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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Munsterlager steht ein achtzehnjähriger Bursche. Der General will hinein.
"Ausweis, Exzellenz?!" -- Mein Achselstück. -- "AusweisIII" -- Drei Schritt . . .
der Posten legt an, Finger lang. Finger krumm . . . der General macht langsam
kehrt. --

Brigadeauflösung, Abschiedsparade. "Wenn diese von Weichheit wahrlich
nicht geplagten Männer weinen, so schweigt der Feind; denn diese Mannentreue
hat ihre Größe" -- so schrieb ein Sozialistenblatt.




Über der rosa Heide von Münster spannt sich das zartleuchtende Morgen¬
dämmern in gleicher Farbe:

Ein ratterndes Flugzeug. -- Ehrhardt, noch einige Briefe erledigend.

"Sie, der soziale Nationalist, ich der nationale Sozialist, einst reichen wir
uns die Hände. Deutschlands neuer Tag.


B. . ., Betriebsrat der. . .

Ehrhardt faltet den Brief sorgsam und steckt ihn in die Brusttasche.

Die Sonne bricht durch. In der Ferne mattglänzende Stahlhelme seiner
Soldaten, die zum Felddienst ausrücken:

Das Flugzeug jagt nach Süden. . . .


Brigadegeist

Ein Journalist besucht die Brigade in Münster und schreibt seinem demo¬
kratischen Blatt:

". . . Die Art der Manneszucht gibt jeder Truppe Wert oder Unwert.
Was war die Manneszucht der Brigaden? -- Man darf Disziplin nicht nach
"Stimmenschnarren", "Hackenklappen" und "Hände an die Hosennaht reißen"
einschätzen. So erhält man Trugschlüsse. Wir haben sie -- leider oft -- gezogen.
Man darf Disziplin nicht nach Landsknechtsart werten. Wo Führer und Mann
allein durch materielle Interessen zusammengeschweißt sich bis in den Tod getreu
sind, wo der Mann seinem Führer in eisernem blindem Gehorsam ergeben ist.
Dieser LandSknechtsgeist paßt nicht in ein festes Staatsgefüge. Die Marine¬
brigadendisziplin war weder das eine noch das andere.

Ihre Grundlage war der Geist der Gemeinschaft. Der Gehorsam des
Mannes baute sich auf der Verpflichtung gegen Ehrhardt auf, von dem er wußte,
daß sein ganzes Denken und Sorgen sich auf seine Soldaten erstreckte. Dies
Bewußtsein machte ihn zu unbedingtem, eisernem Gehorsam fähig, der aber aus
freudigem Herzen kam. Er hatte Vertrauen zu seinem Führer. Dies bedingungs¬
lose Vertrauen ließ ihn äußerste Strenge und Schärfe im Dienst ruhig ertragen-
Denn er wußte: sein Führer sah beides nur als Mittel zum Zweck an, eins
Musterkampftruppe zu schaffen. Einer solchen anzugehören, war des Soldaten
ganzer Stolz.

Wie war solches Vertrauen zum Führer möglich? Weil Führer und Mann
sich achteten. Weil -- gerade in dieser schwierigen Zeit -- der Offizier aus der


Altes und neues Heer

Munsterlager steht ein achtzehnjähriger Bursche. Der General will hinein.
„Ausweis, Exzellenz?!" — Mein Achselstück. — „AusweisIII" — Drei Schritt . . .
der Posten legt an, Finger lang. Finger krumm . . . der General macht langsam
kehrt. —

Brigadeauflösung, Abschiedsparade. „Wenn diese von Weichheit wahrlich
nicht geplagten Männer weinen, so schweigt der Feind; denn diese Mannentreue
hat ihre Größe" — so schrieb ein Sozialistenblatt.




Über der rosa Heide von Münster spannt sich das zartleuchtende Morgen¬
dämmern in gleicher Farbe:

Ein ratterndes Flugzeug. — Ehrhardt, noch einige Briefe erledigend.

„Sie, der soziale Nationalist, ich der nationale Sozialist, einst reichen wir
uns die Hände. Deutschlands neuer Tag.


B. . ., Betriebsrat der. . .

Ehrhardt faltet den Brief sorgsam und steckt ihn in die Brusttasche.

Die Sonne bricht durch. In der Ferne mattglänzende Stahlhelme seiner
Soldaten, die zum Felddienst ausrücken:

Das Flugzeug jagt nach Süden. . . .


Brigadegeist

Ein Journalist besucht die Brigade in Münster und schreibt seinem demo¬
kratischen Blatt:

„. . . Die Art der Manneszucht gibt jeder Truppe Wert oder Unwert.
Was war die Manneszucht der Brigaden? — Man darf Disziplin nicht nach
„Stimmenschnarren", „Hackenklappen" und „Hände an die Hosennaht reißen"
einschätzen. So erhält man Trugschlüsse. Wir haben sie — leider oft — gezogen.
Man darf Disziplin nicht nach Landsknechtsart werten. Wo Führer und Mann
allein durch materielle Interessen zusammengeschweißt sich bis in den Tod getreu
sind, wo der Mann seinem Führer in eisernem blindem Gehorsam ergeben ist.
Dieser LandSknechtsgeist paßt nicht in ein festes Staatsgefüge. Die Marine¬
brigadendisziplin war weder das eine noch das andere.

Ihre Grundlage war der Geist der Gemeinschaft. Der Gehorsam des
Mannes baute sich auf der Verpflichtung gegen Ehrhardt auf, von dem er wußte,
daß sein ganzes Denken und Sorgen sich auf seine Soldaten erstreckte. Dies
Bewußtsein machte ihn zu unbedingtem, eisernem Gehorsam fähig, der aber aus
freudigem Herzen kam. Er hatte Vertrauen zu seinem Führer. Dies bedingungs¬
lose Vertrauen ließ ihn äußerste Strenge und Schärfe im Dienst ruhig ertragen-
Denn er wußte: sein Führer sah beides nur als Mittel zum Zweck an, eins
Musterkampftruppe zu schaffen. Einer solchen anzugehören, war des Soldaten
ganzer Stolz.

Wie war solches Vertrauen zum Führer möglich? Weil Führer und Mann
sich achteten. Weil — gerade in dieser schwierigen Zeit — der Offizier aus der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/120>, abgerufen am 29.04.2024.