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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Heinig den Spieß umdrehen und die Matrosen gegen ihn in Schutz nehmen. Ich
tue es gern, da mir dabei von neuem Gelegenheit geboten wird, die Glaubwürdig¬
keit des Heinigschen Buches zu beleuchten. Er sagt -- immer noch auf Seite 112,
der Leser wird es kaum für möglich halten, daß so viel Unwahres und sinn¬
loses ans einer einzigen Seite stehen kann --: "Empfindlicher als dieser Hohen-
zollernsche Bücherfriedhof wurde die Kriegssammlung der Hausbibliothek, die in
dem sogenannten türkischen Zimmer aufbewahrt wurde, von der Revolution und
ihren ersten Verteidigern getroffen. Die dort noch lose aufgeschichteten Nummern
deutscher Feldkriegszcitungen sind von den Matrosen teilweise recht respektlos ver¬
wendet worden." Der Leser fühlt den niederträchtigen Nebensinn, der der Be¬
weggrund für die ganze Mitteilung gewesen ist. Es waren aber in diesem Falle
nicht die Matrosen, die die nicht "lose aufgeschichteten", sondern zusammengebun¬
denen und paketweise inhaltlich bezeichneten, zum Teil in der geschlossenen Folge,
sehr selten gewordenen Feldzcitungen, die zum Einbinden bestimmt waren, aus-
-einanderrissen, sondern spätere Verteidiger der Republik, im Schloß einquartierte
Neichswehrtruppen. (Schlich folgt.)




Altes und neues Heer
Von einem jungen Frontoffizier XII. Acipp-Zeit
Aapp-Pulses

Zu Frühjahr 1920 sind anderthalb Jahre seit der Revolution verflossen.
Die Revolutionsregierung scheint Kapp und anderen -- die weder
die Psyche des Bürgers, noch des Arbeiters kennen -- ein tönerner
Koloß, der leicht zu stürzen ist. -- Einer Gegenrevolution stehen
stets zwei Möglichkeiten offen: Einmal, noch vor der Festigung
einer schlecht herrschenden Revolutionsregierung, sie wieder zu stürzen und dazu
^ augenblickliche (aber oberflächliche) Verstimmung des Volkes zu benutzen. Dann
M Überrumpelung und Schärfe die rechte Taktik. Oder aber: Man nutz durch
systematische Arbeit und indirekt unterstützt durch die Mißwirtschaft, sich im Lause
Jahren so viele (innerlich überzeugte!) Anhänger sammeln, daß die Republik
""e ein wurmstichiger Apfel bei leichtem Schütteln fällt. Fast nach allen Revo-
wtwrien in der Welt hat die Gegenrevolution den erstgenannten Weg erfolglos
^schritten und hat auf dem zweiten gesiegt.

Wollte man in Deutschland auf die erste Art siegen, so war Bedingung,
6o.sz die Täter Energie hatten und "Revolutionäre" wären. Aber es sind nur --
'^egenrevolutionäre, denen gemeinhin der Mut des Revolutionärs fehlt. Daß der


Altes und neues Heer

Heinig den Spieß umdrehen und die Matrosen gegen ihn in Schutz nehmen. Ich
tue es gern, da mir dabei von neuem Gelegenheit geboten wird, die Glaubwürdig¬
keit des Heinigschen Buches zu beleuchten. Er sagt — immer noch auf Seite 112,
der Leser wird es kaum für möglich halten, daß so viel Unwahres und sinn¬
loses ans einer einzigen Seite stehen kann —: „Empfindlicher als dieser Hohen-
zollernsche Bücherfriedhof wurde die Kriegssammlung der Hausbibliothek, die in
dem sogenannten türkischen Zimmer aufbewahrt wurde, von der Revolution und
ihren ersten Verteidigern getroffen. Die dort noch lose aufgeschichteten Nummern
deutscher Feldkriegszcitungen sind von den Matrosen teilweise recht respektlos ver¬
wendet worden." Der Leser fühlt den niederträchtigen Nebensinn, der der Be¬
weggrund für die ganze Mitteilung gewesen ist. Es waren aber in diesem Falle
nicht die Matrosen, die die nicht „lose aufgeschichteten", sondern zusammengebun¬
denen und paketweise inhaltlich bezeichneten, zum Teil in der geschlossenen Folge,
sehr selten gewordenen Feldzcitungen, die zum Einbinden bestimmt waren, aus-
-einanderrissen, sondern spätere Verteidiger der Republik, im Schloß einquartierte
Neichswehrtruppen. (Schlich folgt.)




