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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

und mich, aus Unbewußte"! aneinander zwang. Sahen dort eine Gemeinschaft,
die alle Erlebnisse zu ähnlichen Menschen machte. Die Gruppe der Soldaten,
sie zog zusammen aus, zum Krieg, zum Dienst und Tanz und kehren zusammen
heim: als Freunde, Kameraden.

Es war am Kompagnieabeno. Wir beide waren die einzigen Fremden.
Zwei junge Soldaten kamen auf uns zu, Arm in Arm, jenen geheimnisvollen"
liefen Glanz in den Augen und lachten. "Wollt ihr nicht Soldaten werden?"
Arthur und ich sahen uns an. Kurz: Schicksalsstunde,

Die Eltern tobten, wir ließen nicht ab und wurden Soldaten,

Jetzt ging uns erst das Leben auf.

Wir waren niemals aus kleinstädtischen Verhältnissen herausgekommen,
niemals mit Menschen in Berührung gekommen, die anders dachten als wir
und mehr wußten. Wir griffen nach jeder Frende, die sich uns bot, wirmnßten
alles Leid der Erfahrung kosten: Wir blieben immer, immer zusammen. Kein
Mädchen brachte uns auseinander.

Wir kamen, in die Großstadt. Wir beide, beseelt von tiefster Achtung vor
dein Mädchen und der Frau: sahen voll Ekel die Weiber der Großstadt. Wir
waren so jung und unser Blut raste. Wir brauchten Liebe, sehnten uns nach
Zartheit. Wir fanden nur Dirnen. Wir zogen durch die langen Großstadt¬
straßen. Ans und ab. Auf und ub. Unsere Augen wurde" so weit. Ach, es
blieb vergeblich!

Eines abends war ich allein ans der Snche nach einem Mädchen, stolz und
zart, wie in der Heimat.

Drei Stunden irrte ich vergebens. Ich mochte wohl recht verzweifelt und
traurig ausgesehen haben. Da sprach mich ein Herr an. Vielleicht fünf Jahre
älter als ich, ein Student, wie er sagte. Ich wußte nicht, wie es kam: Der
Klang seiner Stimme, das klare prüfende Auge, sie brachten mich dazu, ihm
erzählen, wie ich litt. Daß ich in der Millionenstadt nicht ein Mädchen fände,
daß so ist, wie daheim und in der kleinen Garnison: stolz und zart.

Er strich mir über die Stirn: sprach leise auf mich ein. Was es war,
weiß ich nicht, aber es beruhigte mich. Wir sahen uns öfters, ich wurde sein.
Freund, Und all die Weichheit, mit der ich sonst "nein Müdcheu umgeben hatte,
alle überströmende Liebe meiner zwanzig Jahre; er bekam sie. Ich wurde ver¬
liebt und eifersüchtig. Arthur vergaß ich.

Wir küßten uns. Was "veiter geschah . . .

Irgend ein Mensch verriet mich. Der Kompagnieführer ließ mich kommen:
"Du bist "nein bester Soldat, aber vor dem Staatsanwalt kann ich dich ni!ehr
retten!"

Nun sitze ich in" Gefängnis,

Und draußen höre ich Trommelklaug und Pfcifenzwitschern, Jetzt die
Trompeten und, nun die Pauke. Stille und dann , , , und dann : Heller Sol¬
datengesang.

Meine Kameraden . , ."


Der alte Unteroffizier.

". . . Das neumodische Gelichter will
nicht mehr parieren. Die Gesellschaft, die im Krieg nur Zigarettenrauchen lernte.


Altes und neues Heer

und mich, aus Unbewußte»! aneinander zwang. Sahen dort eine Gemeinschaft,
die alle Erlebnisse zu ähnlichen Menschen machte. Die Gruppe der Soldaten,
sie zog zusammen aus, zum Krieg, zum Dienst und Tanz und kehren zusammen
heim: als Freunde, Kameraden.

Es war am Kompagnieabeno. Wir beide waren die einzigen Fremden.
Zwei junge Soldaten kamen auf uns zu, Arm in Arm, jenen geheimnisvollen»
liefen Glanz in den Augen und lachten. „Wollt ihr nicht Soldaten werden?"
Arthur und ich sahen uns an. Kurz: Schicksalsstunde,

Die Eltern tobten, wir ließen nicht ab und wurden Soldaten,

Jetzt ging uns erst das Leben auf.

Wir waren niemals aus kleinstädtischen Verhältnissen herausgekommen,
niemals mit Menschen in Berührung gekommen, die anders dachten als wir
und mehr wußten. Wir griffen nach jeder Frende, die sich uns bot, wirmnßten
alles Leid der Erfahrung kosten: Wir blieben immer, immer zusammen. Kein
Mädchen brachte uns auseinander.

Wir kamen, in die Großstadt. Wir beide, beseelt von tiefster Achtung vor
dein Mädchen und der Frau: sahen voll Ekel die Weiber der Großstadt. Wir
waren so jung und unser Blut raste. Wir brauchten Liebe, sehnten uns nach
Zartheit. Wir fanden nur Dirnen. Wir zogen durch die langen Großstadt¬
straßen. Ans und ab. Auf und ub. Unsere Augen wurde» so weit. Ach, es
blieb vergeblich!

