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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer



"Bünde"

Vertrauensmännersitzung der Ortsgruppe W ... des Reichswirtschaftsver¬
bandes derzeitiger und ehemaliger Berufssoldaten.

Der Vorsitzende, ein Deckoffizier der Marine, spricht leise, eindringlich und
jedes Wort klug wagend:

"Meine Herrenl Was ich Ihnen über unsere Pläne zu sagen habe, ist so
vertraulicher Natur, daß wir kein Protokoll führen werden. -- Unser Bund, ent¬
standen in der Revolution, als sich alles organisieren mußte, was nicht wirt¬
schaftlich vergessen werden wollte, hat im Laufe des Abbaus der Revolution eine
heilige Mission übernommen: die Wehrmacht zu republikanisieren. Unsere Erfolge
waren gering; da kam der Kapp-Pulses zu Hilfe. Wir konnten die Zügel der
Truppe ergreifen, die wir nicht mehr fahren lassen werden, meine Herrenl

Welche Taktik schlagen wir zunächst ein? Wir werden dafür sorgen, daß
an Stelle der Kappisten - Offiziere und aller anderen, meine Herren, aller
anderen, nicht waschechter Republikaner, aktive und inaktive Unteroffiziere unseres
Bundes einspringen. Wir müssen bei der Marine alle Posten bis zum Kapitän¬
leutnant besetzen: bei der Reichswehr bis zum Hauptmann.

Wir erfüllen damit, außer der Sicherung der Republik, die zweite Haupt¬
aufgabe unseres Bundes: für unsere wirtschaftlich schwer kämpfenden aktiven und
inaktiven Unteroffiziermitglieder zu sorgen. -- Weiter werden wir durch unsere
bewährte Organisation, die im übrigen zur Soldatengewerkschaft nach öster¬
reichischem Vorbild zu entwickeln sein wird, für dauernde Überwachung jedes
einzelnen Offiziers sorgen. Das System unserer Kompagnievertrauensmänner,
das soeben wieder, wie die Wahl zur Wehrkammer zeigt, sich so glänzend bewährt
hat, wird weiter auszubauen sein; ebenso unsere Überwachung der Stäbe und
des Reichswehrministeriums, die uns auch schon bisher Abschriften aller vertrau¬
lichen Schriftstücke verschafft hat.

Im Offizier hat ein jeder von uns, ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle
und Meinung, den prinzipiellen Feind der Republik zu sehen. Wir müssen ihm
den Fürsorgedienst entwinden und durch eigene Organisation ausüben. Wir müssen
gegen ihn die Presse mobil machen und im Dienst jede Schwierigkeit hervorrufen,
die dazu beiträgt, den Offizier zu zermürben und das Mißtrauen und die
Unzufriedenheit der Mannschaft zu stärken. Unser Zweck heiligt die Mittel. Wir
werden dann eines Tages in der Lage sein, auf ein Stichwort, nach wohlverteilten
Rollen die Wehrmacht zu übernehmen. Das erwartet auch, meine Herren, die
größte republikanische Partei Deutschlands: die S. P. D.

Wir können ohne sie nicht sein, denn wir brauchen eine politische Partei,
die unsere wirtschaftlichen Wünsche vertritt, und sie braucht uns: zum Schutz der
Republik. Taktisch wäre es falsch, uns parteipolitisch zu bekennen. Unsere demo-
kratischen Mitglieder, die ohnehin die Bünde nur als eine Episode in der Wehr¬
machtentwicklung ansehen, würden wir schon jetzt verlieren. Und deshalb: "Neu¬
traler Wirtschaftsbund" heißt unsere Parole. Wir werden eine Konsumgenossen-


Altes und neues Heer



„Bünde"

Vertrauensmännersitzung der Ortsgruppe W ... des Reichswirtschaftsver¬
bandes derzeitiger und ehemaliger Berufssoldaten.

Der Vorsitzende, ein Deckoffizier der Marine, spricht leise, eindringlich und
jedes Wort klug wagend:

„Meine Herrenl Was ich Ihnen über unsere Pläne zu sagen habe, ist so
vertraulicher Natur, daß wir kein Protokoll führen werden. — Unser Bund, ent¬
standen in der Revolution, als sich alles organisieren mußte, was nicht wirt¬
schaftlich vergessen werden wollte, hat im Laufe des Abbaus der Revolution eine
heilige Mission übernommen: die Wehrmacht zu republikanisieren. Unsere Erfolge
waren gering; da kam der Kapp-Pulses zu Hilfe. Wir konnten die Zügel der
Truppe ergreifen, die wir nicht mehr fahren lassen werden, meine Herrenl

Welche Taktik schlagen wir zunächst ein? Wir werden dafür sorgen, daß
an Stelle der Kappisten - Offiziere und aller anderen, meine Herren, aller
anderen, nicht waschechter Republikaner, aktive und inaktive Unteroffiziere unseres
Bundes einspringen. Wir müssen bei der Marine alle Posten bis zum Kapitän¬
leutnant besetzen: bei der Reichswehr bis zum Hauptmann.

