Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Weltspiegel

schweißung mit der Deutschen Volkspartei. Selbstverständlich wird man auf der
demnächstigen Tagung der Deutsch-demokratischen Partei (ebenfalls in Nürnberg)
das Gesicht währen. Aber der Zug dahin ist überaus stark. Zwischen dem parla¬
mentarischen Flügel der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei
besteht faktisch kein Unterschied. Da die Aufnahme alter Parteigrößen der Demo¬
kratischen Partei schon anläßlich der letzten Wahl die Wege geebnet hat, .läßt sich
der Strom zwischen beiden Bewegungen kaum noch aufhalten: Formaler Demo¬
kratismus, Berufspolitikertum gegen Sachverständigenführung, Parlamentarismus,
Opportunismus, Politik des kleinen Tagesausgleichs, das sind die ausgesprochenen
und . unausgesprochenen Losungen. Das wäre praktisch die Rettung der Formal-
dcmokratie und -- Sprengung der Deutschen Volkspartei.

Und als letzte Warnung wird jeder ernste Politiker innerhalb der Deutschen
Volkspartei die Essener Tagung der christlich-nationalen Gewerkschaften empfunden
haben. Was der Nürnberger Tagung an politischer Bedeutung ermangelte, hatte
diese Essener Tagung fast im Übermaß. Die Rede Stegerwalds war inhaltlich und
politisch-taktisch eine Tat, deren Bedeutung für unsere politische Entwicklung nicht
leicht überschätzt werden kann. Weniger der Umstand, daß Stegerwald sich einmal
wieder zu einer programmatischen Kundgebung aufsbchwang, als vielmehr die Tat¬
sache, daß die Rede wie die ganze Tagung von langer Hand als neuorientierende
vorbereitet worden waren, lassen die Vermutung aufkommen, daß die Initiative
zum Handeln im parteipolitischer Umbildungsprozeß von der Deutschen Volks¬
partei auf die christlichen Gewerkschaften übergegangen ist.

Jedenfalls wird man innerhalb der Deutschen Volkspartei diese Warnungen
nicht einfach in den Wind schlagen können. Im Sturm der heutigen Zeiten hält
nur der Stand, der auf Horchposten hört und das Gesetz des Handelns nur vom
Eduard Stabeler eigenen Wollen annimmt. _- ' ,


Weltspiegel

England und Amerika. Wie schon im vorigen Weltspiegel angedeutet, versucht
man in Griechenland tatsächlich, die außenpolitische Linie festzuhalten. Wenigstens
hat sich Gunaris einem Vertreter der "Times" gegenüber, in diesem Sinne aus¬
gesprochen und darauf hingewiesen, daß sich eine solche Politik jetzt besser denn je
durchführen lasse, da die jetzige Regierung sich auf das Vertrauen des Volkes zu
stützen in der Lage sei. Seitdem läuft zwischen Athen und Luzern, Athen und
London und Paris und London Vorschlag über Vorschlag, Erwägung über Er¬
wägung. England will den Vertrag von Svvres unberührt wissen. Griechenland
aber verlangt für Aufrechterhaltung des Vertrages und Unterstützung der englischen
Politik finanzielle Kräftigung, die wieder England ohne Kontrolle nicht gewähren
kann oder will. Die Franzosen möchten, abgesehen von ihrem Mißtrauen gegen
Konstantin, wieder nicht, daß England allein die-griechischen Finanzen kontrolliere,
ohne doch andererseits den Griechen den Besitz von Smyrna garantieren zu sollen.
Denn das verdürbe wieder die Annäherung an die Anatolier, die man braucht,
erstens zur Balcmcicrung des englischen Übergewichts im nahen Orient, zweitens
um in Cilicien zur Ruhe zu kommen und hier Geld und Truppen zu sparen.
Bekommen aber die Anatolier Smyrna, so brauchen die Griechen wieder keine
finanzielle Unterstützung und brauchen auf Frankreichs Wünsche in der Königsfrage
keine Rücksicht zu nehmen. Inzwischen scheint sich nach der Fassung der Entente¬
note an Griechenland, mehr noch nach den Äußerungen Konstantins im "Matin"
zu urteilen, der englische Standpunkt in der griechischen Frage in allem Wesentlichen
durchgesetzt zu haben. Die Revision des Vertrages von Sevres wird verschoben.
Die Franzosen werden um ihrer plötzlich erWächten Freundschaft für Mustapha Kemal
willen noch manchen harten diplomatischen Strauß auszufechten haben, und es ist
möglich, daß einer dieser Wassergänge dem französischen Ministerpräsidenten seine
Stellung kostet. Für diesmal hat er sie, trotzdem man mit seinen mehr dekorativen
"Erfolgen" in der griechischen Angelegenheit wenig zufrieden ist, noch gerettet weil
er außer einem Abkommen mit England in Sachen der syrisch-palästinensischen Ab-


