascht hat,
stellt eine der bisher ernstesten Episoden im Kampf der Saar¬
bevölkerung um die Erhaltung ihres Deutschtums und ihrer Zu¬
gehörigkeit zum deutschen Vaterlande dar. Aus allen Handlungen
der Regierungskonmussion läßt sich mit klar erkemwarer Deutlichkeit das rücksichts¬
lose, durch nichts zu beirrende Streben des Fünferrates verfolgen, das Saarland zu
verwelschen und möglichst schnell Frankreich vollständig in die Hände zu spielen.
Mit den gewiß nicht geringen Machtmitteln, die der Friedensvertrag der Negierungs-
koinmission in die Hände gibt, um eine französisch orientierte Politik zu verfolgen,
läßt diese sich dabei keineswegs genügen, sondern über den klaren Wortlaut des
^ersailler Vertrages hinaus ergreift sie fortgesetzt Maßnahmen, die sie im Geschwind-
>Grill zu ihrem Ziele führen sollen.

Die ersten und am härtesten betroffenen Opfer dieser Französierungspolitik
sind naturgemäß die Beamten. Das Saargebict besaß, solange es unter deutscher
Verwaltung stand, einen Stamm Pflicht- und gesinnungstreuer Beamter in allen
^Mnaltungszweigen, die der Bevölkerung in jeder Beziehung zum Vorbild dienen
konnten. An ihnen besaß diese in den schweren Zeiten französischer Militärdiktatur
vertraute und verschwiegene Ratgeber, die ihr in allen ihren Nöten mit Rat und
Tat zur Seite standen. Neben der Geistlichkeit beider christlicher Konfessionen bildete
die Beamtenschaft das Rückgrat des Deutschtums an der Saar, um die sich die
übrigen Bevölkerungskreise, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, in ebenso
treuer Anhänglichkeit an das deutsche Vaterland wie um ihre gegebenen Führer und
Vermittler scharten. Das war natürlich den Franzosen und ihren Sachverwaltern,


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gelungen ist, trotz ihrer günstigen Stellung im Herzen deutscher Länder, alle Volks¬
schichten auf beiden Seiten des Rheines durch ihre barbarische Politik des Hasses-
in eine einheitliche Abwehrfront zu zwingen, auf absehbare Zeit ausgeschaltet.

Wenn also der heutige Staatsmann mit rheinbündischen Möglichkeiten nicht
Zu rechnen hat — die zeitweilig auftauchenden bayerisch-österreichischen Parti¬
kularismen werden schon durch das Gesetz der politischen Schwerkraft beim Reiche
Schatten —, so erwächst ihm die Aufgabe, die in den beiden Wagschalen liegenden
Gewichte so richtig einzuschätzen, daß der Kraftverlust durch Reibung des unitarischen
und des partikularistischen Prinzips auf ein Minimum herabgesetzt wird; denn alle
Kräfte des politischen Lebens müssen heute einem Ziele zugerichtet werden: dem
Wiederaufbau geordneten Daseins und seiner Verteidigung gegen die Bestrebungen,
die auf eine vollständige politische Zersetzung unseres Volkes hinwirken.




Saargebiet
A. Lillig von

er Streik der Beamtenschaft im Saargebiet, dessen plötzlicher und zu
diesem Zeitpunkt unerwarteter Ausbruch alle Welt überrascht hat,
stellt eine der bisher ernstesten Episoden im Kampf der Saar¬
bevölkerung um die Erhaltung ihres Deutschtums und ihrer Zu¬
gehörigkeit zum deutschen Vaterlande dar. Aus allen Handlungen
der Regierungskonmussion läßt sich mit klar erkemwarer Deutlichkeit das rücksichts¬
lose, durch nichts zu beirrende Streben des Fünferrates verfolgen, das Saarland zu
verwelschen und möglichst schnell Frankreich vollständig in die Hände zu spielen.
Mit den gewiß nicht geringen Machtmitteln, die der Friedensvertrag der Negierungs-
koinmission in die Hände gibt, um eine französisch orientierte Politik zu verfolgen,
läßt diese sich dabei keineswegs genügen, sondern über den klaren Wortlaut des
^ersailler Vertrages hinaus ergreift sie fortgesetzt Maßnahmen, die sie im Geschwind-
>Grill zu ihrem Ziele führen sollen.

