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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Das Londoner Ultimatum. Man hat mir vorgeworfen, daß meine Be¬
trachtungen über außenpolitische Fehler und Versäumnisse die innere Lage in
Deutschland unberücksichtigt ließen. Aber gerade den Standpunkt dieser Tadler
bekämpfe ich. Das Volk ist verloren, das es nicht über sich zu gewinnen vermag,
die Schwierigkeiten seiner inneren Lage den Erfordernissen der Außenpolitik unter,
zuordnen. Diese Schwierigkeiten lassen Versäumnisse und Fehler begreiflich er-
scheinen, sie entschuldigen sie nicht. Denn gerade dies muß man vom Außen-
Politiker verlangen, daß er seinen Gesichtspunkten im eigenen Hause Geltung zu
schaffen weiß. Zugegeben, daß das in Deutschland schwerer ist als anderswo,
aber wer eine Aufgabe übernimmt, muß, wenn er sie nicht zu erfüllen vermag,
eben Angriffe dulden. Mit anderen Worten: Wer es übernimmt, dies außen¬
politisch unbegabte Volk zu führen, soll sich nicht damit entschuldigen, daß bei der
Unbegabtheit des Volkes als Ganzes auch von ihm keine besseren Leistungen zu
erwarten seien. Die Ereignisse der letzten Monate haben deutlich genug gezeigt,
wie unfähig augenblicklich die Parteien als solche zur Lösung dringender Aufgaben
sind, aber ein starker Mann hätte es eben verstanden, über die Parteien hinweg
ans Volk zu appellieren und die Untüchtigkeit des reinen Parteiregimes dem Volke
deutlich vor Augen zu führen. Auch Dr. Simons hat es nach innen in noch
stärkerem Grade als nach außen hin an Aktivität gefehlt.

Wenn irgend etwas typisch ist, für die allgemeine deutsche Unfähigkeit,
Politik zu machen, so ist es die Tatsache, daß Deutschland in einem der wichtigsten
Augenblicke seines nationalen Lebens, der Annahme des Londoner Ultimatums,
keinen Außenminister hatte. Nicht auf Parteikonstellationen und sonstige Rück¬
sichten ist das zurückzuführen, sondern auf die Unfähigkeit, Entschlüsse zu fassen
und Verantwortungen zu übernehmen. Nehmen wir an, was ich nicht glaube,
aber nehmen wir an, die Unterzeichnung war sachlich richtig -- und in der Tat
standen Sachverständigenurteile, sowohl wirtschaftliche wie politische, gegen Sach¬
verständigenurteile: Keiner fand den Mut, für eine außenpolitische Entscheidung
die Verantwortung zu übernehmen, die doch von vielen für die richtige gehalten
wurde. Jeder Nachfolger Simons' kann sagen: ich bin es nicht gewesen, ich habe
mich nur auf den Boden vorhandener Tatsachen gestellt. Aber wie soll er
Aktivität entfalten, wenn er diese Tatsachen innerlich nicht anerkennt? -
"

Wir wissen nicht, was wir wollen. "Haben Sie bemerkt, schreibt Viviani
im "Petit Journal" vom 7. Mai ganz richtig, "daß Deutschland sich fast immer
auf andere verläßt, auf ihre Schwäche oder auf ihre Bedenken, und daß es
weniger auf sich selber rechnet? ... Die ganze Geschichte seiner Kriegführung
bezeugte das, in der immer ein kindisches Räsonnement auf die diplomatischen
Entscheidungen der Regierung eingewirkt hat. Und ebenso wird dies durch die
Geschichte der vergangenen und jetzigen Unterhandlungen belegt."

Was immer geschieht, immer gibt es einen Teil der nicht mitmacht und
immer wird durch nach außen schwächlich wirkendes Lavieren auf diesen Teil
Rücksicht genommen. Wie anders in England. "Der Klub der Liberalen" hat
Lloyd George erst unlängst in einer Rede geäußert, "hat mein Porträt aus
seinen Räumen in den Keller verbannt, weil ich versucht habe, mit anderen
Männern zu arbeiten, die nicht zur gleichen Partei wie ich gehören, aber mein
Vaterland ebenso lieben. Ich werde weiter mit ihnen arbeiten." Der "Vorwärts"
aber schrieb im November 1918: "Wir vertrauen auf den Weltsozmlismus der
friedlichen Arbeiterdemokratien, der früher oder später kommen und aller Un-
gerechtigkeit zwischen den Völkern ein Ende machen wird." Früher oder spater l
Mir scheint, wir werden recht lange auf das Später zu warten haben.¬

Nicht das Ja oder Nein der Annahme des Londoner Ultimatums steht zu
nächst zur Rede, sondern die allgemeine Ziellosigkeit. Die Drohung mit der Be-
setzung des Nuhrgebiets ist nicht von heute und nicht von gestern. Daß sie ein¬
mal aktuell wurde, war vorauszusehen. Man hat also Zeit genug gehabt, sich