Wir erfüllen damit, außer der Sicherung der Republik, die zweite Haupt¬
aufgabe unseres Bundes: für unsere wirtschaftlich schwer kämpfenden aktiven und
inaktiven Unteroffiziermitglieder zu sorgen. — Weiter werden wir durch unsere
bewährte Organisation, die im übrigen zur Soldatengewerkschaft nach öster¬
reichischem Vorbild zu entwickeln sein wird, für dauernde Überwachung jedes
einzelnen Offiziers sorgen. Das System unserer Kompagnievertrauensmänner,
das soeben wieder, wie die Wahl zur Wehrkammer zeigt, sich so glänzend bewährt
hat, wird weiter auszubauen sein; ebenso unsere Überwachung der Stäbe und
des Reichswehrministeriums, die uns auch schon bisher Abschriften aller vertrau¬
lichen Schriftstücke verschafft hat.

Im Offizier hat ein jeder von uns, ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle
und Meinung, den prinzipiellen Feind der Republik zu sehen. Wir müssen ihm
den Fürsorgedienst entwinden und durch eigene Organisation ausüben. Wir müssen
gegen ihn die Presse mobil machen und im Dienst jede Schwierigkeit hervorrufen,
die dazu beiträgt, den Offizier zu zermürben und das Mißtrauen und die
Unzufriedenheit der Mannschaft zu stärken. Unser Zweck heiligt die Mittel. Wir
werden dann eines Tages in der Lage sein, auf ein Stichwort, nach wohlverteilten
Rollen die Wehrmacht zu übernehmen. Das erwartet auch, meine Herren, die
größte republikanische Partei Deutschlands: die S. P. D.

Wir können ohne sie nicht sein, denn wir brauchen eine politische Partei,
die unsere wirtschaftlichen Wünsche vertritt, und sie braucht uns: zum Schutz der
Republik. Taktisch wäre es falsch, uns parteipolitisch zu bekennen. Unsere demo-
kratischen Mitglieder, die ohnehin die Bünde nur als eine Episode in der Wehr¬
machtentwicklung ansehen, würden wir schon jetzt verlieren. Und deshalb: „Neu¬
traler Wirtschaftsbund" heißt unsere Parole. Wir werden eine Konsumgenossen-


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[0124] Altes und neues Heer „Bünde" Vertrauensmännersitzung der Ortsgruppe W ... des Reichswirtschaftsver¬ bandes derzeitiger und ehemaliger Berufssoldaten. Der Vorsitzende, ein Deckoffizier der Marine, spricht leise, eindringlich und jedes Wort klug wagend: „Meine Herrenl Was ich Ihnen über unsere Pläne zu sagen habe, ist so vertraulicher Natur, daß wir kein Protokoll führen werden. — Unser Bund, ent¬ standen in der Revolution, als sich alles organisieren mußte, was nicht wirt¬ schaftlich vergessen werden wollte, hat im Laufe des Abbaus der Revolution eine heilige Mission übernommen: die Wehrmacht zu republikanisieren. Unsere Erfolge waren gering; da kam der Kapp-Pulses zu Hilfe. Wir konnten die Zügel der Truppe ergreifen, die wir nicht mehr fahren lassen werden, meine Herrenl Welche Taktik schlagen wir zunächst ein? Wir werden dafür sorgen, daß an Stelle der Kappisten - Offiziere und aller anderen, meine Herren, aller anderen, nicht waschechter Republikaner, aktive und inaktive Unteroffiziere unseres Bundes einspringen. Wir müssen bei der Marine alle Posten bis zum Kapitän¬ leutnant besetzen: bei der Reichswehr bis zum Hauptmann. Wir erfüllen damit, außer der Sicherung der Republik, die zweite Haupt¬ aufgabe unseres Bundes: für unsere wirtschaftlich schwer kämpfenden aktiven und inaktiven Unteroffiziermitglieder zu sorgen. — Weiter werden wir durch unsere bewährte Organisation, die im übrigen zur Soldatengewerkschaft nach öster¬ reichischem Vorbild zu entwickeln sein wird, für dauernde Überwachung jedes einzelnen Offiziers sorgen. Das System unserer Kompagnievertrauensmänner, das soeben wieder, wie die Wahl zur Wehrkammer zeigt, sich so glänzend bewährt hat, wird weiter auszubauen sein; ebenso unsere Überwachung der Stäbe und des Reichswehrministeriums, die uns auch schon bisher Abschriften aller vertrau¬ lichen Schriftstücke verschafft hat. Im Offizier hat ein jeder von uns, ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle und Meinung, den prinzipiellen Feind der Republik zu sehen. Wir müssen ihm den Fürsorgedienst entwinden und durch eigene Organisation ausüben. Wir müssen gegen ihn die Presse mobil machen und im Dienst jede Schwierigkeit hervorrufen, die dazu beiträgt, den Offizier zu zermürben und das Mißtrauen und die Unzufriedenheit der Mannschaft zu stärken. Unser Zweck heiligt die Mittel. Wir werden dann eines Tages in der Lage sein, auf ein Stichwort, nach wohlverteilten Rollen die Wehrmacht zu übernehmen. Das erwartet auch, meine Herren, die größte republikanische Partei Deutschlands: die S. P. D. Wir können ohne sie nicht sein, denn wir brauchen eine politische Partei, die unsere wirtschaftlichen Wünsche vertritt, und sie braucht uns: zum Schutz der Republik. Taktisch wäre es falsch, uns parteipolitisch zu bekennen. Unsere demo- kratischen Mitglieder, die ohnehin die Bünde nur als eine Episode in der Wehr¬ machtentwicklung ansehen, würden wir schon jetzt verlieren. Und deshalb: „Neu¬ traler Wirtschaftsbund" heißt unsere Parole. Wir werden eine Konsumgenossen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/124>, abgerufen am 29.04.2024.