Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Allschlußpolitik in (Oesterreich

sein, sondern letzten Endes nur für Frankreich arbeiten müssen. Dieser Gesichtspunkt
ist ausschlaggebend, denn Frankreichs Interesse wird nie Deutschlands Interesse sein.

"Jeder Engländer empfindet bei dem Gedanken einer Teilung des Industrie-
reviers Grauen," sagte Balfour in Genf und teilte das Jndustrierevier nach
tschechischen Rezept. "V/sslmII see, onst ve can av !or ^on, >of pill er^ our
best", sagte der Fairplayer Lloyd George zu den Deutschen und warf Ober¬
schlesien, das er umständlich und prachtvoll die Herrschaftstreppe des Obersten
Rates herausgetragen und vor der deutschen Flurtür niedergesetzt hat, rasch und
heimlich die dunkle Bediententreppe des Völkerbundes hinab in den polnischen
Keller. Stresemann, Stinnes und Vogler werden jetzt, wenn sie klug sind, nur
dem öffnen, der uns Valutakonferenz und Moratorium bringt.

Frankreich wird beides höchstens zum Schein, wahrscheinlich überhaupt nicht,
mitmachen. Briand hat schon angekündigt, unsern Bankerott als Finte auffassen,
und endlich ins Ruhrgebiet einmarschieren zu wollen. Er hält es offenbar nicht
für allzuschwierig, von England jetzt auch hierfür die Genehmigung einzuholen.
Zwischen dem Raub Oberschlesiens und dein des Ruhrgebiets würde danach ein
Unterschied nur des Grades, nicht der Sache bestehen. Stimmt das und kann
Frankreich jeden Tag eine unter Beteiligung der Volkspartei gebildete Regierung
stürzen, so ist ein Eintritt in die Regierung für diese unmöglich. Die Aus¬
einandersetzung zwischen England und Frankreich, die in Genf unterbrochen
wurde, müßte zu Ende geführt, die weitere Zersetzung Deutschlands ausgeschlossen
werden. Ist das unmöglich, saugt sich Frankreich immer tiefer in unsern Körper
hinein und bleibt die Markstabilisierung aus, so werden wir der nackten Hungers¬
not entgegengehen. Aber England leidet mit. der Kreislauf seines Lebens stockt,
wenn Deutschland zahlungsunfähig wird. Auch die englische Geschichte könnte
tiefer mit der unsrigen verflochten werden, als es bisher das Land der siegreichen
und frommen Perfidie gewohnt war.




Die Anschlußpolitik in Österreich
L. A. Haubenberge von

!er Anschluß an Deutschland, die bedeutendste aller politischen
Fragen in Osterreich, der einzige Gedanke, der trotz weitgehend
zersplitterter Partei- und Fraktionspolitik, trotz Klassenhaß und
Klassenkampf, trotz Parteihaders und Verleumdungsfeldzügen so
ziemlich der einzige ist, der in den breiten Massen des öster¬
reichischen Volkes, fast ohne Ausnahme überall festen Fuß gefaßt und zur
Überzeugung geführt hat, daß nur er es ist, der die alte, Sturm- und kraft¬
erprobte Ostmark vor dem gänzlichen Zusammenbruche oder vor endgültiger
Versklavung und Beugung unter das Joch des Feindbuudes erretten kann, dem
Arbeiter, Beamte, Bürger und Bauern gleich freundlich gegeniiberstehcn, ist uus,
Deutschösterreichern bekanntlich durch die Bestimmungen der Raub- und Schand-


9*
Die Allschlußpolitik in (Oesterreich

sein, sondern letzten Endes nur für Frankreich arbeiten müssen. Dieser Gesichtspunkt
ist ausschlaggebend, denn Frankreichs Interesse wird nie Deutschlands Interesse sein.

„Jeder Engländer empfindet bei dem Gedanken einer Teilung des Industrie-
reviers Grauen," sagte Balfour in Genf und teilte das Jndustrierevier nach
tschechischen Rezept. „V/sslmII see, onst ve can av !or ^on, >of pill er^ our
best", sagte der Fairplayer Lloyd George zu den Deutschen und warf Ober¬
schlesien, das er umständlich und prachtvoll die Herrschaftstreppe des Obersten
Rates herausgetragen und vor der deutschen Flurtür niedergesetzt hat, rasch und
heimlich die dunkle Bediententreppe des Völkerbundes hinab in den polnischen
Keller. Stresemann, Stinnes und Vogler werden jetzt, wenn sie klug sind, nur
dem öffnen, der uns Valutakonferenz und Moratorium bringt.