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Das Londoner Ultimatum. Man hat mir vorgeworfen, daß meine Be¬
trachtungen über außenpolitische Fehler und Versäumnisse die innere Lage in
Deutschland unberücksichtigt ließen. Aber gerade den Standpunkt dieser Tadler
bekämpfe ich. Das Volk ist verloren, das es nicht über sich zu gewinnen vermag,
die Schwierigkeiten seiner inneren Lage den Erfordernissen der Außenpolitik unter,
zuordnen. Diese Schwierigkeiten lassen Versäumnisse und Fehler begreiflich er-
scheinen, sie entschuldigen sie nicht. Denn gerade dies muß man vom Außen-
Politiker verlangen, daß er seinen Gesichtspunkten im eigenen Hause Geltung zu
schaffen weiß. Zugegeben, daß das in Deutschland schwerer ist als anderswo,
aber wer eine Aufgabe übernimmt, muß, wenn er sie nicht zu erfüllen vermag,
eben Angriffe dulden. Mit anderen Worten: Wer es übernimmt, dies außen¬
politisch unbegabte Volk zu führen, soll sich nicht damit entschuldigen, daß bei der
Unbegabtheit des Volkes als Ganzes auch von ihm keine besseren Leistungen zu
erwarten seien. Die Ereignisse der letzten Monate haben deutlich genug gezeigt,
wie unfähig augenblicklich die Parteien als solche zur Lösung dringender Aufgaben
sind, aber ein starker Mann hätte es eben verstanden, über die Parteien hinweg
ans Volk zu appellieren und die Untüchtigkeit des reinen Parteiregimes dem Volke
deutlich vor Augen zu führen. Auch Dr. Simons hat es nach innen in noch
stärkerem Grade als nach außen hin an Aktivität gefehlt.

Wenn irgend etwas typisch ist, für die allgemeine deutsche Unfähigkeit,
Politik zu machen, so ist es die Tatsache, daß Deutschland in einem der wichtigsten
Augenblicke seines nationalen Lebens, der Annahme des Londoner Ultimatums,
keinen Außenminister hatte. Nicht auf Parteikonstellationen und sonstige Rück¬
sichten ist das zurückzuführen, sondern auf die Unfähigkeit, Entschlüsse zu fassen
und Verantwortungen zu übernehmen. Nehmen wir an, was ich nicht glaube,
aber nehmen wir an, die Unterzeichnung war sachlich richtig — und in der Tat
standen Sachverständigenurteile, sowohl wirtschaftliche wie politische, gegen Sach¬
verständigenurteile: Keiner fand den Mut, für eine außenpolitische Entscheidung
die Verantwortung zu übernehmen, die doch von vielen für die richtige gehalten
wurde. Jeder Nachfolger Simons' kann sagen: ich bin es nicht gewesen, ich habe
mich nur auf den Boden vorhandener Tatsachen gestellt. Aber wie soll er
Aktivität entfalten, wenn er diese Tatsachen innerlich nicht anerkennt? -
"

Wir wissen nicht, was wir wollen. „Haben Sie bemerkt, schreibt Viviani
im „Petit Journal" vom 7. Mai ganz richtig, „daß Deutschland sich fast immer
auf andere verläßt, auf ihre Schwäche oder auf ihre Bedenken, und daß es
weniger auf sich selber rechnet? ... Die ganze Geschichte seiner Kriegführung
bezeugte das, in der immer ein kindisches Räsonnement auf die diplomatischen
Entscheidungen der Regierung eingewirkt hat. Und ebenso wird dies durch die
Geschichte der vergangenen und jetzigen Unterhandlungen belegt."

Was immer geschieht, immer gibt es einen Teil der nicht mitmacht und
immer wird durch nach außen schwächlich wirkendes Lavieren auf diesen Teil
Rücksicht genommen. Wie anders in England. „Der Klub der Liberalen" hat
Lloyd George erst unlängst in einer Rede geäußert, „hat mein Porträt aus
seinen Räumen in den Keller verbannt, weil ich versucht habe, mit anderen
Männern zu arbeiten, die nicht zur gleichen Partei wie ich gehören, aber mein
Vaterland ebenso lieben. Ich werde weiter mit ihnen arbeiten." Der „Vorwärts"
aber schrieb im November 1918: „Wir vertrauen auf den Weltsozmlismus der
friedlichen Arbeiterdemokratien, der früher oder später kommen und aller Un-
gerechtigkeit zwischen den Völkern ein Ende machen wird." Früher oder spater l
Mir scheint, wir werden recht lange auf das Später zu warten haben.¬

Nicht das Ja oder Nein der Annahme des Londoner Ultimatums steht zu
nächst zur Rede, sondern die allgemeine Ziellosigkeit. Die Drohung mit der Be-
setzung des Nuhrgebiets ist nicht von heute und nicht von gestern. Daß sie ein¬
mal aktuell wurde, war vorauszusehen. Man hat also Zeit genug gehabt, sich


