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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Schweizerische Selbständigkeitspolitik

Hilfe, vor deren Gefährlichkeit denn doch der Gesandte unausgesetzt warnt, von
der er einen Wendepunkt zum Schlimmen fürchtet, die er mit allen Kräften zu
hintertreiben sucht. Und auf der anderen Seite der Kaiser. Welcher Konflikt war
da in der Schwiebuser Frage, wegen der Türkenhilfe, wegen der neunten
Kur ausgebrochen I Noch wirkte der Frieden von Se. Germain nach. Eine zu
große Stärkung des Hauses Habsburg wenigstens sollte vermieden werden. Es
sei nicht im Interesse des Reiches noch irgend einer europäischen Macht, daß
Frankreich völlig vernichtet würde, so ließ sich Falaiseau aus. Man benötige
es "pour s'en servil en Las ac bssoin contie la puisance et l'ambition cle la
Saison ä'^utricns"

Dies waren die sich kreuzenden Strömungen bis zur irischen Reduktion. Die
Schlacht an der Boyne brachte dann die große Entscheidung. Sie brachte aber
auch die große Enttäuschung für Brandenburg. Denn es war nicht die Absicht
des Kurfürsten, die Stuarts für immer aus England fern zu halten, gerade die
Blockade sollte dazu dienen, den Hauptfeind der Christenheit, Frankreich, end¬
gültig zu Boden zu werfen. Aus diesem Grunde hatte er den Beitritt zur Allianz
erstrebt, aus diesem Grunde besonderen Wert auf den Kommerzientraktat gelegt
und Verhandlungen im einzelnen gepflogen. Und nun mußte er sehen, wie Wil¬
helm III. nicht daran dachte, den Sieg auszunutzen, wie er in der Frage der Blockade
Schweden gegenüber völlig nachgab. Im Oktober berichtet der braunschweigische
Sekretär Berry, der im Auftrage seines Herrn den irischen Feldzug mitgemacht
hatte. "II Sendts qu'on hasse le ton, qu'on avoit pris ej'adora bien June sur
l'interckiction <in commerce cle Trance, si ein'on veuillee le laisser continuer
aux Lucciois et Hanois ä ac certaines conäitions. On relaclre les vaisseaux
Lueclois et l'on les odliZe seulement nie venäre lei (in London) plus nmr-
elianckises alone ils estoient cliargös et qu'ils portoient en Iiavrs, et l'on les
laissera poursuivre leur vovaZe et aller clmrZerce am'ils voucii ont. Ve Sorte
que le commerce Is se relsblik. (Schluß folgt.)




schweizerische ^elbständigkeitspolitik

"le Frage, ob die Schweiz dem Völkerbund beitreten solle, hat die
Schweizer leidenschaftlich bewegt. Wenn der Beitritt schließlich
mit Mehrheit beschlossen worden ist, so hat doch die Opposition
einen starken und zwar dauernden Rückhalt im Volk. Die Be-
iWSusA"" wegung ist keineswegs zum Abschluß gekommen. An der Hand
des Widerspruchs gegen den Völkerbund entwickelt sich eine neue Schweizer
Selbstündigkeitsbewegung. Der Völkerbund ist eine moderne Form der Tyrannei,
und der Widerstand, der sich gegen den Tyrannen erhoben hat, ist oft in der



°?) Bericht Falaiseaus vom 16. (26 ) Februar 1689. Ilgen bemerkt dazu am Rande
bös Konzepts: "Diese passsZs wegen des Hauses Österreich wird in der Relation nach
Wien vor allen Dingen ausgelassen werden müssen."
Grenzboten IV 1921 12
Schweizerische Selbständigkeitspolitik

Hilfe, vor deren Gefährlichkeit denn doch der Gesandte unausgesetzt warnt, von
der er einen Wendepunkt zum Schlimmen fürchtet, die er mit allen Kräften zu
hintertreiben sucht. Und auf der anderen Seite der Kaiser. Welcher Konflikt war
da in der Schwiebuser Frage, wegen der Türkenhilfe, wegen der neunten
Kur ausgebrochen I Noch wirkte der Frieden von Se. Germain nach. Eine zu
große Stärkung des Hauses Habsburg wenigstens sollte vermieden werden. Es
sei nicht im Interesse des Reiches noch irgend einer europäischen Macht, daß
Frankreich völlig vernichtet würde, so ließ sich Falaiseau aus. Man benötige
es „pour s'en servil en Las ac bssoin contie la puisance et l'ambition cle la
Saison ä'^utricns"

Dies waren die sich kreuzenden Strömungen bis zur irischen Reduktion. Die
Schlacht an der Boyne brachte dann die große Entscheidung. Sie brachte aber
auch die große Enttäuschung für Brandenburg. Denn es war nicht die Absicht
des Kurfürsten, die Stuarts für immer aus England fern zu halten, gerade die
Blockade sollte dazu dienen, den Hauptfeind der Christenheit, Frankreich, end¬
gültig zu Boden zu werfen. Aus diesem Grunde hatte er den Beitritt zur Allianz
erstrebt, aus diesem Grunde besonderen Wert auf den Kommerzientraktat gelegt
und Verhandlungen im einzelnen gepflogen. Und nun mußte er sehen, wie Wil¬
helm III. nicht daran dachte, den Sieg auszunutzen, wie er in der Frage der Blockade
Schweden gegenüber völlig nachgab. Im Oktober berichtet der braunschweigische
Sekretär Berry, der im Auftrage seines Herrn den irischen Feldzug mitgemacht
hatte. „II Sendts qu'on hasse le ton, qu'on avoit pris ej'adora bien June sur
l'interckiction <in commerce cle Trance, si ein'on veuillee le laisser continuer
aux Lucciois et Hanois ä ac certaines conäitions. On relaclre les vaisseaux
Lueclois et l'on les odliZe seulement nie venäre lei (in London) plus nmr-
elianckises alone ils estoient cliargös et qu'ils portoient en Iiavrs, et l'on les
laissera poursuivre leur vovaZe et aller clmrZerce am'ils voucii ont. Ve Sorte
que le commerce Is se relsblik. (Schluß folgt.)




