Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Weltspiegel

204

darüber klar zu werden, ob man einmal diesem Druck weichen würde oder nicht.
Wollte man es nicht, mußte man aktiverweise unter allen Umständen vermeiden,
Gelegenheiten zu seiner Anwendung zu schaffen oder eintreten zu lassen, dann
aber auch, wenn sie trotzdem eintraten, unter allen Umständen fest bleiben und
sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn der Druck tatsächlich eintrat. War
man aber überzeugt, daß man das Risiko der Besetzung nicht auf sich nehmen
konnte, so hatte es keinen Zweck, mit Stentorstimme ein Niemals hinauszu¬
posaunen, an das man selber nicht glaubte und das dann, verleugnet, nicht
gerade dazu diente, bei den Feinden den Glauben an Deutschlands Entschlossen¬
heit zu stärken.

Wie wenig aber das deutsche Volk sich in den letzten Monaten bewußt
gewesen ist, um was es eigentlich ging, beweist die Reichstagssitzung vom
10. Mai: .Es steht mehr als Geld und Gut auf dem Spiel. Es handelt sich um
die Zukunft unseres hartgeprüften Vaterlandes" sagte der neue Kanzler. Aber
es fehlten bei dieser entscheidenden Sitzung nicht weniger als 76 Abgeordnete.
Abgesehen von der moralischen Seite der Sache möchte ich wissen, wofür diese
Herren eigentlich ihre Diäten beziehen und wie viele ihrer Wähler den Schneid
aufbringen werden, sie für ihre Faulheit zur Rechenschaft zu ziehen. Und dann
das Niveau der Debatte. Der Redner der Sozialdemokraten weiß nichts besseres
zu tun, als die Verantwortung abzulehnen, aber die Annahme trotzdem anzuraten.
"Die politische Verantwortung für Annahme und Ausführung des Ultimatums
siel nach Auffassung der Fraktion jenen Parteien zu, die am meisten zur Ver¬
längerung des Krieges und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen hatten."
Man kann stehen auf welchem Parteistandpunkt man immer will, aber das ist
doch blanker Unsinn. Wenn ich zur Annahme eines Ultimatums rate, bin ich
dafür verantwortlich, und wenn ich die Annahme für schädlich oder gefährlich
halte, so nehme ich eben nicht an. Aber es ist widersinnig, zu sagen, ich nehme
zwar an, aber die Verantwortung dafür haben die, die schuld haben, daß ich
annehmen muß. Kein Mensch muß müssen, niemals I- Bei jeder außenpolitischen
Katastrophe gilt der Satz: mitgegangen, angehangen. Wer mit geht, ist mit¬
verantwortlich, denn keiner kann gezwungen werden, mitzugehen. Wer sich zwingen
läßt, ist eben passiv, und politische Passivität führt ein für allemal zu Kata¬
strophen. Daran ist nicht zu rütteln. Und haben loir denn seit Unterzeichnung
des Friedens keine sozialdemokratische Negierung, keine sozialdemokratischen Außen¬
minister gehabt? Was haben Herr die erreicht? Haben sie irgend etwas durch¬
gesetzt, nach innen oder außen, das die Lage des deutschen Volkes erleichtert
hätte? Wenn einer immer den Vorgänger für- seine Handlungen verantwortlich
macht, so kann man daraus ein Gesellschaftsspiel machen und bis auf Olims
Zeiten zurückgehen, aber an der Verantwortlichkeit für die Handlung, die er sich
im Augenblick abnötigen läßt, wird dadurch nichts geändert. Daß nach solchem
Anfang die Debatte sich zu einem Parteigetümmel zwischen rechts und links ent¬
wickeln mußte, war klar. Nötig war es nicht und die Deutschnationalen hätten
ihre Argumente wirksamer gemacht, wenn sie nicht gerade einen Redner vor¬
geschickt hätten, dessen Person, gleichgültig ob mit Recht oder Umecht, allein schon,
wie man recht gut wissen konnte, auf die Linke aufreizend wirkte. Das ent¬
schuldigt die unsachliche Animosität der Linken selbst natürlich in keiner Weise,
ober wenn die Parteien nur allgemein den Takt aufbringen würden, diejenigen
Persönlichkeiten, deren Bestrebungen der Ausgang des Krieges im Unrecht er¬
scheinen läßt, bis auf weiteres in den Hintergrund treten zu lassen, wie das in
allen andern Ländern der Fall ist, so würde das die Lösung außenpolitischer
Probleme sehr erleichtern.' Gerade in außenpolitischen Dingen, wo selten be¬
wiesen werden kann, ob eine Handlung oder Richtung absolut falsch ist, ist Einheit
der Richtung notwendig und es erleichtert den Kämpfern ihren Widerstand nicht,
wenn die Verwundeten oder Angeschossenen hartnäckig das Feld behaupten, anstatt
sich heilen zu lassen und einen günstigeren Zeitpunkt zum Eingreifen abzuwarten,
an dein, wie das in allen parlamentarisch regierten Ländern einzutreten pflegt,


Weltspiegel

204

darüber klar zu werden, ob man einmal diesem Druck weichen würde oder nicht.