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[0209] Weltspiegel Weltspiegel Das Londoner Ultimatum. Man hat mir vorgeworfen, daß meine Be¬ trachtungen über außenpolitische Fehler und Versäumnisse die innere Lage in Deutschland unberücksichtigt ließen. Aber gerade den Standpunkt dieser Tadler bekämpfe ich. Das Volk ist verloren, das es nicht über sich zu gewinnen vermag, die Schwierigkeiten seiner inneren Lage den Erfordernissen der Außenpolitik unter, zuordnen. Diese Schwierigkeiten lassen Versäumnisse und Fehler begreiflich er- scheinen, sie entschuldigen sie nicht. Denn gerade dies muß man vom Außen- Politiker verlangen, daß er seinen Gesichtspunkten im eigenen Hause Geltung zu schaffen weiß. Zugegeben, daß das in Deutschland schwerer ist als anderswo, aber wer eine Aufgabe übernimmt, muß, wenn er sie nicht zu erfüllen vermag, eben Angriffe dulden. Mit anderen Worten: Wer es übernimmt, dies außen¬ politisch unbegabte Volk zu führen, soll sich nicht damit entschuldigen, daß bei der Unbegabtheit des Volkes als Ganzes auch von ihm keine besseren Leistungen zu erwarten seien. Die Ereignisse der letzten Monate haben deutlich genug gezeigt, wie unfähig augenblicklich die Parteien als solche zur Lösung dringender Aufgaben sind, aber ein starker Mann hätte es eben verstanden, über die Parteien hinweg ans Volk zu appellieren und die Untüchtigkeit des reinen Parteiregimes dem Volke deutlich vor Augen zu führen. Auch Dr. Simons hat es nach innen in noch stärkerem Grade als nach außen hin an Aktivität gefehlt. Wenn irgend etwas typisch ist, für die allgemeine deutsche Unfähigkeit, Politik zu machen, so ist es die Tatsache, daß Deutschland in einem der wichtigsten Augenblicke seines nationalen Lebens, der Annahme des Londoner Ultimatums, keinen Außenminister hatte. Nicht auf Parteikonstellationen und sonstige Rück¬ sichten ist das zurückzuführen, sondern auf die Unfähigkeit, Entschlüsse zu fassen und Verantwortungen zu übernehmen. Nehmen wir an, was ich nicht glaube, aber nehmen wir an, die Unterzeichnung war sachlich richtig — und in der Tat standen Sachverständigenurteile, sowohl wirtschaftliche wie politische, gegen Sach¬ verständigenurteile: Keiner fand den Mut, für eine außenpolitische Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen, die doch von vielen für die richtige gehalten wurde. Jeder Nachfolger Simons' kann sagen: ich bin es nicht gewesen, ich habe mich nur auf den Boden vorhandener Tatsachen gestellt. Aber wie soll er Aktivität entfalten, wenn er diese Tatsachen innerlich nicht anerkennt? - " Wir wissen nicht, was wir wollen. „Haben Sie bemerkt, schreibt Viviani im „Petit Journal" vom 7. Mai ganz richtig, „daß Deutschland sich fast immer auf andere verläßt, auf ihre Schwäche oder auf ihre Bedenken, und daß es weniger auf sich selber rechnet? ... Die ganze Geschichte seiner Kriegführung bezeugte das, in der immer ein kindisches Räsonnement auf die diplomatischen Entscheidungen der Regierung eingewirkt hat. Und ebenso wird dies durch die Geschichte der vergangenen und jetzigen Unterhandlungen belegt." Was immer geschieht, immer gibt es einen Teil der nicht mitmacht und immer wird durch nach außen schwächlich wirkendes Lavieren auf diesen Teil Rücksicht genommen. Wie anders in England. „Der Klub der Liberalen" hat Lloyd George erst unlängst in einer Rede geäußert, „hat mein Porträt aus seinen Räumen in den Keller verbannt, weil ich versucht habe, mit anderen Männern zu arbeiten, die nicht zur gleichen Partei wie ich gehören, aber mein Vaterland ebenso lieben. Ich werde weiter mit ihnen arbeiten." Der „Vorwärts" aber schrieb im November 1918: „Wir vertrauen auf den Weltsozmlismus der friedlichen Arbeiterdemokratien, der früher oder später kommen und aller Un- gerechtigkeit zwischen den Völkern ein Ende machen wird." Früher oder spater l Mir scheint, wir werden recht lange auf das Später zu warten haben.¬ Nicht das Ja oder Nein der Annahme des Londoner Ultimatums steht zu nächst zur Rede, sondern die allgemeine Ziellosigkeit. Die Drohung mit der Be- setzung des Nuhrgebiets ist nicht von heute und nicht von gestern. Daß sie ein¬ mal aktuell wurde, war vorauszusehen. Man hat also Zeit genug gehabt, sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/209>, abgerufen am 28.04.2024.