Altes und neues Heer
Von einem jungen Frontoffizier XII. Acipp-Zeit
Aapp-Pulses

Zu Frühjahr 1920 sind anderthalb Jahre seit der Revolution verflossen.
Die Revolutionsregierung scheint Kapp und anderen — die weder
die Psyche des Bürgers, noch des Arbeiters kennen — ein tönerner
Koloß, der leicht zu stürzen ist. — Einer Gegenrevolution stehen
stets zwei Möglichkeiten offen: Einmal, noch vor der Festigung
einer schlecht herrschenden Revolutionsregierung, sie wieder zu stürzen und dazu
^ augenblickliche (aber oberflächliche) Verstimmung des Volkes zu benutzen. Dann
M Überrumpelung und Schärfe die rechte Taktik. Oder aber: Man nutz durch
systematische Arbeit und indirekt unterstützt durch die Mißwirtschaft, sich im Lause
Jahren so viele (innerlich überzeugte!) Anhänger sammeln, daß die Republik
""e ein wurmstichiger Apfel bei leichtem Schütteln fällt. Fast nach allen Revo-
wtwrien in der Welt hat die Gegenrevolution den erstgenannten Weg erfolglos
^schritten und hat auf dem zweiten gesiegt.

Wollte man in Deutschland auf die erste Art siegen, so war Bedingung,
6o.sz die Täter Energie hatten und „Revolutionäre" wären. Aber es sind nur —
'^egenrevolutionäre, denen gemeinhin der Mut des Revolutionärs fehlt. Daß der


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[0115] Altes und neues Heer Heinig den Spieß umdrehen und die Matrosen gegen ihn in Schutz nehmen. Ich tue es gern, da mir dabei von neuem Gelegenheit geboten wird, die Glaubwürdig¬ keit des Heinigschen Buches zu beleuchten. Er sagt — immer noch auf Seite 112, der Leser wird es kaum für möglich halten, daß so viel Unwahres und sinn¬ loses ans einer einzigen Seite stehen kann —: „Empfindlicher als dieser Hohen- zollernsche Bücherfriedhof wurde die Kriegssammlung der Hausbibliothek, die in dem sogenannten türkischen Zimmer aufbewahrt wurde, von der Revolution und ihren ersten Verteidigern getroffen. Die dort noch lose aufgeschichteten Nummern deutscher Feldkriegszcitungen sind von den Matrosen teilweise recht respektlos ver¬ wendet worden." Der Leser fühlt den niederträchtigen Nebensinn, der der Be¬ weggrund für die ganze Mitteilung gewesen ist. Es waren aber in diesem Falle nicht die Matrosen, die die nicht „lose aufgeschichteten", sondern zusammengebun¬ denen und paketweise inhaltlich bezeichneten, zum Teil in der geschlossenen Folge, sehr selten gewordenen Feldzcitungen, die zum Einbinden bestimmt waren, aus- -einanderrissen, sondern spätere Verteidiger der Republik, im Schloß einquartierte Neichswehrtruppen. (Schlich folgt.) Altes und neues Heer Von einem jungen Frontoffizier XII. Acipp-Zeit Aapp-Pulses Zu Frühjahr 1920 sind anderthalb Jahre seit der Revolution verflossen. Die Revolutionsregierung scheint Kapp und anderen — die weder die Psyche des Bürgers, noch des Arbeiters kennen — ein tönerner Koloß, der leicht zu stürzen ist. — Einer Gegenrevolution stehen stets zwei Möglichkeiten offen: Einmal, noch vor der Festigung einer schlecht herrschenden Revolutionsregierung, sie wieder zu stürzen und dazu ^ augenblickliche (aber oberflächliche) Verstimmung des Volkes zu benutzen. Dann M Überrumpelung und Schärfe die rechte Taktik. Oder aber: Man nutz durch systematische Arbeit und indirekt unterstützt durch die Mißwirtschaft, sich im Lause Jahren so viele (innerlich überzeugte!) Anhänger sammeln, daß die Republik ""e ein wurmstichiger Apfel bei leichtem Schütteln fällt. Fast nach allen Revo- wtwrien in der Welt hat die Gegenrevolution den erstgenannten Weg erfolglos ^schritten und hat auf dem zweiten gesiegt. Wollte man in Deutschland auf die erste Art siegen, so war Bedingung, 6o.sz die Täter Energie hatten und „Revolutionäre" wären. Aber es sind nur — '^egenrevolutionäre, denen gemeinhin der Mut des Revolutionärs fehlt. Daß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/115>, abgerufen am 28.04.2024.