Wollte man es nicht, mußte man aktiverweise unter allen Umständen vermeiden,
Gelegenheiten zu seiner Anwendung zu schaffen oder eintreten zu lassen, dann
aber auch, wenn sie trotzdem eintraten, unter allen Umständen fest bleiben und
sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn der Druck tatsächlich eintrat. War
man aber überzeugt, daß man das Risiko der Besetzung nicht auf sich nehmen
konnte, so hatte es keinen Zweck, mit Stentorstimme ein Niemals hinauszu¬
posaunen, an das man selber nicht glaubte und das dann, verleugnet, nicht
gerade dazu diente, bei den Feinden den Glauben an Deutschlands Entschlossen¬
heit zu stärken.

Wie wenig aber das deutsche Volk sich in den letzten Monaten bewußt
gewesen ist, um was es eigentlich ging, beweist die Reichstagssitzung vom
10. Mai: .Es steht mehr als Geld und Gut auf dem Spiel. Es handelt sich um
die Zukunft unseres hartgeprüften Vaterlandes" sagte der neue Kanzler. Aber
es fehlten bei dieser entscheidenden Sitzung nicht weniger als 76 Abgeordnete.
Abgesehen von der moralischen Seite der Sache möchte ich wissen, wofür diese
Herren eigentlich ihre Diäten beziehen und wie viele ihrer Wähler den Schneid
aufbringen werden, sie für ihre Faulheit zur Rechenschaft zu ziehen. Und dann
das Niveau der Debatte. Der Redner der Sozialdemokraten weiß nichts besseres
zu tun, als die Verantwortung abzulehnen, aber die Annahme trotzdem anzuraten.
„Die politische Verantwortung für Annahme und Ausführung des Ultimatums
siel nach Auffassung der Fraktion jenen Parteien zu, die am meisten zur Ver¬
längerung des Krieges und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen hatten."
Man kann stehen auf welchem Parteistandpunkt man immer will, aber das ist
doch blanker Unsinn. Wenn ich zur Annahme eines Ultimatums rate, bin ich
dafür verantwortlich, und wenn ich die Annahme für schädlich oder gefährlich
halte, so nehme ich eben nicht an. Aber es ist widersinnig, zu sagen, ich nehme
zwar an, aber die Verantwortung dafür haben die, die schuld haben, daß ich
annehmen muß. Kein Mensch muß müssen, niemals I- Bei jeder außenpolitischen
Katastrophe gilt der Satz: mitgegangen, angehangen. Wer mit geht, ist mit¬
verantwortlich, denn keiner kann gezwungen werden, mitzugehen. Wer sich zwingen
läßt, ist eben passiv, und politische Passivität führt ein für allemal zu Kata¬
strophen. Daran ist nicht zu rütteln. Und haben loir denn seit Unterzeichnung
des Friedens keine sozialdemokratische Negierung, keine sozialdemokratischen Außen¬
minister gehabt? Was haben Herr die erreicht? Haben sie irgend etwas durch¬
gesetzt, nach innen oder außen, das die Lage des deutschen Volkes erleichtert
hätte? Wenn einer immer den Vorgänger für- seine Handlungen verantwortlich
macht, so kann man daraus ein Gesellschaftsspiel machen und bis auf Olims
Zeiten zurückgehen, aber an der Verantwortlichkeit für die Handlung, die er sich
im Augenblick abnötigen läßt, wird dadurch nichts geändert. Daß nach solchem
Anfang die Debatte sich zu einem Parteigetümmel zwischen rechts und links ent¬
wickeln mußte, war klar. Nötig war es nicht und die Deutschnationalen hätten
ihre Argumente wirksamer gemacht, wenn sie nicht gerade einen Redner vor¬
geschickt hätten, dessen Person, gleichgültig ob mit Recht oder Umecht, allein schon,
wie man recht gut wissen konnte, auf die Linke aufreizend wirkte. Das ent¬
schuldigt die unsachliche Animosität der Linken selbst natürlich in keiner Weise,