Frankreich wird beides höchstens zum Schein, wahrscheinlich überhaupt nicht,
mitmachen. Briand hat schon angekündigt, unsern Bankerott als Finte auffassen,
und endlich ins Ruhrgebiet einmarschieren zu wollen. Er hält es offenbar nicht
für allzuschwierig, von England jetzt auch hierfür die Genehmigung einzuholen.
Zwischen dem Raub Oberschlesiens und dein des Ruhrgebiets würde danach ein
Unterschied nur des Grades, nicht der Sache bestehen. Stimmt das und kann
Frankreich jeden Tag eine unter Beteiligung der Volkspartei gebildete Regierung
stürzen, so ist ein Eintritt in die Regierung für diese unmöglich. Die Aus¬
einandersetzung zwischen England und Frankreich, die in Genf unterbrochen
wurde, müßte zu Ende geführt, die weitere Zersetzung Deutschlands ausgeschlossen
werden. Ist das unmöglich, saugt sich Frankreich immer tiefer in unsern Körper
hinein und bleibt die Markstabilisierung aus, so werden wir der nackten Hungers¬
not entgegengehen. Aber England leidet mit. der Kreislauf seines Lebens stockt,
wenn Deutschland zahlungsunfähig wird. Auch die englische Geschichte könnte
tiefer mit der unsrigen verflochten werden, als es bisher das Land der siegreichen
und frommen Perfidie gewohnt war.




Die Anschlußpolitik in Österreich
L. A. Haubenberge von

!er Anschluß an Deutschland, die bedeutendste aller politischen
Fragen in Osterreich, der einzige Gedanke, der trotz weitgehend
zersplitterter Partei- und Fraktionspolitik, trotz Klassenhaß und
Klassenkampf, trotz Parteihaders und Verleumdungsfeldzügen so
ziemlich der einzige ist, der in den breiten Massen des öster¬
reichischen Volkes, fast ohne Ausnahme überall festen Fuß gefaßt und zur
Überzeugung geführt hat, daß nur er es ist, der die alte, Sturm- und kraft¬
erprobte Ostmark vor dem gänzlichen Zusammenbruche oder vor endgültiger
Versklavung und Beugung unter das Joch des Feindbuudes erretten kann, dem
Arbeiter, Beamte, Bürger und Bauern gleich freundlich gegeniiberstehcn, ist uus,
Deutschösterreichern bekanntlich durch die Bestimmungen der Raub- und Schand-


