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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Der Bücherbcsitz der Hohenzollern

Deutschland ersetzen. Aber sie läßt auf sich warten. Mittlerweile schreitet
die Zerrüttung von Staatsfinanzen und Wirtschaft rüstig vorwärts. Der Wert
der österreichischen Krone ist nahe dem Nullpunkt. Ein weiteres Zuwarten der
feindbündlichen Kreditgeber bringt die Katastrophe und die Selbsthilfe der Öster¬
reicher: Die Proklamation des Anschlusses als fertige Tatsache.




T>er Bücherbesitz der Hohenzollern
Dr. Bogdan Uriegcr vonII.

ährend im Vorhergehenden, abgesehen von der Bibliothek Friedrich
Wilhelm III., durch die im alten Schloß befindliche Büchersamm-
lung ihrer Bedeutung und ihrem Wert nach gekennzeichnet
wurde, sollen nunmehr die historischen Hohenzollernbibliv-
theken und Einzelsammlungen der Hausbibliothek kurz besprochen
werden. Da der Große Kurfürst 1661 seine Privatbibliothek, in die auch die
Bücher seiner Vorfahren übergegangen waren, zu einer öffentlichen machte, die
Bücher des Königs Friedrichs I. sich bis ans Einzelheiten nicht erhalten haben
und Friedrich Wilhelm I. keine nennenswerte Bücherei besaß, bilden 'die Bibliotheken
Friedrichs des Großen die ältesten Bestände der Hausbibliothek. In jedem der
von ihm bewohnten Schlösser, also im Stadtschloß in Potsdam, in Snnssvnei,
im Neuen Palais bei" Potsdam, im Berliner und Charlottenburger Schloß, so¬
wie in Breslau, besaß der König eine Büchersammlung. Die älteste von ihnen
ist die im Potsdamer Stadtschloß mit etwa 1000 Bänden, die Bibliothek in
Sanssouci, in die die Rheinsberger Bibliothek des Königs aufging, umfaßt 2288
Bände, etwas geringeren Umfangs ist die jüngste der drei Potsdamer Bibliotheken
im Neuen Palais. Die Berliner und Charlottenburger Bibliothek sind nur noch
zum Teil erhalten. Die Bibliothek in Breslau enthält etwas über 700 Bände.
Insgesamt sind von den Büchern Friedrichs des Großen noch 6700 Bände er¬
halten, von denen nicht, wie Herr Heinig meint, einige, sondern alle in literari¬
scher und bibliophiler Hinsicht wertvoll sind und schon manches Bücherfreun¬
des Entzücken erregt haben. Sie wurden insgesamt mit 2 218 265 M. abgeschützt,
wobei zu bemerken ist, daß die Sammlungen in ihrer Gesamtheit viel höher ein¬
zuschätzen sind. Die hohe literarische und bibliophile Bewertung der Bibliotheken
Friedrichs des Großen hat verschiedene Gründe. Einer ist ihre Erhaltung in
einheitlicher, ursprünglicher Geschlossenheit. Gewiß gibt es viele Familienbiblio¬
theken älterer Entstehungszeit. Diese werden aber in den allermeisten Fällen
durch Zutaten aus späteren Zeitabschnitten nicht mehr so deutlich das literarische
und buchtechnische Gepräge einer bestimmten Zeitepoche tragen wie verschiedene
Bibliotheken der Hohenzollernfürsten, insbesondere die Friedrichs des Großen.
Zweitens sind die Bibliotheken des Königs durchaus der Ausdruck seiner wissen¬
schaftlichen und schöngeistigen Interessen. In diesen Bibliotheken, konnte man
sagen, steht kein Buch, zu dem er nicht ein persönliches Verhältnis hatte. Be-


Der Bücherbcsitz der Hohenzollern

Deutschland ersetzen. Aber sie läßt auf sich warten. Mittlerweile schreitet
die Zerrüttung von Staatsfinanzen und Wirtschaft rüstig vorwärts. Der Wert
der österreichischen Krone ist nahe dem Nullpunkt. Ein weiteres Zuwarten der
feindbündlichen Kreditgeber bringt die Katastrophe und die Selbsthilfe der Öster¬
reicher: Die Proklamation des Anschlusses als fertige Tatsache.




T>er Bücherbesitz der Hohenzollern
Dr. Bogdan Uriegcr vonII.