Weltspiegel

schweißung mit der Deutschen Volkspartei. Selbstverständlich wird man auf der
demnächstigen Tagung der Deutsch-demokratischen Partei (ebenfalls in Nürnberg)
das Gesicht währen. Aber der Zug dahin ist überaus stark. Zwischen dem parla¬
mentarischen Flügel der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei
besteht faktisch kein Unterschied. Da die Aufnahme alter Parteigrößen der Demo¬
kratischen Partei schon anläßlich der letzten Wahl die Wege geebnet hat, .läßt sich
der Strom zwischen beiden Bewegungen kaum noch aufhalten: Formaler Demo¬
kratismus, Berufspolitikertum gegen Sachverständigenführung, Parlamentarismus,
Opportunismus, Politik des kleinen Tagesausgleichs, das sind die ausgesprochenen
und . unausgesprochenen Losungen. Das wäre praktisch die Rettung der Formal-
dcmokratie und — Sprengung der Deutschen Volkspartei.

Und als letzte Warnung wird jeder ernste Politiker innerhalb der Deutschen
Volkspartei die Essener Tagung der christlich-nationalen Gewerkschaften empfunden
haben. Was der Nürnberger Tagung an politischer Bedeutung ermangelte, hatte
diese Essener Tagung fast im Übermaß. Die Rede Stegerwalds war inhaltlich und
politisch-taktisch eine Tat, deren Bedeutung für unsere politische Entwicklung nicht
leicht überschätzt werden kann. Weniger der Umstand, daß Stegerwald sich einmal
wieder zu einer programmatischen Kundgebung aufsbchwang, als vielmehr die Tat¬
sache, daß die Rede wie die ganze Tagung von langer Hand als neuorientierende
vorbereitet worden waren, lassen die Vermutung aufkommen, daß die Initiative
zum Handeln im parteipolitischer Umbildungsprozeß von der Deutschen Volks¬
partei auf die christlichen Gewerkschaften übergegangen ist.

Jedenfalls wird man innerhalb der Deutschen Volkspartei diese Warnungen
nicht einfach in den Wind schlagen können. Im Sturm der heutigen Zeiten hält
nur der Stand, der auf Horchposten hört und das Gesetz des Handelns nur vom
Eduard Stabeler eigenen Wollen annimmt. _- ' ,