Die ersten und am härtesten betroffenen Opfer dieser Französierungspolitik
sind naturgemäß die Beamten. Das Saargebict besaß, solange es unter deutscher
Verwaltung stand, einen Stamm Pflicht- und gesinnungstreuer Beamter in allen
^Mnaltungszweigen, die der Bevölkerung in jeder Beziehung zum Vorbild dienen
konnten. An ihnen besaß diese in den schweren Zeiten französischer Militärdiktatur
vertraute und verschwiegene Ratgeber, die ihr in allen ihren Nöten mit Rat und
Tat zur Seite standen. Neben der Geistlichkeit beider christlicher Konfessionen bildete
die Beamtenschaft das Rückgrat des Deutschtums an der Saar, um die sich die
übrigen Bevölkerungskreise, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, in ebenso
treuer Anhänglichkeit an das deutsche Vaterland wie um ihre gegebenen Führer und
Vermittler scharten. Das war natürlich den Franzosen und ihren Sachverwaltern,


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[0021] Saargebiet gelungen ist, trotz ihrer günstigen Stellung im Herzen deutscher Länder, alle Volks¬ schichten auf beiden Seiten des Rheines durch ihre barbarische Politik des Hasses- in eine einheitliche Abwehrfront zu zwingen, auf absehbare Zeit ausgeschaltet. Wenn also der heutige Staatsmann mit rheinbündischen Möglichkeiten nicht Zu rechnen hat — die zeitweilig auftauchenden bayerisch-österreichischen Parti¬ kularismen werden schon durch das Gesetz der politischen Schwerkraft beim Reiche Schatten —, so erwächst ihm die Aufgabe, die in den beiden Wagschalen liegenden Gewichte so richtig einzuschätzen, daß der Kraftverlust durch Reibung des unitarischen und des partikularistischen Prinzips auf ein Minimum herabgesetzt wird; denn alle Kräfte des politischen Lebens müssen heute einem Ziele zugerichtet werden: dem Wiederaufbau geordneten Daseins und seiner Verteidigung gegen die Bestrebungen, die auf eine vollständige politische Zersetzung unseres Volkes hinwirken. Saargebiet A. Lillig von er Streik der Beamtenschaft im Saargebiet, dessen plötzlicher und zu diesem Zeitpunkt unerwarteter Ausbruch alle Welt überrascht hat, stellt eine der bisher ernstesten Episoden im Kampf der Saar¬ bevölkerung um die Erhaltung ihres Deutschtums und ihrer Zu¬ gehörigkeit zum deutschen Vaterlande dar. Aus allen Handlungen der Regierungskonmussion läßt sich mit klar erkemwarer Deutlichkeit das rücksichts¬ lose, durch nichts zu beirrende Streben des Fünferrates verfolgen, das Saarland zu verwelschen und möglichst schnell Frankreich vollständig in die Hände zu spielen. Mit den gewiß nicht geringen Machtmitteln, die der Friedensvertrag der Negierungs- koinmission in die Hände gibt, um eine französisch orientierte Politik zu verfolgen, läßt diese sich dabei keineswegs genügen, sondern über den klaren Wortlaut des ^ersailler Vertrages hinaus ergreift sie fortgesetzt Maßnahmen, die sie im Geschwind- >Grill zu ihrem Ziele führen sollen. Die ersten und am härtesten betroffenen Opfer dieser Französierungspolitik sind naturgemäß die Beamten. Das Saargebict besaß, solange es unter deutscher Verwaltung stand, einen Stamm Pflicht- und gesinnungstreuer Beamter in allen ^Mnaltungszweigen, die der Bevölkerung in jeder Beziehung zum Vorbild dienen konnten. An ihnen besaß diese in den schweren Zeiten französischer Militärdiktatur vertraute und verschwiegene Ratgeber, die ihr in allen ihren Nöten mit Rat und Tat zur Seite standen. Neben der Geistlichkeit beider christlicher Konfessionen bildete die Beamtenschaft das Rückgrat des Deutschtums an der Saar, um die sich die übrigen Bevölkerungskreise, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, in ebenso treuer Anhänglichkeit an das deutsche Vaterland wie um ihre gegebenen Führer und Vermittler scharten. Das war natürlich den Franzosen und ihren Sachverwaltern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/21>, abgerufen am 01.05.2024.