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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Um die deutsche Einheit
Von einem preußischen Junker

in 14. August 1921 läuft die zweijährige Frist ab, die in Artikel 167
der Reichsverfassung für das Inkrafttreten der Bestimmungen des
Artikels 18 festgesetzt worden ist, welche die Neugliederung des
Reiches vorsehen. Im Hinblick hierauf ist bekanntlich von der
Reichsregierung bereits eine Kommission zum Studium der Frage
ver Neugliederung des Reiches eingesetzt worden. Die allgemeine Lage, die hierfür
in Betracht kommt, ist folgende:

Die Provinz Oberschlesien soll für den Fall, daß sie sich durch die Volks¬
abstimmung für Deutschland erklärt, Autonomie erhalten, d. h. also, Oberschlesien
soll diesfalls aus dein preußischen Staatsverband ausscheiden und ein selbständiges
"Land" im Sinne der Reichsverfassung werden. Hiermit wäre der Anfang zur
Zerstückelung des preußischen Staatsgebietes gemacht. Falls Oberschlesien diese
Sonderstellung im Reiche erringt, ist als verhältnismäßig sicher anzunehmen, daß
die Rheinprovinz, in der ja schon lange ähnliche Bestrebungen auf Autonomie vor¬
handen sind, folgen würde. Dadurch wieder würde die autonome Bewegung in
Hannover, die für die Wiedererrichtung eines selbständigen hannoverschen Staates
unter welfisch-monarchischer Führung eintritt, außerordentlich gestärkt werden und
Hannover als dritte preußische Provinz auf dem Plane der Autonomiebewegung
^scheinen. Man kann es verstehen, daß unter solchen Umständen alle an der großen
Vergangenheit Preußen-Deutschlands hängenden Kreise gegen jede Ncueinteilung
des Reiches, die mit der Zerstückelung des geographischen Preußens gleichbedeutend
sein würde, geradezu leidenschaftlich Front machen. Dennoch verkennen sie die
Macht der Tatsachen.

Neben den Loslösungsbestrebungen preußischer Provinzen oder besser gesagt
ihrer scharfen Begünstigung durch die heutigen Machthaber, sind im Reiche zweifellos
sehr starke und gutbegründete Bestrebungen im Gange, eine neue Einteilung des
Reiches aus wirtschaftlichen Gründen zu fordern. Im Reichswirtschaftsrat sind
wir Unterstützung weiter Kreise der Arbeiterschaft Anträge der Industrie eingereicht
worden, die dem Gedanken der Gemeinwirtschast und des wirtschaftlichen Rüte-


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Um die deutsche Einheit
Von einem preußischen Junker

in 14. August 1921 läuft die zweijährige Frist ab, die in Artikel 167
der Reichsverfassung für das Inkrafttreten der Bestimmungen des
Artikels 18 festgesetzt worden ist, welche die Neugliederung des
Reiches vorsehen. Im Hinblick hierauf ist bekanntlich von der
Reichsregierung bereits eine Kommission zum Studium der Frage
ver Neugliederung des Reiches eingesetzt worden. Die allgemeine Lage, die hierfür
in Betracht kommt, ist folgende:

Die Provinz Oberschlesien soll für den Fall, daß sie sich durch die Volks¬
abstimmung für Deutschland erklärt, Autonomie erhalten, d. h. also, Oberschlesien
soll diesfalls aus dein preußischen Staatsverband ausscheiden und ein selbständiges
«Land" im Sinne der Reichsverfassung werden. Hiermit wäre der Anfang zur
Zerstückelung des preußischen Staatsgebietes gemacht. Falls Oberschlesien diese
Sonderstellung im Reiche erringt, ist als verhältnismäßig sicher anzunehmen, daß
die Rheinprovinz, in der ja schon lange ähnliche Bestrebungen auf Autonomie vor¬
handen sind, folgen würde. Dadurch wieder würde die autonome Bewegung in
Hannover, die für die Wiedererrichtung eines selbständigen hannoverschen Staates
unter welfisch-monarchischer Führung eintritt, außerordentlich gestärkt werden und
Hannover als dritte preußische Provinz auf dem Plane der Autonomiebewegung
^scheinen. Man kann es verstehen, daß unter solchen Umständen alle an der großen
Vergangenheit Preußen-Deutschlands hängenden Kreise gegen jede Ncueinteilung
des Reiches, die mit der Zerstückelung des geographischen Preußens gleichbedeutend
sein würde, geradezu leidenschaftlich Front machen. Dennoch verkennen sie die
Macht der Tatsachen.