Weltspiegel

England und Amerika. Wie schon im vorigen Weltspiegel angedeutet, versucht
man in Griechenland tatsächlich, die außenpolitische Linie festzuhalten. Wenigstens
hat sich Gunaris einem Vertreter der „Times" gegenüber, in diesem Sinne aus¬
gesprochen und darauf hingewiesen, daß sich eine solche Politik jetzt besser denn je
durchführen lasse, da die jetzige Regierung sich auf das Vertrauen des Volkes zu
stützen in der Lage sei. Seitdem läuft zwischen Athen und Luzern, Athen und
London und Paris und London Vorschlag über Vorschlag, Erwägung über Er¬
wägung. England will den Vertrag von Svvres unberührt wissen. Griechenland
aber verlangt für Aufrechterhaltung des Vertrages und Unterstützung der englischen
Politik finanzielle Kräftigung, die wieder England ohne Kontrolle nicht gewähren
kann oder will. Die Franzosen möchten, abgesehen von ihrem Mißtrauen gegen
Konstantin, wieder nicht, daß England allein die-griechischen Finanzen kontrolliere,
ohne doch andererseits den Griechen den Besitz von Smyrna garantieren zu sollen.
Denn das verdürbe wieder die Annäherung an die Anatolier, die man braucht,
erstens zur Balcmcicrung des englischen Übergewichts im nahen Orient, zweitens
um in Cilicien zur Ruhe zu kommen und hier Geld und Truppen zu sparen.
Bekommen aber die Anatolier Smyrna, so brauchen die Griechen wieder keine
finanzielle Unterstützung und brauchen auf Frankreichs Wünsche in der Königsfrage
keine Rücksicht zu nehmen. Inzwischen scheint sich nach der Fassung der Entente¬
note an Griechenland, mehr noch nach den Äußerungen Konstantins im „Matin"
zu urteilen, der englische Standpunkt in der griechischen Frage in allem Wesentlichen
durchgesetzt zu haben. Die Revision des Vertrages von Sevres wird verschoben.
Die Franzosen werden um ihrer plötzlich erWächten Freundschaft für Mustapha Kemal
willen noch manchen harten diplomatischen Strauß auszufechten haben, und es ist
möglich, daß einer dieser Wassergänge dem französischen Ministerpräsidenten seine
Stellung kostet. Für diesmal hat er sie, trotzdem man mit seinen mehr dekorativen
„Erfolgen" in der griechischen Angelegenheit wenig zufrieden ist, noch gerettet weil
er außer einem Abkommen mit England in Sachen der syrisch-palästinensischen Ab-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338380"/>
          <fw type="header" place="top"> Weltspiegel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> schweißung mit der Deutschen Volkspartei. Selbstverständlich wird man auf der<lb/>
demnächstigen Tagung der Deutsch-demokratischen Partei (ebenfalls in Nürnberg)<lb/>
das Gesicht währen. Aber der Zug dahin ist überaus stark. Zwischen dem parla¬<lb/>
mentarischen Flügel der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei<lb/>
besteht faktisch kein Unterschied. Da die Aufnahme alter Parteigrößen der Demo¬<lb/>
kratischen Partei schon anläßlich der letzten Wahl die Wege geebnet hat, .läßt sich<lb/>
der Strom zwischen beiden Bewegungen kaum noch aufhalten: Formaler Demo¬<lb/>
kratismus, Berufspolitikertum gegen Sachverständigenführung, Parlamentarismus,<lb/>
Opportunismus, Politik des kleinen Tagesausgleichs, das sind die ausgesprochenen<lb/>
und . unausgesprochenen Losungen. Das wäre praktisch die Rettung der Formal-<lb/>
dcmokratie und &#x2014; Sprengung der Deutschen Volkspartei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1318"> Und als letzte Warnung wird jeder ernste Politiker innerhalb der Deutschen<lb/>
Volkspartei die Essener Tagung der christlich-nationalen Gewerkschaften empfunden<lb/>
haben. Was der Nürnberger Tagung an politischer Bedeutung ermangelte, hatte<lb/>
diese Essener Tagung fast im Übermaß. Die Rede Stegerwalds war inhaltlich und<lb/>
politisch-taktisch eine Tat, deren Bedeutung für unsere politische Entwicklung nicht<lb/>
leicht überschätzt werden kann. Weniger der Umstand, daß Stegerwald sich einmal<lb/>
