Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Iveltspicgel

und politischen Organisationen, sowie jedes Propagandazeutrum auszulösen,
"deren Ziel es ist, irgend einen Teil vom Gebiete des Partners loszulösen," so
weiß man ja, was man von solchen Versicherungen bei nicht vorhandenem guten
Willen zu halten hat, und davf nicht vergessen, daß Ostgalizien augenblicklich
Niemandsland ist. Daß beide Staaten sich zur Mitteilung von Vertragen, die
sie mit anderen Mächten abgeschlossen haben, verpflichten (das heißt natürlich
bis ans diejenigen, die mit Recht den Namen Geheimvcrträge führen), möchte hin¬
gehen, wenn nicht auch hier Zweifel darüber beständen, ob der Abschluß sich nur
aus die Vergangenheit oder auch auf die Zukunft bezieht. Um die Sache dann
recht unverfänglich aussehen zu lassen, wird ferner bestimmt, daß bei einem
Konflikt (welcher Art, wird nicht gesagt) entweder an das Haager Schiedsgericht
oder an für den besonderen Fall gewählte Schiedsrichter (also z. B. an Gro߬
mächte, die den Fall wie die Oberschlcsieufrage behandeln könnten!) appelliert'
werden soll. Daß beide Teile kein großes Zutrauen zu der Dauerhaftigkeit des
Vertrages zu haben scheinen, verraten die beiden letzten Absätze, die bestimmen,
daß mit anderen Staaten kein Abkommen geschlossen werden kann, das zu diesem
unbestimmten und lückenhaften Vertrage im Widerspruch steht, und die Dauer auf
nur fünf Jahre festsetzten, jedoch schon nach zwei Jahren eine Kundig-mgsmöglich-
kcit vorsehen, falls die Kündignngsabsicht ein halbes Jahr zuvor mitgeteilt wor¬
den ist.

Da unseres Wissens weder Venvs noch Stirmunb unter die Dadaisten ge¬
gangen sind, der Vertrag also nicht ohne Absicht so unbestimmt gehalten sein
kann, muß angenommen werden, daß er weit mehr, als von ihm ver¬
öffentlicht worden ist, enthält. Auf eine Unterschlagung hat bereits der Prager
Mitarbeiter der "Kreuz-Zeitung" hingewiesen. Sie betrifft den slowakischen Land¬
strich Jaworin, auf deu die Polen von jeher Anspruch erhoben haben, auf den
die Tschechen nur ungern verzichten wollen. Weniger bedeutsam ist dagegen der
bei dergleichen Veröffentlichungen nach der ersten offiziellen Begeisterung ge¬
wöhnlich auftretende Umstand, daß der Vertrag in beiden Ländern als zu günstig
für den anderen Teil kritisiert wird. Alle diese Kritiken müssen ins Leere treffen,
da keiner der beiden beteiligten Minister die wahren Gründe, für den Abschluß,
die Wünsche Frankreichs nämlich, mitteilen kann.

Wie ohnmächtig Polen, da es sich sowohl mit Dentschland wie mit Rußland
verfeindet hat, Befehlen der Entente gegenüber dasteht, beweisen die Vorgänge.,
die zu Rücktrittsabsichten des Staatsoberhauptes führten. Die gegen den Willen
des Völkerbundrates erfolgte Anberaumung der Wahlen zu einer Nationalversamm¬
lung des Wilnaer Gebiets veranlaßte nämlich die Vertreter Frankreichs und Eng¬
lands in Warschau zu eiuer Erklärung, daß nach Ansicht ihrer Regierungen zum
Wilna-Gebiet nicht nur der von Zeiigvwski besetzte Teil, sondern auch die Gebiete
gehörten, die nördlich der Curzon-Linie auf Grund des Rigaer Friedens an Polen
gefallen, feien. Darob .große Aufregung "im Sejm, die Pilsudski vergeblich mit
Rücktrittsdrohung und ' unter Hinweis auf seinen eigenen föderalistischen, der
Ansicht der Großmächte immerhin nahekommenden Standpunkt, zu beschwich¬
tigen sucht. ES bedarf, um den Sejm zum Einlenken zu bewegen, erst eines ener¬
gischen Winkes der Ententemächte, daß man in Paris und London einem Wechsel
des Staatsoberhauptes nur mit Mißfallen zusehen könnte. Der ganze Verfall
zeigt deutlich, wie sehr die iutrausigente Haltung der polnischen Nationalisten¬
kreise der Regierung ihre Tätigkeit erschwert und durch ihren Abenteuerdraug die
Selbständigkett der polnischen Politik gefährdet.