ober wenn die Parteien nur allgemein den Takt aufbringen würden, diejenigen
Persönlichkeiten, deren Bestrebungen der Ausgang des Krieges im Unrecht er¬
scheinen läßt, bis auf weiteres in den Hintergrund treten zu lassen, wie das in
allen andern Ländern der Fall ist, so würde das die Lösung außenpolitischer
Probleme sehr erleichtern.' Gerade in außenpolitischen Dingen, wo selten be¬
wiesen werden kann, ob eine Handlung oder Richtung absolut falsch ist, ist Einheit
der Richtung notwendig und es erleichtert den Kämpfern ihren Widerstand nicht,
wenn die Verwundeten oder Angeschossenen hartnäckig das Feld behaupten, anstatt
sich heilen zu lassen und einen günstigeren Zeitpunkt zum Eingreifen abzuwarten,
an dein, wie das in allen parlamentarisch regierten Ländern einzutreten pflegt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339011"/>
          <fw type="header" place="top"> Weltspiegel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_714" prev="#ID_713" next="#ID_715"> 204</p><lb/>
          <p xml:id="ID_715" prev="#ID_714"> darüber klar zu werden, ob man einmal diesem Druck weichen würde oder nicht.<lb/>
Wollte man es nicht, mußte man aktiverweise unter allen Umständen vermeiden,<lb/>
Gelegenheiten zu seiner Anwendung zu schaffen oder eintreten zu lassen, dann<lb/>
aber auch, wenn sie trotzdem eintraten, unter allen Umständen fest bleiben und<lb/>
sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn der Druck tatsächlich eintrat. War<lb/>
man aber überzeugt, daß man das Risiko der Besetzung nicht auf sich nehmen<lb/>
konnte, so hatte es keinen Zweck, mit Stentorstimme ein Niemals hinauszu¬<lb/>
posaunen, an das man selber nicht glaubte und das dann, verleugnet, nicht<lb/>
gerade dazu diente, bei den Feinden den Glauben an Deutschlands Entschlossen¬<lb/>
heit zu stärken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_716" next="#ID_717"> Wie wenig aber das deutsche Volk sich in den letzten Monaten bewußt<lb/>
gewesen ist, um was es eigentlich ging, beweist die Reichstagssitzung vom<lb/>
10. Mai: .Es steht mehr als Geld und Gut auf dem Spiel. Es handelt sich um<lb/>
die Zukunft unseres hartgeprüften Vaterlandes" sagte der neue Kanzler. Aber<lb/>
es fehlten bei dieser entscheidenden Sitzung nicht weniger als 76 Abgeordnete.<lb/>
Abgesehen von der moralischen Seite der Sache möchte ich wissen, wofür diese<lb/>
Herren eigentlich ihre Diäten beziehen und wie viele ihrer Wähler den Schneid<lb/>
aufbringen werden, sie für ihre Faulheit zur Rechenschaft zu ziehen. Und dann<lb/>
das Niveau der Debatte. Der Redner der Sozialdemokraten weiß nichts besseres<lb/>
zu tun, als die Verantwortung abzulehnen, aber die Annahme trotzdem anzuraten.<lb/>
&#x201E;Die politische Verantwortung für Annahme und Ausführung des Ultimatums<lb/>
siel nach Auffassung der Fraktion jenen Parteien zu, die am meisten zur Ver¬<lb/>
längerung des Krieges und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen hatten."<lb/>
Man kann stehen auf welchem Parteistandpunkt man immer will, aber das ist<lb/>
doch blanker Unsinn. Wenn ich zur Annahme eines Ultimatums rate, bin ich<lb/>
dafür verantwortlich, und wenn ich die Annahme für schädlich oder gefährlich<lb/>
halte, so nehme ich eben nicht an. Aber es ist widersinnig, zu sagen, ich nehme<lb/>
zwar an, aber die Verantwortung dafür haben die, die schuld haben, daß ich<lb/>