schweizerische ^elbständigkeitspolitik

»le Frage, ob die Schweiz dem Völkerbund beitreten solle, hat die
Schweizer leidenschaftlich bewegt. Wenn der Beitritt schließlich
mit Mehrheit beschlossen worden ist, so hat doch die Opposition
einen starken und zwar dauernden Rückhalt im Volk. Die Be-
iWSusA«» wegung ist keineswegs zum Abschluß gekommen. An der Hand
des Widerspruchs gegen den Völkerbund entwickelt sich eine neue Schweizer
Selbstündigkeitsbewegung. Der Völkerbund ist eine moderne Form der Tyrannei,
und der Widerstand, der sich gegen den Tyrannen erhoben hat, ist oft in der



°?) Bericht Falaiseaus vom 16. (26 ) Februar 1689. Ilgen bemerkt dazu am Rande
bös Konzepts: „Diese passsZs wegen des Hauses Österreich wird in der Relation nach
Wien vor allen Dingen ausgelassen werden müssen."
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[0185] Schweizerische Selbständigkeitspolitik Hilfe, vor deren Gefährlichkeit denn doch der Gesandte unausgesetzt warnt, von der er einen Wendepunkt zum Schlimmen fürchtet, die er mit allen Kräften zu hintertreiben sucht. Und auf der anderen Seite der Kaiser. Welcher Konflikt war da in der Schwiebuser Frage, wegen der Türkenhilfe, wegen der neunten Kur ausgebrochen I Noch wirkte der Frieden von Se. Germain nach. Eine zu große Stärkung des Hauses Habsburg wenigstens sollte vermieden werden. Es sei nicht im Interesse des Reiches noch irgend einer europäischen Macht, daß Frankreich völlig vernichtet würde, so ließ sich Falaiseau aus. Man benötige es „pour s'en servil en Las ac bssoin contie la puisance et l'ambition cle la Saison ä'^utricns" Dies waren die sich kreuzenden Strömungen bis zur irischen Reduktion. Die Schlacht an der Boyne brachte dann die große Entscheidung. Sie brachte aber auch die große Enttäuschung für Brandenburg. Denn es war nicht die Absicht des Kurfürsten, die Stuarts für immer aus England fern zu halten, gerade die Blockade sollte dazu dienen, den Hauptfeind der Christenheit, Frankreich, end¬ gültig zu Boden zu werfen. Aus diesem Grunde hatte er den Beitritt zur Allianz erstrebt, aus diesem Grunde besonderen Wert auf den Kommerzientraktat gelegt und Verhandlungen im einzelnen gepflogen. Und nun mußte er sehen, wie Wil¬ helm III. nicht daran dachte, den Sieg auszunutzen, wie er in der Frage der Blockade Schweden gegenüber völlig nachgab. Im Oktober berichtet der braunschweigische Sekretär Berry, der im Auftrage seines Herrn den irischen Feldzug mitgemacht hatte. „II Sendts qu'on hasse le ton, qu'on avoit pris ej'adora bien June sur l'interckiction <in commerce cle Trance, si ein'on veuillee le laisser continuer aux Lucciois et Hanois ä ac certaines conäitions. On relaclre les vaisseaux Lueclois et l'on les odliZe seulement nie venäre lei (in London) plus nmr- elianckises alone ils estoient cliargös et qu'ils portoient en Iiavrs, et l'on les laissera poursuivre leur vovaZe et aller clmrZerce am'ils voucii ont. Ve Sorte que le commerce Is se relsblik. (Schluß folgt.) schweizerische ^elbständigkeitspolitik »le Frage, ob die Schweiz dem Völkerbund beitreten solle, hat die Schweizer leidenschaftlich bewegt. Wenn der Beitritt schließlich mit Mehrheit beschlossen worden ist, so hat doch die Opposition einen starken und zwar dauernden Rückhalt im Volk. Die Be- iWSusA«» wegung ist keineswegs zum Abschluß gekommen. An der Hand des Widerspruchs gegen den Völkerbund entwickelt sich eine neue Schweizer Selbstündigkeitsbewegung. Der Völkerbund ist eine moderne Form der Tyrannei, und der Widerstand, der sich gegen den Tyrannen erhoben hat, ist oft in der °?) Bericht Falaiseaus vom 16. (26 ) Februar 1689. Ilgen bemerkt dazu am Rande bös Konzepts: „Diese passsZs wegen des Hauses Österreich wird in der Relation nach Wien vor allen Dingen ausgelassen werden müssen." Grenzboten IV 1921 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/185>, abgerufen am 29.04.2024.