Von Norden her wird dann von Frankreich die Barriere in Lettland gebaut,
wobei ansnalnnsweise die Franzosen unleugbar geschickt vorgegangen sind. Die Letten,
die so ängstlich auf ihre kulturelle Selbständigkeit bedacht'waren und weder von
Russen noch von Deutschen ein Stück Brot mehr nehmen wollen, nehmen die
französischen Propagandaträger mit Begeisterung ans und räumen Frankreich
gerne auch bedeutende wirtschaftliche Vorteile ein. Eine. Lücke bildet nur noch
das in der französischen und zum Teil auch in der polnischen Presse als deutsch-


Iveltspicgel

und politischen Organisationen, sowie jedes Propagandazeutrum auszulösen,
„deren Ziel es ist, irgend einen Teil vom Gebiete des Partners loszulösen," so
weiß man ja, was man von solchen Versicherungen bei nicht vorhandenem guten
Willen zu halten hat, und davf nicht vergessen, daß Ostgalizien augenblicklich
Niemandsland ist. Daß beide Staaten sich zur Mitteilung von Vertragen, die
sie mit anderen Mächten abgeschlossen haben, verpflichten (das heißt natürlich
bis ans diejenigen, die mit Recht den Namen Geheimvcrträge führen), möchte hin¬
gehen, wenn nicht auch hier Zweifel darüber beständen, ob der Abschluß sich nur
aus die Vergangenheit oder auch auf die Zukunft bezieht. Um die Sache dann
recht unverfänglich aussehen zu lassen, wird ferner bestimmt, daß bei einem
Konflikt (welcher Art, wird nicht gesagt) entweder an das Haager Schiedsgericht
oder an für den besonderen Fall gewählte Schiedsrichter (also z. B. an Gro߬
mächte, die den Fall wie die Oberschlcsieufrage behandeln könnten!) appelliert'
werden soll. Daß beide Teile kein großes Zutrauen zu der Dauerhaftigkeit des
Vertrages zu haben scheinen, verraten die beiden letzten Absätze, die bestimmen,
daß mit anderen Staaten kein Abkommen geschlossen werden kann, das zu diesem
unbestimmten und lückenhaften Vertrage im Widerspruch steht, und die Dauer auf
nur fünf Jahre festsetzten, jedoch schon nach zwei Jahren eine Kundig-mgsmöglich-
kcit vorsehen, falls die Kündignngsabsicht ein halbes Jahr zuvor mitgeteilt wor¬
den ist.

Da unseres Wissens weder Venvs noch Stirmunb unter die Dadaisten ge¬
gangen sind, der Vertrag also nicht ohne Absicht so unbestimmt gehalten sein
kann, muß angenommen werden, daß er weit mehr, als von ihm ver¬
öffentlicht worden ist, enthält. Auf eine Unterschlagung hat bereits der Prager
Mitarbeiter der „Kreuz-Zeitung" hingewiesen. Sie betrifft den slowakischen Land¬
strich Jaworin, auf deu die Polen von jeher Anspruch erhoben haben, auf den
die Tschechen nur ungern verzichten wollen. Weniger bedeutsam ist dagegen der
bei dergleichen Veröffentlichungen nach der ersten offiziellen Begeisterung ge¬
wöhnlich auftretende Umstand, daß der Vertrag in beiden Ländern als zu günstig
für den anderen Teil kritisiert wird. Alle diese Kritiken müssen ins Leere treffen,
da keiner der beiden beteiligten Minister die wahren Gründe, für den Abschluß,
die Wünsche Frankreichs nämlich, mitteilen kann.