wieder zu einer programmatischen Kundgebung aufsbchwang, als vielmehr die Tat¬<lb/>
sache, daß die Rede wie die ganze Tagung von langer Hand als neuorientierende<lb/>
vorbereitet worden waren, lassen die Vermutung aufkommen, daß die Initiative<lb/>
zum Handeln im parteipolitischer Umbildungsprozeß von der Deutschen Volks¬<lb/>
partei auf die christlichen Gewerkschaften übergegangen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1319"> Jedenfalls wird man innerhalb der Deutschen Volkspartei diese Warnungen<lb/>
nicht einfach in den Wind schlagen können. Im Sturm der heutigen Zeiten hält<lb/>
nur der Stand, der auf Horchposten hört und das Gesetz des Handelns nur vom<lb/><note type="byline"> Eduard Stabeler</note> eigenen Wollen annimmt. _- '  , </p><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Weltspiegel</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1320" next="#ID_1321"> England und Amerika. Wie schon im vorigen Weltspiegel angedeutet, versucht<lb/>
man in Griechenland tatsächlich, die außenpolitische Linie festzuhalten. Wenigstens<lb/>
hat sich Gunaris einem Vertreter der &#x201E;Times" gegenüber, in diesem Sinne aus¬<lb/>
gesprochen und darauf hingewiesen, daß sich eine solche Politik jetzt besser denn je<lb/>
durchführen lasse, da die jetzige Regierung sich auf das Vertrauen des Volkes zu<lb/>
stützen in der Lage sei. Seitdem läuft zwischen Athen und Luzern, Athen und<lb/>
London und Paris und London Vorschlag über Vorschlag, Erwägung über Er¬<lb/>
wägung. England will den Vertrag von Svvres unberührt wissen. Griechenland<lb/>
aber verlangt für Aufrechterhaltung des Vertrages und Unterstützung der englischen<lb/>
Politik finanzielle Kräftigung, die wieder England ohne Kontrolle nicht gewähren<lb/>
kann oder will. Die Franzosen möchten, abgesehen von ihrem Mißtrauen gegen<lb/>
Konstantin, wieder nicht, daß England allein die-griechischen Finanzen kontrolliere,<lb/>
ohne doch andererseits den Griechen den Besitz von Smyrna garantieren zu sollen.<lb/>
Denn das verdürbe wieder die Annäherung an die Anatolier, die man braucht,<lb/>
erstens zur Balcmcicrung des englischen Übergewichts im nahen Orient, zweitens<lb/>
um in Cilicien zur Ruhe zu kommen und hier Geld und Truppen zu sparen.<lb/>
Bekommen aber die Anatolier Smyrna, so brauchen die Griechen wieder keine<lb/>
finanzielle Unterstützung und brauchen auf Frankreichs Wünsche in der Königsfrage<lb/>
keine Rücksicht zu nehmen. Inzwischen scheint sich nach der Fassung der Entente¬<lb/>
note an Griechenland, mehr noch nach den Äußerungen Konstantins im &#x201E;Matin"<lb/>
zu urteilen, der englische Standpunkt in der griechischen Frage in allem Wesentlichen<lb/>
durchgesetzt zu haben. Die Revision des Vertrages von Sevres wird verschoben.<lb/>
Die Franzosen werden um ihrer plötzlich erWächten Freundschaft für Mustapha Kemal<lb/>
willen noch manchen harten diplomatischen Strauß auszufechten haben, und es ist<lb/>
möglich, daß einer dieser Wassergänge dem französischen Ministerpräsidenten seine<lb/>
Stellung kostet. Für diesmal hat er sie, trotzdem man mit seinen mehr dekorativen<lb/>
&#x201E;Erfolgen" in der griechischen Angelegenheit wenig zufrieden ist, noch gerettet weil<lb/>
er außer einem Abkommen mit England in Sachen der syrisch-palästinensischen Ab-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] Weltspiegel schweißung mit der Deutschen Volkspartei. Selbstverständlich wird man auf der demnächstigen Tagung der Deutsch-demokratischen Partei (ebenfalls in Nürnberg) das Gesicht währen. Aber der Zug dahin ist überaus stark. Zwischen dem parla¬ mentarischen Flügel der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei besteht faktisch kein Unterschied. Da die Aufnahme alter Parteigrößen der Demo¬ kratischen Partei schon anläßlich der letzten Wahl