9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339688"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Allschlußpolitik in (Oesterreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_570" prev="#ID_569"> sein, sondern letzten Endes nur für Frankreich arbeiten müssen. Dieser Gesichtspunkt<lb/>
ist ausschlaggebend, denn Frankreichs Interesse wird nie Deutschlands Interesse sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_571"> &#x201E;Jeder Engländer empfindet bei dem Gedanken einer Teilung des Industrie-<lb/>
reviers Grauen," sagte Balfour in Genf und teilte das Jndustrierevier nach<lb/>
tschechischen Rezept. &#x201E;V/sslmII see, onst ve can av !or ^on, &gt;of pill er^ our<lb/>
best", sagte der Fairplayer Lloyd George zu den Deutschen und warf Ober¬<lb/>
schlesien, das er umständlich und prachtvoll die Herrschaftstreppe des Obersten<lb/>
Rates herausgetragen und vor der deutschen Flurtür niedergesetzt hat, rasch und<lb/>
heimlich die dunkle Bediententreppe des Völkerbundes hinab in den polnischen<lb/>
Keller. Stresemann, Stinnes und Vogler werden jetzt, wenn sie klug sind, nur<lb/>
dem öffnen, der uns Valutakonferenz und Moratorium bringt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_572"> Frankreich wird beides höchstens zum Schein, wahrscheinlich überhaupt nicht,<lb/>
mitmachen. Briand hat schon angekündigt, unsern Bankerott als Finte auffassen,<lb/>
und endlich ins Ruhrgebiet einmarschieren zu wollen. Er hält es offenbar nicht<lb/>
für allzuschwierig, von England jetzt auch hierfür die Genehmigung einzuholen.<lb/>
Zwischen dem Raub Oberschlesiens und dein des Ruhrgebiets würde danach ein<lb/>
Unterschied nur des Grades, nicht der Sache bestehen. Stimmt das und kann<lb/>
Frankreich jeden Tag eine unter Beteiligung der Volkspartei gebildete Regierung<lb/>
stürzen, so ist ein Eintritt in die Regierung für diese unmöglich. Die Aus¬<lb/>
einandersetzung zwischen England und Frankreich, die in Genf unterbrochen<lb/>
wurde, müßte zu Ende geführt, die weitere Zersetzung Deutschlands ausgeschlossen<lb/>
werden. Ist das unmöglich, saugt sich Frankreich immer tiefer in unsern Körper<lb/>
hinein und bleibt die Markstabilisierung aus, so werden wir der nackten Hungers¬<lb/>
not entgegengehen. Aber England leidet mit. der Kreislauf seines Lebens stockt,<lb/>
wenn Deutschland zahlungsunfähig wird. Auch die englische Geschichte könnte<lb/>
tiefer mit der unsrigen verflochten werden, als es bisher das Land der siegreichen<lb/>
und frommen Perfidie gewohnt war.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Anschlußpolitik in Österreich<lb/><note type="byline"> L. A. Haubenberge</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_573" next="#ID_574"> !er Anschluß an Deutschland, die bedeutendste aller politischen<lb/>
Fragen in Osterreich, der einzige Gedanke, der trotz weitgehend<lb/>
zersplitterter Partei- und Fraktionspolitik, trotz Klassenhaß und<lb/>
Klassenkampf, trotz Parteihaders und Verleumdungsfeldzügen so<lb/>
ziemlich der einzige ist, der in den breiten Massen des öster¬<lb/>
reichischen Volkes, fast ohne Ausnahme überall festen Fuß gefaßt und zur<lb/>
Überzeugung geführt hat, daß nur er es ist, der die alte, Sturm- und kraft¬<lb/>
erprobte Ostmark vor dem gänzlichen Zusammenbruche oder vor endgültiger<lb/>
Versklavung und Beugung unter das Joch des Feindbuudes erretten kann, dem<lb/>
Arbeiter, Beamte, Bürger und Bauern gleich freundlich gegeniiberstehcn, ist uus,<lb/>
Deutschösterreichern bekanntlich durch die Bestimmungen der Raub- und Schand-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 9*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] Die Allschlußpolitik in (Oesterreich sein, sondern letzten Endes nur für Frankreich arbeiten müssen. Dieser Gesichtspunkt ist ausschlaggebend, denn Frankreichs Interesse wird nie Deutschlands Interesse sein. „Jeder Engländer empfindet bei dem Gedanken einer Teilung des Industrie- reviers Grauen," sagte Balfour in Genf und teilte das Jndustrierevier nach tschechischen Rezept. „V/sslmII see, onst ve can av !or ^on, >of pill er^ our best", sagte der Fairplayer Lloyd George zu den Deutschen und warf Ober¬ schlesien, das er umständlich und prachtvoll die Herrschaftstreppe des Obersten Rates herausgetragen und vor der deutschen Flurtür niedergesetzt hat, rasch und heimlich die dunkle Bediententreppe des Völkerbundes hinab in den polnischen Keller. Stresemann, Stinnes und Vogler werden jetzt, wenn sie klug sind, nur dem öffnen, der uns Valutakonferenz und Moratorium bringt. Frankreich wird beides höchstens zum Schein, wahrscheinlich überhaupt nicht, mitmachen. Briand hat schon angekündigt, unsern Bankerott als Finte auffassen, und endlich ins Ruhrgebiet einmarschieren zu wollen. Er hält es offenbar nicht für allzuschwierig, von England jetzt auch hierfür die Genehmigung einzuholen. Zwischen dem Raub Oberschlesiens und dein des Ruhrgebiets würde danach ein Unterschied nur des Grades, nicht der Sache bestehen. Stimmt das und kann Frankreich jeden Tag eine unter Beteiligung der Volkspartei gebildete Regierung stürzen, so ist ein Eintritt in die Regierung für diese unmöglich. Die Aus¬ einandersetzung zwischen England und Frankreich, die in Genf unterbrochen wurde, müßte zu Ende geführt, die weitere Zersetzung Deutschlands ausgeschlossen werden. Ist das unmöglich, saugt sich Frankreich immer tiefer in unsern Körper hinein und bleibt die Markstabilisierung aus, so werden wir der nackten Hungers¬ not entgegengehen. Aber England leidet mit. der Kreislauf seines Lebens stockt, wenn Deutschland zahlungsunfähig wird. Auch die englische Geschichte könnte tiefer mit der unsrigen verflochten werden, als es bisher das Land der siegreichen und frommen Perfidie gewohnt war. Die Anschlußpolitik in Österreich L. A. Haubenberge von !er Anschluß an Deutschland, die bedeutendste aller politischen Fragen in Osterreich, der einzige Gedanke, der trotz weitgehend zersplitterter Partei- und Fraktionspolitik, trotz Klassenhaß und Klassenkampf, trotz Parteihaders und Verleumdungsfeldzügen so ziemlich der einzige ist, der in den breiten Massen des öster¬ reichischen Volkes, fast ohne Ausnahme überall festen Fuß gefaßt und zur Überzeugung geführt hat, daß nur er es ist, der die alte, Sturm- und kraft¬ erprobte Ostmark vor dem gänzlichen Zusammenbruche oder vor endgültiger Versklavung und Beugung unter das Joch des Feindbuudes erretten kann, dem Arbeiter, Beamte, Bürger und Bauern gleich freundlich gegeniiberstehcn, ist uus, Deutschösterreichern bekanntlich durch die Bestimmungen der Raub- und Schand- 9*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/139>, abgerufen am 29.04.2024.