Wie ohnmächtig Polen, da es sich sowohl mit Dentschland wie mit Rußland
verfeindet hat, Befehlen der Entente gegenüber dasteht, beweisen die Vorgänge.,
die zu Rücktrittsabsichten des Staatsoberhauptes führten. Die gegen den Willen
des Völkerbundrates erfolgte Anberaumung der Wahlen zu einer Nationalversamm¬
lung des Wilnaer Gebiets veranlaßte nämlich die Vertreter Frankreichs und Eng¬
lands in Warschau zu eiuer Erklärung, daß nach Ansicht ihrer Regierungen zum
Wilna-Gebiet nicht nur der von Zeiigvwski besetzte Teil, sondern auch die Gebiete
gehörten, die nördlich der Curzon-Linie auf Grund des Rigaer Friedens an Polen
gefallen, feien. Darob .große Aufregung "im Sejm, die Pilsudski vergeblich mit
Rücktrittsdrohung und ' unter Hinweis auf seinen eigenen föderalistischen, der
Ansicht der Großmächte immerhin nahekommenden Standpunkt, zu beschwich¬
tigen sucht. ES bedarf, um den Sejm zum Einlenken zu bewegen, erst eines ener¬
gischen Winkes der Ententemächte, daß man in Paris und London einem Wechsel
des Staatsoberhauptes nur mit Mißfallen zusehen könnte. Der ganze Verfall
zeigt deutlich, wie sehr die iutrausigente Haltung der polnischen Nationalisten¬
kreise der Regierung ihre Tätigkeit erschwert und durch ihren Abenteuerdraug die
Selbständigkett der polnischen Politik gefährdet.