annehmen muß. Kein Mensch muß müssen, niemals I- Bei jeder außenpolitischen<lb/>
Katastrophe gilt der Satz: mitgegangen, angehangen. Wer mit geht, ist mit¬<lb/>
verantwortlich, denn keiner kann gezwungen werden, mitzugehen. Wer sich zwingen<lb/>
läßt, ist eben passiv, und politische Passivität führt ein für allemal zu Kata¬<lb/>
strophen. Daran ist nicht zu rütteln. Und haben loir denn seit Unterzeichnung<lb/>
des Friedens keine sozialdemokratische Negierung, keine sozialdemokratischen Außen¬<lb/>
minister gehabt? Was haben Herr die erreicht? Haben sie irgend etwas durch¬<lb/>
gesetzt, nach innen oder außen, das die Lage des deutschen Volkes erleichtert<lb/>
hätte? Wenn einer immer den Vorgänger für- seine Handlungen verantwortlich<lb/>
macht, so kann man daraus ein Gesellschaftsspiel machen und bis auf Olims<lb/>
Zeiten zurückgehen, aber an der Verantwortlichkeit für die Handlung, die er sich<lb/>
im Augenblick abnötigen läßt, wird dadurch nichts geändert. Daß nach solchem<lb/>
Anfang die Debatte sich zu einem Parteigetümmel zwischen rechts und links ent¬<lb/>
wickeln mußte, war klar. Nötig war es nicht und die Deutschnationalen hätten<lb/>
ihre Argumente wirksamer gemacht, wenn sie nicht gerade einen Redner vor¬<lb/>
geschickt hätten, dessen Person, gleichgültig ob mit Recht oder Umecht, allein schon,<lb/>
wie man recht gut wissen konnte, auf die Linke aufreizend wirkte. Das ent¬<lb/>
schuldigt die unsachliche Animosität der Linken selbst natürlich in keiner Weise,<lb/>
ober wenn die Parteien nur allgemein den Takt aufbringen würden, diejenigen<lb/>
Persönlichkeiten, deren Bestrebungen der Ausgang des Krieges im Unrecht er¬<lb/>
scheinen läßt, bis auf weiteres in den Hintergrund treten zu lassen, wie das in<lb/>
allen andern Ländern der Fall ist, so würde das die Lösung außenpolitischer<lb/>
Probleme sehr erleichtern.' Gerade in außenpolitischen Dingen, wo selten be¬<lb/>
wiesen werden kann, ob eine Handlung oder Richtung absolut falsch ist, ist Einheit<lb/>
der Richtung notwendig und es erleichtert den Kämpfern ihren Widerstand nicht,<lb/>
wenn die Verwundeten oder Angeschossenen hartnäckig das Feld behaupten, anstatt<lb/>
sich heilen zu lassen und einen günstigeren Zeitpunkt zum Eingreifen abzuwarten,<lb/>
an dein, wie das in allen parlamentarisch regierten Ländern einzutreten pflegt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0210] Weltspiegel 204 darüber klar zu werden, ob man einmal diesem Druck weichen würde oder nicht. Wollte man es nicht, mußte man aktiverweise unter allen Umständen vermeiden, Gelegenheiten zu seiner Anwendung zu schaffen oder eintreten zu lassen, dann aber auch, wenn sie trotzdem eintraten, unter allen Umständen fest bleiben und sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn der Druck tatsächlich eintrat. War man aber überzeugt, daß man das Risiko der Besetzung nicht auf sich nehmen konnte, so hatte es keinen Zweck, mit Stentorstimme ein Niemals hinauszu¬ posaunen, an das man selber nicht glaubte und das dann, verleugnet, nicht gerade dazu diente, bei den Feinden den Glauben an Deutschlands Entschlossen¬ heit zu stärken. Wie wenig aber das deutsche Volk sich in den letzten Monaten bewußt gewesen ist, um was es eigentlich ging, beweist die Reichstagssitzung vom 10. Mai: .Es steht mehr als Geld und Gut auf dem Spiel. Es handelt sich um die Zukunft unseres hartgeprüften Vaterlandes" sagte der neue Kanzler. Aber es fehlten bei