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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Ring,' im Osten, Während der französische Ministerpräsident vor eineni
Parlament, mit dem sich nicht regieren läßt, nach Washington geflohen ist, we>
Frankreich mit seinen Kassandrarufen innerhalb der allgemein zur Schau ge¬
tragenen AbrüstungSfreudigkcil eine alles andere als glänzende Rolle spielt, wäh¬
rend ein die Abwesenheit des französischen Chefs gewandt benntzender energi¬
scher Gegenstoß Frankreichs Orientpolitik bedroht, hat dieses im Osten Deutsch¬
lands mit dem Abschluß des polnisch-tschechischen Vertrages einen diplomatischen
Erfolg davongetragen, dessen politische AuSivirkungsuiöglichkeiten sich zwar noch
nicht völlig übersehen lasse", der aber zeigt, wie' zielbewußt und zähe sich die
französische Politik an ihrer "Barriörepolitik" gegen Sowjctrußland und den,
"L.amen" zwischen diesem und Deutschland weiterarbeitet. Daß dieser Vertrag
unter französischem Druck zustande gekommen ist, kann trotz der in dieser Rich¬
tung unternommenen Versuche nicht bestritten werden, ° Leider ist aber dies
das nahezu einzige, das an der .ganzen Sache klar ist. Merkwürdig z, B, ist
schon die Eile, mit der der Vertrag abgeschlossen wurde und die vermuten läßt,
daß der Abschluß irgendwie mit der Erledigung der ungarischen Frage zusammen¬
hängt. Daß Polen, obwohl sein Ministerpräsident noch vor gar nicht langer Zeit
Bnkarester Journal!sten gegenüber sehr kühle (und dann allerdings dementierte)
Worte über das Verhältnis zwischen Tschechen und Polen gesprochen hatte, sich
auf französische" Druck zur Unterzeichnung des Vertrages bereitfinden ließ, ist
am Ende verständlich. Daß aber Benös sich auf diese Weise gegen Rußland fcst-
ülgte und Ostgalizien preisgab, läßt sich nur durch Vermutungen erklären. Mög¬
lich, daß die zögernde und wahrscheinlich auch durch die Hoffnung, bei der Be¬
setzung des ungarischen Thrones die schon früher angestrebte rnmäniMs-ungarische
Personalunion durchzusetzen, veranlaßte zögernde Haltung Rumäniens
Ungarn gegenüber, dem tschechischen Ministerpräsidenten überraschend die
Brüchigkeit seiner Kleinen Entente offenbarte, möglich mich, daß tschechische
^udnstriekreise unter der Hand Vorteile in Oberschlesien erlangt haben, die
Politisch bezahlt werden mußten, möglich, daß die traditionelle Magparenfreund-
lichleit gewisser einflußreicher polnischer Kreise den vorsichtigen Tschechenprcmier
gelegentlich der ungarischen Krise mahnte, sich zunächst eine Rückendeckung zu
kichern, die man auch Italien gegenüber einmal brauchen konnte. Am aller
unklarsten aber ist der Vertrag selber, von dem nur soviel feststeht, daß er in der
veröffentlichten Form nicht bestehen kann. Beide Staaten verpflichten sich zu¬
nächst, jhr^ territoriale Integrität "auf der Basis der Verträge, auf denen ihre
Unabhängigkeit und Existenz beruht", zu achten. Das bezieht sich zunächst auf die
Verträge' von Versailles, Trimmn und Se. Germain. Aber wie ist eS mit
Teschen und wie ist es mit Riga? Die Teschener 'Frage ist ans Grund eines
EntentediktatS gelöst. Und beruht die Unabhängigkeit Polens nicht anch anf
dein Rigaer Vertrag? Freie Bahn für alle Jnterpretationskümpfe, Im Falle
eines Angriffs von feiten eines Nachbarn verpflichten sich beide Teile zu wohl¬
wollender Neutralität und freier Dnrchfnhr von Kriegsmaterial, Aber was heißt
Angriff? In Konfliktöfällen besteht ja gerade alle'diplomatische Kunst darin,
den anderen Teil als Angreifer hinzustellen. Wenn Polen morgen, wie es an¬
scheinend beabsichtigt, in Ostgalizien oder der Ukraine eingreift und Rußland
Einspruch erhebt, wer ist der'Angreifer? Wenn die Litaner sich im Wilnngebiet
5ur Wehr scheu, wer ist der Angreifer? Entweder dieser Vertragspunkt ist auf-
nchttg gemeint, dann stellt er einen schwer erklärliches Erfolg Polens zu¬
ungunsten Rußlands dar und findet in der rnssenfrcnndlichen Tschechoslowakei
"ut Recht heftige Kritik oder er ist nicht aufrichtig gemeint, dann hat er, da
Deutschland als Angreifer gegen Polen nicht in Betracht kommt, keinen Wert.