Von Norden her wird dann von Frankreich die Barriere in Lettland gebaut,
wobei ansnalnnsweise die Franzosen unleugbar geschickt vorgegangen sind. Die Letten,
die so ängstlich auf ihre kulturelle Selbständigkeit bedacht'waren und weder von
Russen noch von Deutschen ein Stück Brot mehr nehmen wollen, nehmen die
französischen Propagandaträger mit Begeisterung ans und räumen Frankreich
gerne auch bedeutende wirtschaftliche Vorteile ein. Eine. Lücke bildet nur noch
das in der französischen und zum Teil auch in der polnischen Presse als deutsch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339839"/>
          <fw type="header" place="top"> Iveltspicgel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1170" prev="#ID_1169"> und politischen Organisationen, sowie jedes Propagandazeutrum auszulösen,<lb/>
&#x201E;deren Ziel es ist, irgend einen Teil vom Gebiete des Partners loszulösen," so<lb/>
weiß man ja, was man von solchen Versicherungen bei nicht vorhandenem guten<lb/>
Willen zu halten hat, und davf nicht vergessen, daß Ostgalizien augenblicklich<lb/>
Niemandsland ist. Daß beide Staaten sich zur Mitteilung von Vertragen, die<lb/>
sie mit anderen Mächten abgeschlossen haben, verpflichten (das heißt natürlich<lb/>
bis ans diejenigen, die mit Recht den Namen Geheimvcrträge führen), möchte hin¬<lb/>
gehen, wenn nicht auch hier Zweifel darüber beständen, ob der Abschluß sich nur<lb/>
aus die Vergangenheit oder auch auf die Zukunft bezieht. Um die Sache dann<lb/>
recht unverfänglich aussehen zu lassen, wird ferner bestimmt, daß bei einem<lb/>
Konflikt (welcher Art, wird nicht gesagt) entweder an das Haager Schiedsgericht<lb/>
oder an für den besonderen Fall gewählte Schiedsrichter (also z. B. an Gro߬<lb/>
mächte, die den Fall wie die Oberschlcsieufrage behandeln könnten!) appelliert'<lb/>
werden soll. Daß beide Teile kein großes Zutrauen zu der Dauerhaftigkeit des<lb/>
Vertrages zu haben scheinen, verraten die beiden letzten Absätze, die bestimmen,<lb/>
daß mit anderen Staaten kein Abkommen geschlossen werden kann, das zu diesem<lb/>
unbestimmten und lückenhaften Vertrage im Widerspruch steht, und die Dauer auf<lb/>
nur fünf Jahre festsetzten, jedoch schon nach zwei Jahren eine Kundig-mgsmöglich-<lb/>
kcit vorsehen, falls die Kündignngsabsicht ein halbes Jahr zuvor mitgeteilt wor¬<lb/>
den ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1171"> Da unseres Wissens weder Venvs noch Stirmunb unter die Dadaisten ge¬<lb/>
gangen sind, der Vertrag also nicht ohne Absicht so unbestimmt gehalten sein<lb/>
kann, muß angenommen werden, daß er weit mehr, als von ihm ver¬<lb/>
öffentlicht worden ist, enthält. Auf eine Unterschlagung hat bereits der Prager<lb/>
Mitarbeiter der &#x201E;Kreuz-Zeitung" hingewiesen. Sie betrifft den slowakischen Land¬<lb/>
strich Jaworin, auf deu die Polen von jeher Anspruch erhoben haben, auf den<lb/>
die Tschechen nur ungern verzichten wollen. Weniger bedeutsam ist dagegen der<lb/>
bei dergleichen Veröffentlichungen nach der ersten offiziellen Begeisterung ge¬<lb/>
wöhnlich auftretende Umstand, daß der Vertrag in beiden Ländern als zu günstig<lb/>
für den anderen Teil kritisiert wird. Alle diese Kritiken müssen ins Leere treffen,<lb/>
da keiner der beiden beteiligten Minister die wahren Gründe, für den Abschluß,<lb/>
die Wünsche Frankreichs nämlich, mitteilen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1172"> Wie ohnmächtig Polen, da es sich sowohl mit Dentschland wie mit Rußland<lb/>
verfeindet hat, Befehlen der Entente gegenüber dasteht, beweisen die Vorgänge.,<lb/>
die zu Rücktrittsabsichten des Staatsoberhauptes führten. Die gegen den Willen<lb/>
des Völkerbundrates erfolgte Anberaumung der Wahlen zu einer Nationalversamm¬<lb/>
lung des Wilnaer Gebiets veranlaßte nämlich die Vertreter Frankreichs und Eng¬<lb/>
lands in Warschau zu eiuer Erklärung, daß nach Ansicht ihrer Regierungen zum<lb/>
Wilna-Gebiet nicht nur der von Zeiigvwski besetzte Teil, sondern auch die Gebiete<lb/>
gehörten, die nördlich der Curzon-Linie auf Grund des Rigaer Friedens an Polen<lb/>
gefallen, feien. Darob .große Aufregung "im Sejm, die Pilsudski vergeblich mit<lb/>
Rücktrittsdrohung und ' unter Hinweis auf seinen eigenen föderalistischen, der<lb/>
Ansicht der Großmächte immerhin nahekommenden Standpunkt, zu beschwich¬<lb/>
tigen sucht. ES bedarf, um den Sejm zum Einlenken zu bewegen, erst eines ener¬<lb/>
gischen Winkes der Ententemächte, daß man in Paris und London einem Wechsel<lb/>
des Staatsoberhauptes nur mit Mißfallen zusehen könnte. Der ganze Verfall<lb/>
zeigt deutlich, wie sehr die iutrausigente Haltung der polnischen Nationalisten¬<lb/>
kreise der Regierung ihre Tätigkeit erschwert und durch ihren Abenteuerdraug die<lb/>
Selbständigkett der polnischen Politik gefährdet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1173" next="#ID_1174"> Von Norden her wird dann von Frankreich die Barriere in Lettland gebaut,<lb/>