Neben den Loslösungsbestrebungen preußischer Provinzen oder besser gesagt
ihrer scharfen Begünstigung durch die heutigen Machthaber, sind im Reiche zweifellos
sehr starke und gutbegründete Bestrebungen im Gange, eine neue Einteilung des
Reiches aus wirtschaftlichen Gründen zu fordern. Im Reichswirtschaftsrat sind
wir Unterstützung weiter Kreise der Arbeiterschaft Anträge der Industrie eingereicht
worden, die dem Gedanken der Gemeinwirtschast und des wirtschaftlichen Rüte-


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[0321] [Abbildung] Um die deutsche Einheit Von einem preußischen Junker in 14. August 1921 läuft die zweijährige Frist ab, die in Artikel 167 der Reichsverfassung für das Inkrafttreten der Bestimmungen des Artikels 18 festgesetzt worden ist, welche die Neugliederung des Reiches vorsehen. Im Hinblick hierauf ist bekanntlich von der Reichsregierung bereits eine Kommission zum Studium der Frage ver Neugliederung des Reiches eingesetzt worden. Die allgemeine Lage, die hierfür in Betracht kommt, ist folgende: Die Provinz Oberschlesien soll für den Fall, daß sie sich durch die Volks¬ abstimmung für Deutschland erklärt, Autonomie erhalten, d. h. also, Oberschlesien soll diesfalls aus dein preußischen Staatsverband ausscheiden und ein selbständiges «Land" im Sinne der Reichsverfassung werden. Hiermit wäre der Anfang zur Zerstückelung des preußischen Staatsgebietes gemacht. Falls Oberschlesien diese Sonderstellung im Reiche erringt, ist als verhältnismäßig sicher anzunehmen, daß die Rheinprovinz, in der ja schon lange ähnliche Bestrebungen auf Autonomie vor¬ handen sind, folgen würde. Dadurch wieder würde die autonome Bewegung in Hannover, die für die Wiedererrichtung eines selbständigen hannoverschen Staates unter welfisch-monarchischer Führung eintritt, außerordentlich gestärkt werden und Hannover als dritte preußische Provinz auf dem Plane der Autonomiebewegung ^scheinen. Man kann es verstehen, daß unter solchen Umständen alle an der großen Vergangenheit Preußen-Deutschlands hängenden Kreise gegen jede Ncueinteilung des Reiches, die mit der Zerstückelung des geographischen Preußens gleichbedeutend sein würde, geradezu leidenschaftlich Front machen. Dennoch verkennen sie die Macht der Tatsachen. Neben den Loslösungsbestrebungen preußischer Provinzen oder besser gesagt ihrer scharfen Begünstigung durch die heutigen Machthaber, sind im Reiche zweifellos sehr starke und gutbegründete Bestrebungen im Gange, eine neue Einteilung des Reiches aus wirtschaftlichen Gründen zu fordern. Im Reichswirtschaftsrat sind wir Unterstützung weiter Kreise der Arbeiterschaft Anträge der Industrie eingereicht worden, die dem Gedanken der Gemeinwirtschast und des wirtschaftlichen Rüte- Vrenzbotcn IV 1i>L0 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/321>, abgerufen am 01.05.2024.