Verhältnismüßig am klarsten lautet der nächste Absatz, der das Desinteressement
Polens an der'Slowakei, der Tschechoslowakei an Ostgalizien anspricht. Wenn
'wer in, gleichen Absatz beide Vertragspartner sich verpflichten, die militärischen


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Ring,' im Osten, Während der französische Ministerpräsident vor eineni
Parlament, mit dem sich nicht regieren läßt, nach Washington geflohen ist, we>
Frankreich mit seinen Kassandrarufen innerhalb der allgemein zur Schau ge¬
tragenen AbrüstungSfreudigkcil eine alles andere als glänzende Rolle spielt, wäh¬
rend ein die Abwesenheit des französischen Chefs gewandt benntzender energi¬
scher Gegenstoß Frankreichs Orientpolitik bedroht, hat dieses im Osten Deutsch¬
lands mit dem Abschluß des polnisch-tschechischen Vertrages einen diplomatischen
Erfolg davongetragen, dessen politische AuSivirkungsuiöglichkeiten sich zwar noch
nicht völlig übersehen lasse», der aber zeigt, wie' zielbewußt und zähe sich die
französische Politik an ihrer „Barriörepolitik" gegen Sowjctrußland und den,
„L.amen" zwischen diesem und Deutschland weiterarbeitet. Daß dieser Vertrag
unter französischem Druck zustande gekommen ist, kann trotz der in dieser Rich¬
tung unternommenen Versuche nicht bestritten werden, ° Leider ist aber dies
das nahezu einzige, das an der .ganzen Sache klar ist. Merkwürdig z, B, ist
schon die Eile, mit der der Vertrag abgeschlossen wurde und die vermuten läßt,
daß der Abschluß irgendwie mit der Erledigung der ungarischen Frage zusammen¬
hängt. Daß Polen, obwohl sein Ministerpräsident noch vor gar nicht langer Zeit
Bnkarester Journal!sten gegenüber sehr kühle (und dann allerdings dementierte)
Worte über das Verhältnis zwischen Tschechen und Polen gesprochen hatte, sich
auf französische» Druck zur Unterzeichnung des Vertrages bereitfinden ließ, ist
am Ende verständlich. Daß aber Benös sich auf diese Weise gegen Rußland fcst-
ülgte und Ostgalizien preisgab, läßt sich nur durch Vermutungen erklären. Mög¬
lich, daß die zögernde und wahrscheinlich auch durch die Hoffnung, bei der Be¬
setzung des ungarischen Thrones die schon früher angestrebte rnmäniMs-ungarische
Personalunion durchzusetzen, veranlaßte zögernde Haltung Rumäniens
Ungarn gegenüber, dem tschechischen Ministerpräsidenten überraschend die
Brüchigkeit seiner Kleinen Entente offenbarte, möglich mich, daß tschechische
^udnstriekreise unter der Hand Vorteile in Oberschlesien erlangt haben, die
Politisch bezahlt werden mußten, möglich, daß die traditionelle Magparenfreund-
lichleit gewisser einflußreicher polnischer Kreise den vorsichtigen Tschechenprcmier
gelegentlich der ungarischen Krise mahnte, sich zunächst eine Rückendeckung zu
kichern, die man auch Italien gegenüber einmal brauchen konnte. Am aller
unklarsten aber ist der Vertrag selber, von dem nur soviel feststeht, daß er in der
veröffentlichten Form nicht bestehen kann. Beide Staaten verpflichten sich zu¬
nächst, jhr^ territoriale Integrität „auf der Basis der Verträge, auf denen ihre
Unabhängigkeit und Existenz beruht", zu achten. Das bezieht sich zunächst auf die
Verträge' von Versailles, Trimmn und Se. Germain. Aber wie ist eS mit
Teschen und wie ist es mit Riga? Die Teschener 'Frage ist ans Grund eines
EntentediktatS gelöst. Und beruht die Unabhängigkeit Polens nicht anch anf
dein Rigaer Vertrag? Freie Bahn für alle Jnterpretationskümpfe, Im Falle
eines Angriffs von feiten eines Nachbarn verpflichten sich beide Teile zu wohl¬
wollender Neutralität und freier Dnrchfnhr von Kriegsmaterial, Aber was heißt
Angriff? In Konfliktöfällen besteht ja gerade alle'diplomatische Kunst darin,
den anderen Teil als Angreifer hinzustellen. Wenn Polen morgen, wie es an¬
scheinend beabsichtigt, in Ostgalizien oder der Ukraine eingreift und Rußland
Einspruch erhebt, wer ist der'Angreifer? Wenn die Litaner sich im Wilnngebiet
5ur Wehr scheu, wer ist der Angreifer? Entweder dieser Vertragspunkt ist auf-
nchttg gemeint, dann stellt er einen schwer erklärliches Erfolg Polens zu¬
ungunsten Rußlands dar und findet in der rnssenfrcnndlichen Tschechoslowakei
"ut Recht heftige Kritik oder er ist nicht aufrichtig gemeint, dann hat er, da
Deutschland als Angreifer gegen Polen nicht in Betracht kommt, keinen Wert.