wobei ansnalnnsweise die Franzosen unleugbar geschickt vorgegangen sind. Die Letten,<lb/>
die so ängstlich auf ihre kulturelle Selbständigkeit bedacht'waren und weder von<lb/>
Russen noch von Deutschen ein Stück Brot mehr nehmen wollen, nehmen die<lb/>
französischen Propagandaträger mit Begeisterung ans und räumen Frankreich<lb/>
gerne auch bedeutende wirtschaftliche Vorteile ein. Eine. Lücke bildet nur noch<lb/>
das in der französischen und zum Teil auch in der polnischen Presse als deutsch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] Iveltspicgel und politischen Organisationen, sowie jedes Propagandazeutrum auszulösen, „deren Ziel es ist, irgend einen Teil vom Gebiete des Partners loszulösen," so weiß man ja, was man von solchen Versicherungen bei nicht vorhandenem guten Willen zu halten hat, und davf nicht vergessen, daß Ostgalizien augenblicklich Niemandsland ist. Daß beide Staaten sich zur Mitteilung von Vertragen, die sie mit anderen Mächten abgeschlossen haben, verpflichten (das heißt natürlich bis ans diejenigen, die mit Recht den Namen Geheimvcrträge führen), möchte hin¬ gehen, wenn nicht auch hier Zweifel darüber beständen, ob der Abschluß sich nur aus die Vergangenheit oder auch auf die Zukunft bezieht. Um die Sache dann recht unverfänglich aussehen zu lassen, wird ferner bestimmt, daß bei einem Konflikt (welcher Art, wird nicht gesagt) entweder an das Haager Schiedsgericht oder an für den besonderen Fall gewählte Schiedsrichter (also z. B. an Gro߬ mächte, die den Fall wie die Oberschlcsieufrage behandeln könnten!) appelliert' werden soll. Daß beide Teile kein großes Zutrauen zu der Dauerhaftigkeit des Vertrages zu haben scheinen, verraten die beiden letzten Absätze, die bestimmen, daß mit anderen Staaten kein Abkommen geschlossen werden kann, das zu diesem unbestimmten und lückenhaften Vertrage im Widerspruch steht, und die Dauer auf nur fünf Jahre festsetzten, jedoch schon nach zwei Jahren eine Kundig-mgsmöglich- kcit vorsehen, falls die Kündignngsabsicht ein halbes Jahr zuvor mitgeteilt wor¬ den ist. Da unseres Wissens weder Venvs noch Stirmunb unter die Dadaisten ge¬ gangen sind, der Vertrag also nicht ohne Absicht so unbestimmt gehalten sein kann, muß angenommen werden, daß er weit mehr, als von ihm ver¬ öffentlicht worden ist, enthält. Auf eine Unterschlagung hat bereits der Prager Mitarbeiter der „Kreuz-Zeitung" hingewiesen. Sie betrifft den slowakischen Land¬ strich Jaworin, auf deu die Polen von jeher Anspruch erhoben haben, auf den die Tschechen nur ungern verzichten wollen. Weniger bedeutsam ist dagegen der bei dergleichen Veröffentlichungen nach der ersten offiziellen Begeisterung ge¬ wöhnlich auftretende Umstand, daß der Vertrag in beiden Ländern als zu günstig für den anderen Teil kritisiert wird. Alle diese Kritiken müssen ins Leere treffen, da keiner der beiden beteiligten Minister die wahren Gründe, für den Abschluß, die Wünsche Frankreichs nämlich, mitteilen kann. Wie ohnmächtig Polen, da es sich sowohl mit Dentschland wie mit Rußland verfeindet hat, Befehlen der Entente gegenüber dasteht, beweisen die Vorgänge., die zu Rücktrittsabsichten des Staatsoberhauptes führten. Die gegen den Willen des Völkerbundrates erfolgte Anberaumung der Wahlen zu einer Nationalversamm¬ lung des Wilnaer Gebiets veranlaßte nämlich die Vertreter Frankreichs und Eng¬ lands in Warschau zu eiuer Erklärung, daß nach Ansicht ihrer Regierungen zum Wilna-Gebiet nicht nur der von Zeiigvwski besetzte Teil, sondern auch die Gebiete gehörten, die nördlich der Curzon-Linie auf Grund des Rigaer Friedens an Polen gefallen, feien. Darob .große Aufregung "im Sejm, die Pilsudski vergeblich mit Rücktrittsdrohung und ' unter Hinweis auf seinen eigenen föderalistischen, der Ansicht der Großmächte immerhin nahekommenden Standpunkt, zu beschwich¬ tigen sucht. ES bedarf, um den Sejm zum Einlenken zu bewegen, erst eines ener¬ gischen Winkes der Ententemächte, daß man in Paris und London einem Wechsel des Staatsoberhauptes nur mit Mißfallen zusehen könnte. Der ganze Verfall zeigt deutlich, wie sehr die iutrausigente Haltung der polnischen Nationalisten¬ kreise der Regierung ihre Tätigkeit erschwert und durch ihren Abenteuerdraug die Selbständigkett der polnischen Politik gefährdet. Von Norden her wird dann von Frankreich die Barriere in Lettland gebaut, wobei ansnalnnsweise die Franzosen unleugbar geschickt vorgegangen sind. Die Letten, die so ängstlich auf ihre kulturelle Selbständigkeit bedacht'waren und weder von Russen noch von Deutschen ein Stück Brot mehr nehmen wollen, nehmen die französischen Propagandaträger mit Begeisterung ans und räumen Frankreich gerne auch bedeutende wirtschaftliche Vorteile ein. Eine. Lücke bildet nur noch das in der französischen und zum Teil auch in der polnischen Presse als deutsch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/290>, abgerufen am 14.05.2024.