dieser entscheidenden Sitzung nicht weniger als 76 Abgeordnete. Abgesehen von der moralischen Seite der Sache möchte ich wissen, wofür diese Herren eigentlich ihre Diäten beziehen und wie viele ihrer Wähler den Schneid aufbringen werden, sie für ihre Faulheit zur Rechenschaft zu ziehen. Und dann das Niveau der Debatte. Der Redner der Sozialdemokraten weiß nichts besseres zu tun, als die Verantwortung abzulehnen, aber die Annahme trotzdem anzuraten. „Die politische Verantwortung für Annahme und Ausführung des Ultimatums siel nach Auffassung der Fraktion jenen Parteien zu, die am meisten zur Ver¬ längerung des Krieges und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen hatten." Man kann stehen auf welchem Parteistandpunkt man immer will, aber das ist doch blanker Unsinn. Wenn ich zur Annahme eines Ultimatums rate, bin ich dafür verantwortlich, und wenn ich die Annahme für schädlich oder gefährlich halte, so nehme ich eben nicht an. Aber es ist widersinnig, zu sagen, ich nehme zwar an, aber die Verantwortung dafür haben die, die schuld haben, daß ich annehmen muß. Kein Mensch muß müssen, niemals I- Bei jeder außenpolitischen Katastrophe gilt der Satz: mitgegangen, angehangen. Wer mit geht, ist mit¬ verantwortlich, denn keiner kann gezwungen werden, mitzugehen. Wer sich zwingen läßt, ist eben passiv, und politische Passivität führt ein für allemal zu Kata¬ strophen. Daran ist nicht zu rütteln. Und haben loir denn seit Unterzeichnung des Friedens keine sozialdemokratische Negierung, keine sozialdemokratischen Außen¬ minister gehabt? Was haben Herr die erreicht? Haben sie irgend etwas durch¬ gesetzt, nach innen oder außen, das die Lage des deutschen Volkes erleichtert hätte? Wenn einer immer den Vorgänger für- seine Handlungen verantwortlich macht, so kann man daraus ein Gesellschaftsspiel machen und bis auf Olims Zeiten zurückgehen, aber an der Verantwortlichkeit für die Handlung, die er sich im Augenblick abnötigen läßt, wird dadurch nichts geändert. Daß nach solchem Anfang die Debatte sich zu einem Parteigetümmel zwischen rechts und links ent¬ wickeln mußte, war klar. Nötig war es nicht und die Deutschnationalen hätten ihre Argumente wirksamer gemacht, wenn sie nicht gerade einen Redner vor¬ geschickt hätten, dessen Person, gleichgültig ob mit Recht oder Umecht, allein schon, wie man recht gut wissen konnte, auf die Linke aufreizend wirkte. Das ent¬ schuldigt die unsachliche Animosität der Linken selbst natürlich in keiner Weise, ober wenn die Parteien nur allgemein den Takt aufbringen würden, diejenigen Persönlichkeiten, deren Bestrebungen der Ausgang des Krieges im Unrecht er¬ scheinen läßt, bis auf weiteres in den Hintergrund treten zu lassen, wie das in allen andern Ländern der Fall ist, so würde das die Lösung außenpolitischer Probleme sehr erleichtern.' Gerade in außenpolitischen Dingen, wo selten be¬ wiesen werden kann, ob eine Handlung oder Richtung absolut falsch ist, ist Einheit der Richtung notwendig und es erleichtert den Kämpfern ihren Widerstand nicht, wenn die Verwundeten oder Angeschossenen hartnäckig das Feld behaupten, anstatt sich heilen zu lassen und einen günstigeren Zeitpunkt zum Eingreifen abzuwarten, an dein, wie das in allen parlamentarisch regierten Ländern einzutreten pflegt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/210
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/210>, abgerufen am 12.05.2024.