ährend im Vorhergehenden, abgesehen von der Bibliothek Friedrich
Wilhelm III., durch die im alten Schloß befindliche Büchersamm-
lung ihrer Bedeutung und ihrem Wert nach gekennzeichnet
wurde, sollen nunmehr die historischen Hohenzollernbibliv-
theken und Einzelsammlungen der Hausbibliothek kurz besprochen
werden. Da der Große Kurfürst 1661 seine Privatbibliothek, in die auch die
Bücher seiner Vorfahren übergegangen waren, zu einer öffentlichen machte, die
Bücher des Königs Friedrichs I. sich bis ans Einzelheiten nicht erhalten haben
und Friedrich Wilhelm I. keine nennenswerte Bücherei besaß, bilden 'die Bibliotheken
Friedrichs des Großen die ältesten Bestände der Hausbibliothek. In jedem der
von ihm bewohnten Schlösser, also im Stadtschloß in Potsdam, in Snnssvnei,
im Neuen Palais bei« Potsdam, im Berliner und Charlottenburger Schloß, so¬
wie in Breslau, besaß der König eine Büchersammlung. Die älteste von ihnen
ist die im Potsdamer Stadtschloß mit etwa 1000 Bänden, die Bibliothek in
Sanssouci, in die die Rheinsberger Bibliothek des Königs aufging, umfaßt 2288
Bände, etwas geringeren Umfangs ist die jüngste der drei Potsdamer Bibliotheken
im Neuen Palais. Die Berliner und Charlottenburger Bibliothek sind nur noch
zum Teil erhalten. Die Bibliothek in Breslau enthält etwas über 700 Bände.
Insgesamt sind von den Büchern Friedrichs des Großen noch 6700 Bände er¬
halten, von denen nicht, wie Herr Heinig meint, einige, sondern alle in literari¬
scher und bibliophiler Hinsicht wertvoll sind und schon manches Bücherfreun¬
des Entzücken erregt haben. Sie wurden insgesamt mit 2 218 265 M. abgeschützt,
wobei zu bemerken ist, daß die Sammlungen in ihrer Gesamtheit viel höher ein¬
zuschätzen sind. Die hohe literarische und bibliophile Bewertung der Bibliotheken
Friedrichs des Großen hat verschiedene Gründe. Einer ist ihre Erhaltung in
einheitlicher, ursprünglicher Geschlossenheit. Gewiß gibt es viele Familienbiblio¬
theken älterer Entstehungszeit. Diese werden aber in den allermeisten Fällen
durch Zutaten aus späteren Zeitabschnitten nicht mehr so deutlich das literarische
und buchtechnische Gepräge einer bestimmten Zeitepoche tragen wie verschiedene
Bibliotheken der Hohenzollernfürsten, insbesondere die Friedrichs des Großen.
Zweitens sind die Bibliotheken des Königs durchaus der Ausdruck seiner wissen¬
schaftlichen und schöngeistigen Interessen. In diesen Bibliotheken, konnte man
sagen, steht kein Buch, zu dem er nicht ein persönliches Verhältnis hatte. Be-


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[0145] Der Bücherbcsitz der Hohenzollern Deutschland ersetzen. Aber sie läßt auf sich warten. Mittlerweile schreitet die Zerrüttung von Staatsfinanzen und Wirtschaft rüstig vorwärts. Der Wert der österreichischen Krone ist nahe dem Nullpunkt. Ein weiteres Zuwarten der feindbündlichen Kreditgeber bringt die Katastrophe und die Selbsthilfe der Öster¬ reicher: Die Proklamation des Anschlusses als fertige Tatsache. T>er Bücherbesitz der Hohenzollern Dr. Bogdan Uriegcr vonII. ährend im Vorhergehenden, abgesehen von der Bibliothek Friedrich Wilhelm III., durch die im alten Schloß befindliche Büchersamm- lung ihrer Bedeutung und ihrem Wert nach gekennzeichnet wurde, sollen nunmehr die historischen Hohenzollernbibliv- theken und Einzelsammlungen der Hausbibliothek kurz besprochen werden. Da der Große Kurfürst 1661 seine Privatbibliothek, in die auch die Bücher seiner Vorfahren übergegangen waren, zu einer öffentlichen machte, die Bücher des Königs Friedrichs I. sich bis ans Einzelheiten nicht erhalten haben und Friedrich Wilhelm I. keine nennenswerte Bücherei besaß, bilden 'die Bibliotheken Friedrichs des Großen die ältesten Bestände der Hausbibliothek. In jedem der von ihm bewohnten Schlösser, also im Stadtschloß in Potsdam, in Snnssvnei, im Neuen Palais bei« Potsdam, im Berliner und Charlottenburger Schloß, so¬ wie in Breslau, besaß der König eine Büchersammlung. Die älteste von ihnen ist die im Potsdamer Stadtschloß mit etwa 1000 Bänden, die Bibliothek in Sanssouci, in die die Rheinsberger Bibliothek des Königs aufging, umfaßt 2288 Bände, etwas geringeren Umfangs ist die jüngste der drei Potsdamer Bibliotheken im Neuen Palais. Die Berliner und Charlottenburger Bibliothek sind nur noch zum Teil erhalten. Die Bibliothek in Breslau enthält etwas über 700 Bände. Insgesamt sind von den Büchern Friedrichs des Großen noch 6700 Bände er¬ halten, von denen nicht, wie Herr Heinig meint, einige, sondern alle in literari¬ scher und bibliophiler Hinsicht wertvoll sind und schon manches Bücherfreun¬ des Entzücken erregt haben. Sie wurden insgesamt mit 2 218 265 M. abgeschützt, wobei zu bemerken ist, daß die Sammlungen in ihrer Gesamtheit viel höher ein¬ zuschätzen sind. Die hohe literarische und bibliophile Bewertung der Bibliotheken Friedrichs des Großen hat verschiedene Gründe. Einer ist ihre Erhaltung in einheitlicher, ursprünglicher Geschlossenheit. Gewiß gibt es viele Familienbiblio¬ theken älterer Entstehungszeit. Diese werden aber in den allermeisten Fällen durch Zutaten aus späteren Zeitabschnitten nicht mehr so deutlich das literarische und buchtechnische Gepräge einer bestimmten Zeitepoche tragen wie verschiedene Bibliotheken der Hohenzollernfürsten, insbesondere die Friedrichs des Großen. Zweitens sind die Bibliotheken des Königs durchaus der Ausdruck seiner wissen¬ schaftlichen und schöngeistigen Interessen. In diesen Bibliotheken, konnte man sagen, steht kein Buch, zu dem er nicht ein persönliches Verhältnis hatte. Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/145>, abgerufen am 28.04.2024.