Eines abends war ich allein ans der Snche nach einem Mädchen, stolz und
zart, wie in der Heimat.

Drei Stunden irrte ich vergebens. Ich mochte wohl recht verzweifelt und
traurig ausgesehen haben. Da sprach mich ein Herr an. Vielleicht fünf Jahre
älter als ich, ein Student, wie er sagte. Ich wußte nicht, wie es kam: Der
Klang seiner Stimme, das klare prüfende Auge, sie brachten mich dazu, ihm
erzählen, wie ich litt. Daß ich in der Millionenstadt nicht ein Mädchen fände,
daß so ist, wie daheim und in der kleinen Garnison: stolz und zart.

Er strich mir über die Stirn: sprach leise auf mich ein. Was es war,
weiß ich nicht, aber es beruhigte mich. Wir sahen uns öfters, ich wurde sein.
Freund, Und all die Weichheit, mit der ich sonst »nein Müdcheu umgeben hatte,
alle überströmende Liebe meiner zwanzig Jahre; er bekam sie. Ich wurde ver¬
liebt und eifersüchtig. Arthur vergaß ich.

Wir küßten uns. Was »veiter geschah . . .

Irgend ein Mensch verriet mich. Der Kompagnieführer ließ mich kommen:
„Du bist »nein bester Soldat, aber vor dem Staatsanwalt kann ich dich ni!ehr
retten!"

Nun sitze ich in» Gefängnis,

Und draußen höre ich Trommelklaug und Pfcifenzwitschern, Jetzt die
Trompeten und, nun die Pauke. Stille und dann , , , und dann : Heller Sol¬
datengesang.

Meine Kameraden . , ."


Der alte Unteroffizier.

„. . . Das neumodische Gelichter will
nicht mehr parieren. Die Gesellschaft, die im Krieg nur Zigarettenrauchen lernte.


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[0258] Altes und neues Heer und mich, aus Unbewußte»! aneinander zwang. Sahen dort eine Gemeinschaft, die alle Erlebnisse zu ähnlichen Menschen machte. Die Gruppe der Soldaten, sie zog zusammen aus, zum Krieg, zum Dienst und Tanz und kehren zusammen heim: als Freunde, Kameraden. Es war am Kompagnieabeno. Wir beide waren die einzigen Fremden. Zwei junge Soldaten kamen auf uns zu, Arm in Arm, jenen geheimnisvollen» liefen Glanz in den Augen und lachten. „Wollt ihr nicht Soldaten werden?" Arthur und ich sahen uns an. Kurz: Schicksalsstunde, Die Eltern tobten, wir ließen nicht ab und wurden Soldaten, Jetzt ging uns erst das Leben auf. Wir waren niemals aus kleinstädtischen Verhältnissen herausgekommen, niemals mit Menschen in Berührung gekommen, die anders dachten als wir und mehr wußten. Wir griffen nach jeder Frende, die sich uns bot, wirmnßten alles Leid der Erfahrung kosten: Wir blieben immer, immer zusammen. Kein Mädchen brachte uns auseinander. Wir kamen, in die Großstadt. Wir beide, beseelt von tiefster Achtung vor dein Mädchen und der Frau: sahen voll Ekel die Weiber der Großstadt. Wir waren so jung und unser Blut raste. Wir brauchten Liebe, sehnten uns nach Zartheit. Wir fanden nur Dirnen. Wir zogen durch die langen Großstadt¬ straßen. Ans und ab. Auf und ub. Unsere Augen wurde» so weit. Ach, es blieb vergeblich! Eines abends war ich allein ans der Snche nach einem Mädchen, stolz und zart, wie in der Heimat. Drei Stunden irrte ich vergebens. Ich mochte wohl recht verzweifelt und traurig ausgesehen haben. Da sprach mich ein Herr an. Vielleicht fünf Jahre älter als ich, ein Student, wie er sagte. Ich wußte nicht, wie es kam: Der Klang seiner Stimme, das klare prüfende Auge, sie brachten mich dazu, ihm erzählen, wie ich litt. Daß ich in der Millionenstadt nicht ein Mädchen fände, daß so ist, wie daheim und in der kleinen Garnison: stolz und zart. Er strich mir über die Stirn: sprach leise auf mich ein. Was es war, weiß ich nicht, aber es beruhigte mich. Wir sahen uns öfters, ich wurde sein. Freund, Und all die Weichheit, mit der ich sonst »nein Müdcheu umgeben hatte, alle überströmende Liebe meiner zwanzig Jahre; er bekam sie. Ich wurde ver¬ liebt und eifersüchtig. Arthur vergaß ich. Wir küßten uns. Was »veiter geschah . . . Irgend ein Mensch verriet mich. Der Kompagnieführer ließ mich kommen: „Du bist »nein bester Soldat, aber vor dem Staatsanwalt kann ich dich ni!ehr retten!" Nun sitze ich in» Gefängnis, Und draußen höre ich Trommelklaug und Pfcifenzwitschern, Jetzt die Trompeten und, nun die Pauke. Stille und dann , , , und dann : Heller Sol¬ datengesang. Meine Kameraden . , ." Der alte Unteroffizier. „. . . Das neumodische Gelichter will nicht mehr parieren. Die Gesellschaft, die im Krieg nur Zigarettenrauchen lernte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/258>, abgerufen am 29.04.2024.