die Wege geebnet hat, .läßt sich der Strom zwischen beiden Bewegungen kaum noch aufhalten: Formaler Demo¬ kratismus, Berufspolitikertum gegen Sachverständigenführung, Parlamentarismus, Opportunismus, Politik des kleinen Tagesausgleichs, das sind die ausgesprochenen und . unausgesprochenen Losungen. Das wäre praktisch die Rettung der Formal- dcmokratie und — Sprengung der Deutschen Volkspartei. Und als letzte Warnung wird jeder ernste Politiker innerhalb der Deutschen Volkspartei die Essener Tagung der christlich-nationalen Gewerkschaften empfunden haben. Was der Nürnberger Tagung an politischer Bedeutung ermangelte, hatte diese Essener Tagung fast im Übermaß. Die Rede Stegerwalds war inhaltlich und politisch-taktisch eine Tat, deren Bedeutung für unsere politische Entwicklung nicht leicht überschätzt werden kann. Weniger der Umstand, daß Stegerwald sich einmal wieder zu einer programmatischen Kundgebung aufsbchwang, als vielmehr die Tat¬ sache, daß die Rede wie die ganze Tagung von langer Hand als neuorientierende vorbereitet worden waren, lassen die Vermutung aufkommen, daß die Initiative zum Handeln im parteipolitischer Umbildungsprozeß von der Deutschen Volks¬ partei auf die christlichen Gewerkschaften übergegangen ist. Jedenfalls wird man innerhalb der Deutschen Volkspartei diese Warnungen nicht einfach in den Wind schlagen können. Im Sturm der heutigen Zeiten hält nur der Stand, der auf Horchposten hört und das Gesetz des Handelns nur vom Eduard Stabeler eigenen Wollen annimmt. _- ' , Weltspiegel England und Amerika. Wie schon im vorigen Weltspiegel angedeutet, versucht man in Griechenland tatsächlich, die außenpolitische Linie festzuhalten. Wenigstens hat sich Gunaris einem Vertreter der „Times" gegenüber, in diesem Sinne aus¬ gesprochen und darauf hingewiesen, daß sich eine solche Politik jetzt besser denn je durchführen lasse, da die jetzige Regierung sich auf das Vertrauen des Volkes zu stützen in der Lage sei. Seitdem läuft zwischen Athen und Luzern, Athen und London und Paris und London Vorschlag über Vorschlag, Erwägung über Er¬ wägung. England will den Vertrag von Svvres unberührt wissen. Griechenland aber verlangt für Aufrechterhaltung des Vertrages und Unterstützung der englischen Politik finanzielle Kräftigung, die wieder England ohne Kontrolle nicht gewähren kann oder will. Die Franzosen möchten, abgesehen von ihrem Mißtrauen gegen Konstantin, wieder nicht, daß England allein die-griechischen Finanzen kontrolliere, ohne doch andererseits den Griechen den Besitz von Smyrna garantieren zu sollen. Denn das verdürbe wieder die Annäherung an die Anatolier, die man braucht, erstens zur Balcmcicrung des englischen Übergewichts im nahen Orient, zweitens um in Cilicien zur Ruhe zu kommen und hier Geld und Truppen zu sparen. Bekommen aber die Anatolier Smyrna, so brauchen die Griechen wieder keine finanzielle Unterstützung und brauchen auf Frankreichs Wünsche in der Königsfrage keine Rücksicht zu nehmen. Inzwischen scheint sich nach der Fassung der Entente¬ note an Griechenland, mehr noch nach den Äußerungen Konstantins im „Matin" zu urteilen, der englische Standpunkt in der griechischen Frage in allem Wesentlichen durchgesetzt zu haben. Die Revision des Vertrages von Sevres wird verschoben. Die Franzosen werden um ihrer plötzlich erWächten Freundschaft für Mustapha Kemal willen noch manchen harten diplomatischen Strauß auszufechten haben, und es ist möglich, daß einer dieser Wassergänge dem französischen Ministerpräsidenten seine Stellung kostet. Für diesmal hat er sie, trotzdem man mit seinen mehr dekorativen „Erfolgen" in der griechischen Angelegenheit wenig zufrieden ist, noch gerettet weil er außer einem Abkommen mit England in Sachen der syrisch-palästinensischen Ab-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/357>, abgerufen am 01.05.2024.