Verhältnismüßig am klarsten lautet der nächste Absatz, der das Desinteressement
Polens an der'Slowakei, der Tschechoslowakei an Ostgalizien anspricht. Wenn
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[0289] Zveltspiegel ZVeltspiegel Ring,' im Osten, Während der französische Ministerpräsident vor eineni Parlament, mit dem sich nicht regieren läßt, nach Washington geflohen ist, we> Frankreich mit seinen Kassandrarufen innerhalb der allgemein zur Schau ge¬ tragenen AbrüstungSfreudigkcil eine alles andere als glänzende Rolle spielt, wäh¬ rend ein die Abwesenheit des französischen Chefs gewandt benntzender energi¬ scher Gegenstoß Frankreichs Orientpolitik bedroht, hat dieses im Osten Deutsch¬ lands mit dem Abschluß des polnisch-tschechischen Vertrages einen diplomatischen Erfolg davongetragen, dessen politische AuSivirkungsuiöglichkeiten sich zwar noch nicht völlig übersehen lasse», der aber zeigt, wie' zielbewußt und zähe sich die französische Politik an ihrer „Barriörepolitik" gegen Sowjctrußland und den, „L.amen" zwischen diesem und Deutschland weiterarbeitet. Daß dieser Vertrag unter französischem Druck zustande gekommen ist, kann trotz der in dieser Rich¬ tung unternommenen Versuche nicht bestritten werden, ° Leider ist aber dies das nahezu einzige, das an der .ganzen Sache klar ist. Merkwürdig z, B, ist schon die Eile, mit der der Vertrag abgeschlossen wurde und die vermuten läßt, daß der Abschluß irgendwie mit der Erledigung der ungarischen Frage zusammen¬ hängt. Daß Polen, obwohl sein Ministerpräsident noch vor gar nicht langer Zeit Bnkarester Journal!sten gegenüber sehr kühle (und dann allerdings dementierte) Worte über das Verhältnis zwischen Tschechen und Polen gesprochen hatte, sich auf französische» Druck zur Unterzeichnung des Vertrages bereitfinden ließ, ist am Ende verständlich. Daß aber Benös sich auf diese Weise gegen Rußland fcst- ülgte und Ostgalizien preisgab, läßt sich nur durch Vermutungen erklären. Mög¬ lich, daß die zögernde und wahrscheinlich auch durch die Hoffnung, bei der Be¬ setzung des ungarischen Thrones die schon früher angestrebte rnmäniMs-ungarische Personalunion durchzusetzen, veranlaßte zögernde Haltung Rumäniens Ungarn gegenüber, dem tschechischen Ministerpräsidenten überraschend die Brüchigkeit seiner Kleinen Entente offenbarte, möglich mich, daß tschechische ^udnstriekreise unter der Hand Vorteile in Oberschlesien erlangt haben, die Politisch bezahlt werden mußten, möglich, daß die traditionelle Magparenfreund- lichleit gewisser einflußreicher polnischer Kreise den vorsichtigen Tschechenprcmier gelegentlich der ungarischen Krise mahnte, sich zunächst eine Rückendeckung zu kichern, die man auch Italien gegenüber einmal brauchen konnte. Am aller unklarsten aber ist der Vertrag selber, von dem nur soviel feststeht, daß er in der veröffentlichten Form nicht bestehen kann. Beide Staaten verpflichten sich zu¬ nächst, jhr^ territoriale Integrität „auf der Basis der Verträge, auf denen ihre Unabhängigkeit und Existenz beruht", zu achten. Das bezieht sich zunächst auf die Verträge' von Versailles, Trimmn und Se. Germain. Aber wie ist eS mit Teschen und wie ist es mit Riga? Die Teschener 'Frage ist ans Grund eines EntentediktatS gelöst. Und beruht die Unabhängigkeit Polens nicht anch anf dein Rigaer Vertrag? Freie Bahn für alle Jnterpretationskümpfe, Im Falle eines Angriffs von feiten eines Nachbarn verpflichten sich beide Teile zu wohl¬ wollender Neutralität und freier Dnrchfnhr von Kriegsmaterial, Aber was heißt Angriff? In Konfliktöfällen besteht ja gerade alle'diplomatische Kunst darin, den anderen Teil als Angreifer hinzustellen. Wenn Polen morgen, wie es an¬ scheinend beabsichtigt, in Ostgalizien oder der Ukraine eingreift und Rußland Einspruch erhebt, wer ist der'Angreifer? Wenn die Litaner sich im Wilnngebiet 5ur Wehr scheu, wer ist der Angreifer? Entweder dieser Vertragspunkt ist auf- nchttg gemeint, dann stellt er einen schwer erklärliches Erfolg Polens zu¬ ungunsten Rußlands dar und findet in der rnssenfrcnndlichen Tschechoslowakei "ut Recht heftige Kritik oder er ist nicht aufrichtig gemeint, dann hat er, da Deutschland als Angreifer gegen Polen nicht in Betracht kommt, keinen Wert. Verhältnismüßig am klarsten lautet der nächste Absatz, der das Desinteressement Polens an der'Slowakei, der Tschechoslowakei an Ostgalizien anspricht. Wenn 'wer in, gleichen Absatz beide Vertragspartner sich verpflichten, die militärischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/289>, abgerufen am 28.04.2024.